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Was auf den ersten Blick aussieht wie ein leicht verspäteter Nachklapp zu Gesprengte Ketten [ 1963 ], ist neben allen ebenfalls vorhandenen Unterhaltungsaspekten auch ein eindringliches Duell zweier Führungskräfte. Männer, die sich stellvertretend für ihr Land begegnen und die genau gegenübergesetzten Ziele intelligent mit den verfügbaren Mitteln vorantreiben. Das psychologisch wirksame Bedrohungsszenario ist dabei ganz schnell auf exemplarische Konfliktfiguren zusammengefasst:
Kapitänleutnant Willi Schlüter [ Helmut Griem ] will aus dem McKenzie Kriegsgefangenenlager weit oben in Schottland raus und seine Mission weiterführen. Der extra vom britischen Geheimdienst abkommandierte Capt. Jack Connor [ Brian Keith ] will die 600 Deutschen in der Umzäunung behalten und dies auch in möglichst friedlicher Ordnung; darüberhinaus würde es auch nicht schaden, den Grund hinter dem Aufruhr im Inneren auf die Schliche zu kommen.

Mit diesem Ventil steigt man auch ein. Aus einem quid pro quo wird ein pars pro toto. Die Briten wollen sich für etwas revanchieren, dass ihren gefangenen Soldaten bei den Deutschen angetan wurde; müssen aber damit rechnen, dass dies wiederum auf sie zurückfällt. Schlüter braucht diese Bedenken nicht zu haben. Er verweigert den Appell. Entzieht sich der Herrschaft, indem er sie nicht anerkennt. Glaubt an Krieg, Volk und Führer - im Gegensatz zu Connor, der nur an eine gewisse Form der Ordnung und darüberhinaus nicht mehr glaubt - und inszeniert eine Schlacht mit Steinen. Vorher wurde noch Herms Niels "Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein" gemeinsam gesungen; Riz Ortolanis forsche Bässe und das rhythmische Aufstampfen der Soldaten machen aus dem Volkslied eine militärische An- und Aufpeitschung. Aus den Singenden Kameraden wird binnen Sekunden eine Masse, die die paar Mann Bewacher einkreisen und aus "ihrem" Lager drängen. Die Situation hat sich schlagartig verändert. Die Disziplin ist nur von und für die Seite wiederhergestellt, die keinen Einfluss darauf haben sollte.

Diesen Ausgangspunkt könnte man auch jetzt vielleicht noch für eine eher farblich wohlwollende, actionreiche und nicht beunruhigende Geschichte wie eben den Sturges setzen. Regisseur Lamont Johnson bevorzugt aber nicht nur einen optisch trüben Brei aus Braun- und Grautönen und setzt seinen eingekerkerten Schauplatz ständigem Schlamm und Morast aus; sondern treibt den Machtkampf auch zu einer Privatfehde hoch, die den - eigentlich weit entfernten - Krieg ganz unmittelbar ins Lager holt. Der anfängliche Schabernack und das Vorführen der britischen Aufpasser durch den zahlenmässig weit überlegenen Trupp Deutscher wandelt sich rasch in nur notdürftig versteckte Androhungen um, bei der die eigentlich offiziellen Platzhalter schnell das Nachsehen kriegen.
Ihnen stehen neben weniger Mann auch vor allem weniger Handhabe zur Verfügung; die Genfer Konvention muss in erster Linie beachtet und gleich danach darf auch kein Aufstand riskiert werden. Man kann nur das einsetzen, was erlaubt und im Fall das mildeste Mittel ist; der omnipräsente Notstand sorgt für eine stetig spürbare Anspannung über den gesamten Platz hinweg, dessen banges Warten auf den Ausbruch der direkten Gewalt manipulierend intensiv übertragen wird.

Die persönlichen Konfrontation erfolgen auch innerhalb der eigenen Reihen und lassen sich eben nicht strikt am Stacheldraht abgrenzen. Sicherheiten in und um dem krank aussehenden Grün der Moorflächen bestehen nicht.
Capt. Connor muss jederzeit damit rechnen, mit dem eigentlichen Kommandanten Maj. Perry [ Ian Hendry ] aneinanderzugeraten und von seinem behelfsmässigen Posten abgezogen zu werden. Perry war früher Schulmeister und ist es gewohnt, die Aufsicht zu haben, aber nicht gewohnt, dass man seinen Befehlen und Maßregeln widerspricht.
Ausserdem ist es nicht Connors Krieg. Er ist Ire und eigentlich Journalist. Kriminalreporter. Schriftsteller. Gar nicht so richtig in der militärischen Befehlskette drin, zumindest nicht mit dem Herz. Doppelt so alt wie Schlüter. Gut erhalten und mächtiger Gang, aber wesentlich weniger begierig auf eine körperliche Auseinandersetzung, die sein Gegenpart schon aus Langeweile, aus Prinzip und auch zur Ablenkung desöfteren provozierend angeht.
Connor ist ein Zivilist, der hierzu gewzungen wurde; daheim wartet ein vorübergehend ausgesetzter Untersuchungsausschuß. Ein Entrinnen seiner Häftlinge würde ihm noch weniger guttun und die Moral seiner Gegner entscheidend verbessern. Der Verweis auf Jagdpilot Franz von Werra, der 1940 spektakulär aus britischer Kriegsgefangenschaft über Kanada, die USA und Südamerika floh und weltweit für Schlagzeilen sorgte, kommt nicht von ungefähr. [Roy Ward Bakers Einer kam durch verfilmte 1957 das Geschehen.]

Schlüter muss aber dafür sorgen, dass für den geplanten und von Berlin gefohlenen Ausbruch nur seine Mannschaft mitkommt; 28 U - Bootleute. Die eh missmutige und seine Befehlsherrschaft kritisierende Luftwaffe eine Baracke weiter darf nicht nur nichts erfahren, sondern muss letztlich als Tarnung sogar beseitigt werden. Ebenso - wie es ihm ein Vergnügen ist - den "schwulen Schwächling" Lt. Herbert Neuchl [ Horst Janson ] als schlechten Deutschen ins Visier zu nehmen. Während des Dritten Reiches wurde die Ideologie vertreten, dass Homosexualität in seinem „entarteten“ Verhalten inkompatibel mit dem Nationalsozialismus sei; Schwule wurden gesellschaftlich marginalisiert.
Der Tod ist auch eine Art von Ordnung.

Dabei neutralisiert eine differenziertere Charakterdarstellung den propagandistischen Gehalt, weist schon eindeutig die Rollen zu, hält die Sympathien der zirkulären Erzählstruktur aber ambivalenter. Das Katz - und Mausspiel kehrt die Sichtweise um. Man wird durch die allumfassende Kenntnis auch stark mit dem Vorhaben der Ausbrecher vertraut gemacht und ist bei ihren Taktiken und aufkommenden Schwierigkeiten ebenso dabei, wie man die Fluchtversuche und die bemühte Erfüllung des Unternehmens aus ihrer Sicht sieht. Ein Mitfiebern und Bangen um ein Gelingen des McKenzie Break fällt flach, da Gut und Böse ja wie auch sonst üblich zu dem Zeitpunkt und der Thematik klar verteilt sind. Nur hier eben auf verkehrtem Posten, was einen denkbar starken Kontrast ausübt und Einen in die diesmal unliebige Position des mitwissenden Komplizen drückt, womit der Ansatz unverbindlich - harmloser Unterhaltung beiseite geschoben wird. Währenddessen treibt Einen noch das ruhige, zu besonnen empfundene Verhalten von Connor beinahe zur Weissglut. Diese Form der Ohnmacht produzierenden Spannung und der Dissonanz von Standpunkt zur Perspektive wird zum Ende hin auch bis zur Spitze und darüber hinaus getrieben; doch nunmehr auch ausgleichend in katalysierende Action umgesetzt.

Ein vielleicht plakativer Effekt, der zudem einige Unwahrscheinlichkeiten in Kauf nimmt sowie manchmal in der Ausstattung schlampt; was dem Sehgenuss aber keine Abfuhr bringt. Zwar scheut die Inszenierung nicht die billige Emotion, aber kann eben aus der dramatischen Ausbeutung auch extrem wirksame Thrilleffekte beziehen. Regisseur Johnson ist mit dieser Methodik später auch in wenig seriösen Missbrauchsfilmen wie Eine Frau sieht rot, Das Mädchen vom Minnesota Strip und Der Triebtäter - Eine Stadt in Angst tätig gewesen; vermeidet hierbei aber souverän ein Abgleiten in etwaige Niederungen und kann dazu fest auf unterstützende Darstellerleistungen bauen.

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