Apokalypse einmal anders – keine röhrenden Zombies, keine marodierenden Banden, keine grellen Effekte, sondern ein stilles Drama, eher in der Tradition von Filmen wie „Quiet Earth“ als in der von lauten Big-Budget-Reißern, so kann man das Spielfilmdebüt der Pastor-Brüder einordnen.
Ein tödlicher Virus hat große Teile der Menschheit dahingerafft, weshalb sich Brian (Chris Pine), seine Freundin Bobby (Piper Perabo), sein Bruder Danny (Lou Taylor Pucci) und dessen Schulfreundin Kate (Emily VanCamp) auf den Weg zu jenem Strand machen, an dem die Brüder zu Kindertagen die Ferien verbrachten. Unbeschwert, die Mucke im Auto dröhnt im Auto, den Mundschutz hat man mit lustigen Tiergesichtern bemalt, rast man durch die leere Welt, genießt die trügerische Idylle, womit „Carriers“ einen harten Kontrast darstellt: Auf der einen Seite die Unbekümmertheit der Jugend, auf der anderen die harten Regeln des Überlebenskampfes.
Denn letztere befolgt das Quartett möglichst eisern, meidet den Kontakt mit Infizierten und ist in erster Linie auf den eigenen Vorteil bedacht. Doch „Carriers“ stellt die Frage: Wie lang kann das gutgehen?
Dabei ist der Film der Pastor-Brüder stellenweise eher wie eine Versuchsanordnung aufgebaut, lässt die Figuren verschiedene Positionen darstellen, wie man mit dem Ganzen umzugehen hat. Denn als Was-wäre-wenn-Szenario interessieren die Pastors (als Regisseure und Drehbuchautoren gleichermaßen) vor allem die Abwägungen: Wie viel sind Vorsicht und die Sorge um das eigene Leben wert, wenn man es mit Tugenden wie Mitleid oder sozialen Bindungen abwägt? Gerade hier zeigt sich die (emotionale) Härte des Stoffes: Ausgerechnet Momente der Empathie bergen die größte Gefahr einer Ansteckung, wobei jeder der Betroffenen nicht nur die Verantwortung für sich, sondern auch für den Rest der Gruppe trägt. Verheimlicht man eine Ansteckung, da man ansonsten zurückgelassen wird? Und kann man Freunde oder Verwandte zum Sterben zurücklassen, kann man sich gegen die eigene Familie wenden?
Jede dieser Fragen diskutiert „Carriers“ in einem Umfeld, in dem Menschlichkeit zum Luxus geworden ist: Auch die Protagonisten lassen andere todgeweiht zurück, einer von ihnen wird aktiv zum Mörder, während andere Gruppierungen in der Postapokalypse das Recht des Stärkeren ausüben, mit Waffengewalt und größerer Gruppenstärke. Die Frage wozu der Mensch der in Extremsituationen fähig ist strukturiert den Film, ist der Leitsatz des Gedankenexperiments, das die Pastors konsequent bis zum Ende durchziehen.
Das mag stellenweise etwas kalt erscheinen, obwohl der Film großen Wert auf den menschlichen Faktor legen: Denn jede der Regeln läuft Gefahr gebrochen zu werden, gerade das Gefühl über die Vernunft siegt, was genau das Thema des Films ist. Doch „Carriers“ zieht das weniger als emotionales Drama auf, sondern als nächsten Schritt in der Versuchsanordnung. Insofern ist der Film weniger auf dramatische Höhepunkte ausgelegt, sondern wirft den Zuschauer einfach in diese Welt, ohne große Erklärungen, die aber eigentlich auch herzlich unnötig sind: Würde ein Wissen über die Herkunft des Virus tatsächlich irgendetwas zu der erzählten Geschichte beitragen?
Dass „Carriers“ funktioniert, liegt auch an der durchaus talentierten Darstellerriege. Chris Pine, der im gleichen Jahr seinen Durchbruch mit „Star Trek“ hatte, gibt den hart durchgreifenden, eher empathiearmen, aber irgendwo nachvollziehbar agierenden Anführer der Truppe, Piper Perabo die eher emotional veranlagte Frau an seiner Seite. So sind es vor allem Lou Taylor Pucci und Emily VanCamp, die Entwicklungen durchspielen, eine rabiates Coming-of-Age erleben: Als jüngere Generation müssen sie sich von den Älteren emanzipieren, von Anhängseln zu Entscheidern werden, was die beiden Jungdarsteller überzeugen spielen.
„Carriers“ verzichtet auf klassischen Spannungsaufbau und Schauwerte, konzentriert sich stattdessen auf die innere und äußere Reise der Protagonisten und spielt verschiedene Szenarien des Lebens während der (Post-)Apokalypse durch. Manchmal vielleicht etwas zu sehr Versuchsanordnung und zu wenig Erzählfilm, aber doch eine lohnende Angelegenheit in Sachen nachdenklicher und nachdenklicher machender Endzeitvisionen auf jeden Fall.