Review
von Con Trai
Im Laufe der Entwicklung und fortschreitender Realisierung hat sich The Warlords soweit von seiner öffentlich spekulierten Grundidee entfernt, dass sich weiterführende Vergleiche mit der Inspiration Blood Brothers eigentlich sofort erübrigen; folgerichtig hat sich auch der Arbeitstitel Assassination of Ma über The Violent Land bis zur finalen Nennung grundlegend geändert.
Mitte 2006 machte das Gerücht einer Wiederaufnahme der ehrwürdig gealterten Shaw Produktion als Erstes die Runde; als vermeintlicher, zur Zeit allerdings immer noch weitgehend in bloßer Planung befindlicher Trend einer Reihe von Revisionen der hauseigenen Filmographie, deren mit bekanntesten Vertreter wie Five Venoms, Vengeance und Flying Guillotine unter jeweils bewährten Regisseuren und aktuell gefragten Darstellern für die heutige Genre-Klientel modernisiert werden sollten.
Das Schicksal der reinen Zweitschrift entging das von Beginn weg mit 40 Millionen USD äußerst spendabel finanzierte und mit entsprechend auch absoluter Starbesetzung ausstaffierte Projekt vornehmlich durch seinen Regisseur: Der eigentlich bisher gar nicht so sehr durch eine visionsbesessene Markanz, sondern eher abgeklärte Muße und dogmatische Träumerei aufgefallene Peter Chan; sonst in intimen low budget Dramen ansässig und dort eine personale, künstlerisch feinsinnige Qualität zwischen Anmut und Kontenance, Bezauberung und Sentiment, Schwärmerei und Instinkt verbreitend. Ein geseelt gemüthafter Spezialist für gläsern gemachtes Innenleben zwischenmenschlicher Beziehungen, der als junger Mensch zwar sehr von dem klassischen Original angetan war, aber laut eigenen Angaben eher so etwas wie Paths of Glory oder The Wind That Shakes the Barley im Sinne hatte als die nacheifernd strikte Imitation.
Wie in beiden Exempel humanistischer Ansätze dient nun auch ein realpolitisch-historischer Hintergrund als Fläche für eine Ideenlehre durchaus problematischer Natur. In der sich subjektiv Persönliches schnell mit einer fragwürdigen Ideologie mischen und ein zu einfach gehaltenes Gut-Böse-Schema ebenso wie ein komplexe und so nicht eindeutig definierbare, da interpretierbare Zeichnung ebenso rasch an den Rand der Kritik bezüglich seiner negativen Gehaltslogik geraten kann. Anders als im vom Gedankengut her weitgehend unbeachteten, da universalistisch apolitischen Vorläufer bezieht sich das offensive Werk vielmehr auf den Krieg als Gesinnung, angesiedelt zwischen der verwerflichen Hässlichkeit schon aus ethischen Gründen und dem fortschrittlichen Nutzen in der pragmatischen Zerstörung und Vernichtung. Als anstößiges, aber paradoxerweise lebenswichtiges und so unentbehrliches Mittel zwischen der Verteidigung des eigenen Hab und Guts, der Widerstandsbewegung gegen Unrecht der Obrigkeit, der Propaganda einer neuen Lehre und natürlich auch der Habgier und Unersättlichkeit. Durch Gewalt sein Recht zu behaupten und Vehemenz und Willkür als Instrument der Politik einzusetzen stellt nicht nur die Wurzeln allen Übels dar, sondern scheint auch der menschlichen Natur derart eingepflanzt zu sein, dass ein ewig währender Prozess der moralischen Vertilgung stattfindet.
Konkret bezogen wird sich hierbei auf die Taiping-Revolution, des größten Bauernaufstands. Ein ab 1850 vierzehn Jahre dauernder Bürgerkrieg gegen die Feudalherrschaft der Qing-Dynastie, deren korrupt verseuchte Repression, die immens erhöhte Steuerlast und schädliche Importeinflüsse aus dem Westen das Volk zur erbitterten Konfrontation gegen die Staatsmacht aufrief.
Die Handlung steigt dabei ohne weitere Ausführung, vielmehr mit der vorausgesetzten Kenntnis der Ereignisse und ihrer Ursachen ein und beschreibt auch folgend eher in der funktionalen Draufsicht an einigen Beispielen statt an einer geschlossenen Beweisführung die Veränderungen, die die Menschen in den Jahren von Verwüstung und Verwilderung durchmachen:
General Pang Qing Yun [ Jet Li ] hat die letzte Schlacht als Einziger seines Trupps überlebt, auch nur weil er sich selber angesichts der Übermacht sowie des Verrats der Kui Armee tot gestellt hat. Bei seiner Wanderung durch das destabilisierte Land trifft er kurz vor dem entkräfteten Zusammenbruch auf die ehemalige Kurtisane Lian [ Xu Jinglei ], die ihn verpflegt und für eine Nacht Sicherheit, Lebenswillen und Trost spendet. Er verliebt sich in die junge Frau, allerdings ist sie dem marodierenden Bandenchef Cao Er-Hu [ Andy Lau ], einem alten Kindheitsfreund, versprochen. Pang schließt sich Cao und seinem besten Kameraden Zhang Wen-Xiang [ Takeshi Kaneshiro ] an, überredet sie aber nach einem zweiten negativen Zusammentreffen mit der Kui Armee selber zum Eintritt in den offiziellen Dienst und führt das angewachsene Heer die Jahre darauf über Suzhou nach Nanjing. Ein Schwur, der den Dreien die unauslöschliche Bruderschaft und Folgschaft bis zum Tode versprach, gerät dabei immer mehr ins Wanken.
Chinesische Geschichte, das Unbedingte und Absolute, geschrieben von acht Autoren in praktischer Rücksicht. Immer mit der Zensurstelle vom Peking Film Bureau im drängenden Hintergrund, weswegen man einen dokumentarischen oder sei es auch nur realistischen Ansatz ebenso wie übermäßig störende religiöse Ambivalenzen von vornherein verneinen muss. So ähnlich, wie man die Angreifer des einleitenden Massakers als unzählige gesichtslose Schatten platziert, die verbürgten Namen außen vor lässt oder gleich abändert und mehr die Folgen als die Taten selber zeigt, so verhält sich der Film nicht nur mit zunehmender Laufzeit als in eine Masse verschmolzene Wahrnehmung. Mehr eine filmische Reflexion vom Kampf und ihren Auswirkungen, zusammen mit dem althergebrachten Begriff der Ehre und dem zwiespältigen Gefühl des Erhabenen statt einem spezifischen, auf Tatsachen basierenden, eventuell sogar modernisiert vergleichenden Bewusstwerdungsprozess. Genauere Anklagen werden ebenso unter den Tisch toleranter Zulassung gekehrt wie eine Analogie auf den heutigen kulturellen Einfluss oder wahrhaft kritischer Idealismus. Regisseur Chan beschreibt weniger mit Splittern von Monolog und Dialog, als vielmehr mit einer anschaulich-verstandesmäßigen Erkenntnis vom Krieg als naturgesetzlichem Daseins, seiner Faszination, der Erregung im Taumel von Angst, Adrenalin, Gruppenzwang, Sinngebung, Demut, Selbstaufgabe und dem stimulierendem Selbstwert im narzisstischem Handwerk des Tötens. Und den abschreckenden Resultaten dieser fanatischen Domestikation.
Vielfach begeisternde Eposaufnahmen konzentrieren sich panoramaartig gewölbt auf die rein ästhetische, wenn auch schonungslose, aber hier nie nüchtern porträtierte Ausnahmesituation vom Krieg als Glaubenskampf Mann gegen Mann. Kein antipazifistischer Rigorismus, aber ein visuelles Gedeihen unter widrigen Umständen. Ein weiträumig intensives Schachspiel um Leben und Sterben, dass bei der abstrakt zynischen Obrigkeit weit entfernt mit Spielsteinen und beim Fußvolk in wütender oder verzweifelter Angriffslust samt zelebrierend dynamischer Zeitlupen und wenig zimperlicher [CGI]Gewaltexplosionen mit Streitaxt, Schwert, Pfeil und Bogen, Gewehr, Kanonen durchgeführt wird. Ein Kino sicherlich auch der plakativ martialistischen Attraktion, aber weder durchsetzt von Heroismus, Chauvinismus, Patriotismus oder gar faschistoidem Militarismus.
Klassische Tugenden von Mut, Energie, Entschlusskraft, Durchsetzungsvermögen verwandeln sich in den wenigen Zwischenpausen in ein konstant beklemmendes Unbehagen um; eine stetige Belagerung von Körper, Seele und Geist, die Aufgabe sittlicher Grundsätze, ein schieres Entkräftet sein angesichts dessen, dass weder ein Sieg noch gar ein Ende überhaupt in Aussicht scheint. Autoritäre Akte gegen die Zivilbevölkerung und restriktive Maßnahmen gegen längst kapitulierende Soldaten lassen sich sichtlich nicht mit diesem falschen Pathos vereinbaren; der Weg zum Ruhm als eine unmenschliche, die Ausführenden selbst erschreckende, töricht sinnlose, in den Wahnsinn treibende Denk- und Seinsform voll Sadismus und Degenerierung. Zwei Seiten einer Medaille, zwischen Askese und Mythos, die im Film als Antinomie der reinen Vernunft von der alles überblickenden Rundschau streng durchkomponierter Actionszenen bis hin zu kleinsten Verästelungen ihre Verwendung finden. Unter deren schwer anstrengender Last er mittig auch mal ächzt und stöhnt, sich aber dann doch wieder auf den Kompromiss, die Fiktion, das distanzierte Blockbuster-Spektakel dialektischer Schlüsse und dem pompösen Brüderlichkeitspostulat beinah shakespearianischer Tragödie einlässt.