Bereits seit einiger Zeit fällt dem elfjährigen Jimmy immer wieder auf, dass irgendetwas mit seiner Mutter nicht zu stimmen scheint. Während sie mit der Erziehung von ihm und seinen drei Geschwistern alle Hände voll zu tun hat, ist ihr Mann, ein Truckfahrer, beinahe nie zu Hause und scheint sich trotz der regelmäßigen emotionalen Ausbrüche seiner Frau keine Sorgen zu machen. Nachdem sein Vater eines Tages einen neuen Auftrag erhält und für einige Tage außer Haus muss, stellt Jimmy alsbald fest, dass sich seine Mutter noch beunruhigender als gewöhnlich verhält. Beim Abendessen rastet sie schließlich aus, tötet den Neugeborenen Nathan und versucht anschließend, die kleine Cathy in der Badewanne zu ertränken. Jimmy begreift, dass er handeln muss und es nun an ihm liegt, seine beiden Geschwister vor seiner absolut unberechenbaren Mutter zu beschützen. Ein mörderisches Katz- und Mausspiel beginnt...
Es ist sicherlich kein leichter Stoff, dem sich die beiden Regisseure Lars E. Jacobson und Amardeep Kaleka in ihrem Debutfilm, dem Horrorthriller Cradle Will Fall aus dem Jahr 2008, angenommen haben. Immer wieder sieht und liest man in den Medien von Müttern, die ihre Kinder aufgrund von Postpartalen Psychosen ermorden, so etwa im Fall einer 35 jährigen Mutter aus Bayern, die im Februar dieses Jahres zwei ihrer Kinder ertränkte. Cradle Will Fall, der reißerisch damit wirbt, auf wahren Begebenheiten zu beruhen, nimmt sich auf kompromisslose Art und Weise eines solchen Falles an und zeigt den schonungslosen Überlebenskampf eines elfjährigen Jungen, der sich und seine beiden Geschwister vor der unberechenbaren Raserei ihrer Mutter zu schützen versucht. Ganz egal, ob man die Verfilmung eines derart kontroversen Themas gutheißen kann oder nicht, Fakt ist, dass aufrüttelnde Filme schon immer gut waren, um gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen oder die Menschen zum Nachdenken zu bewegen. Cradle Will Fall setzt diese Chance jedoch gehörig in den Sand und kommt letztlich als vorhersehbarer und ziemlich belangloser Slasher daher.
Baby Blues, so der treffendere Originaltitel des Films, kann aus zweierlei Perspektiven betrachtet werden. Als reiner Horrorthriller erledigt er seine Aufgabe, für 74 kurzweilige und annehmbar spannende Minuten zu sorgen, durchaus passabel, das kann man ihm nicht absprechen. Doch wenn man nun davon ausgeht, dass die Verantwortlichen einem solchen Thema mit dem nötigen Bewusstsein für Anspruch begegnen würden, dann täuscht man sich leider. Cradle Will Fall geht nicht darauf ein, warum die Mutter, die hier, ebenso wie der Vater, nicht namentlich benannt wird, scheinbar komplett ihren Verstand verliert und ganz plötzlich dazu übergeht, ihre Kinder zu ermorden. Zwar wird ihre innere Zerrütung durch ständige Heulanfälle und beunruhigende Visionen ordentlich in Szene gesetzt, doch bringt das dem unwissenden Zuschauer die Thematik der Schwangerschaftsdepression keineswegs näher, der schlußendlich also genau so unwissend wie vor dem Film sein wird.
Als reiner Horrorthriller ist Cradle Will Fall, wie bereits erwähnt, nicht einmal die schlechteste Wahl für einen kurzweiligen Abend. Ohne tiefgreifenden Anspruch oder gar einer Charakterisierung der einzelnen Figuren wird dem Zuschauer hier eine irgendwie vorhersehbare, aber doch recht spannende Hetzjagd auf Feldern und durch Scheunen gezeigt, in deren Verlauf die wahnsinnige Mütter ihren verängstigten Kindern mit Heugabeln, Macheten und sogar einem Mähdrescher zu Leibe rückt. Der Blutzoll ist dabei relativ gering gehalten, doch sollte sich niemand in der trügerischen Sicherheit wiegen, dass dieser Film sicherlich vor der visuellen Tötung kleiner Kinder durch die eigene Mutter zurückschrecken würde. Zumindest in dieser Hinsicht darf Cradle Will Fall eine unerwartete Kompromisslosigkeit zugestanden werden, die jedoch als einziges daran erinnert, auf welchen schrecklichen Hintergründen dieser Film basiert. Wer also mit schwachen Nerven ausgestattet ist oder die Ermordung von Kindern als Tabu betrachtet, für den ist dieser Film denkbar ungeeignet.
Aufgrund der kurzen Laufzeit von 74 Minuten kommt Cradle Will Fall ohne störende Längen aus, auf der Gegenseite gibt es allerdings auch keine wirklichen Höhepunkte zu verzeichnen. Die Handlung ist über weite Strecken vorhersehbar, wohingegen es nicht ganz nachvollziehbar erscheint, mit welcher Leichtigkeit der elfjährige Jimmy den Kampf gegen seine Mutter aufnimmt, anstatt irgendwie die Flucht zu ergreifen. Letztendlich ist es aber das Ende, das dem Faß den Boden ausschlägt und wieder einmal so unglaubwürdig daherkommt, dass man sich die Frage stellen muss, ob das Horrorgenre mittlerweile so sehr auf Klischees festgefahren ist, dass es schon garnicht mehr ohne diese existieren kann? Wie dem auch sei, diesem störenden Aspekt ist entgegen zu halten, dass zumindest die Schauspieler einen ordentlichen Job abliefern. Colleen Porch, die bereits in Starship Troopers 2 und Transformers zu sehen war, mimt die durchgedrehte Mutter durchaus passabel und sogar recht furchteinflößend, kann dem Charakter aufgrund des oberflächlichen Drehbuchs jedoch kaum Tiefe verleihen. Als Überraschung darf bezeichnet werden, dass auch die Kinderdarsteller durch die Bank weg glaubwürdig spielen, was im Filmbusiness bekanntermaßen nicht die Regel ist. Hier haben sie jedoch nicht viel mehr zu tun als panisch dreinzuschauen und permanent zu weinen, was ihnen auch gelingt. Gerade der kleine Ridge Canipe (Walk the Line), der sich seiner Mutter entgegenstellt, sticht dann noch einmal besonders hervor.
Was bleibt also zusammenfassend zu sagen? Als reiner Horrorthriller betrachtet, hat man sicherlich schon sehr viel Schlechteres als Cradle Will Fall gesehen, auch wenn der Film mit einigen Klischees zu kämpfen hat und mit keinem allzu abwechslungsreichen Versteckspiel aufwarten kann. Dennoch wird der Zuschauer hier über 74 Minuten und ohne langweilige Passagen bei Laune gehalten. Was den Film jedoch runterzieht, ist die absolut oberflächliche Herangehensweise der Macher an derart komplexe Themen wie Kindstötung und Postpartale Psychosen, die hier letztendlich nur als Aufhänger für einen anspruchlosen Slasher dienen. Das lässt den Film letztendlich nicht nur in einem fragwürdigen, sondern auch in einem etwas überflüssigen Licht erscheinen. Nach dieser Zusammenfassung sollte wohl jeder selbst entscheiden, ob Cradle Will Fall der richtige Film für ihn ist.
Baby Blues
USA 2008, 74 Min.
FSK: 16
Regie: Lars E. Jacobson, Amardeep Kaleka
Darsteller: Colleen Porch, Ridge Canipe, Joel Bryant, Kali Majors, Holden Thomas Maynard, Sean Johnson, Chip Lane