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Spätestens nach „Pulp Fiction“ waren Gangsterkomödien im Tarantino-Style der heißeste Schrei und reichten von originellen Nachahmern bis hin zu platten Plagiaten. In Deutschland fuhr „Knockin‘ on Heaven’s Door“ auf dieser Schiene und schaffte es damit zur erfolgreichsten einheimischen Produktion des Kinojahres 1997.
Nicht nur der Name der Produktionsfirma von Hauptdarsteller und Co-Autor Til Schweiger, Mr. Brown Entertainment, verweist auf Tarantino, auch das Gangsterduo aus dem Belgier Henk (Thierry van Werveke) und dem Türken Abdul (Moritz Bleibtreu) könnte mit seinen Anzügen wahlweise „Reservoir Dogs“ oder „Pulp Fiction“ entsprungen sein. Dass ihr Boss Frankie Beluga (Huub Stapel) ein Bordell mit dem gleichen Namen wie der von Tarantino geschriebene „True Romance“ betreibt, reibt dem Zuschauer das Offensichtliche noch weiter unters Hemd. Das kriminelle Duo soll jedenfalls einen Wagen abliefern, wobei der etwas minderbemittelte, gewalttätige Abdul nicht gut darin ist sich an Regeln zu halten.
Nach diesem Duo lernt man ein anderes kennen. Eines, das sich auf den ersten Blick nicht ausstehen kann: Schon im Zugabteil missfällt dem schüchternen, introvertierten Rudi Wurlitzer (Jan Josef Liefers) die Raucherei des rüpelhaften Martin Brest (Til Schweiger). Umso weniger begeistert sind beide, als sie im Krankenhaus Zimmernachbarn werden. Doch diese Unbill verblasst angesichts der Tatsache, dass bei beiden tödliche Erkrankungen diagnostiziert werden: Martin hat einen Tumor im Kopf, Rudi Knochenkrebs, also folgt die Buddy-Phase des geteilten Leids und des gemeinsamen Vollsuffs, in der sich die beiden annähern.

Rudi war noch nie am Meer, aber laut Martin sprechen im Himmel alle darüber. Der Fall ist klar: Man muss vor dem eigenen Tod noch mal dorthin und den fahrbaren Untersatz dafür klaut man einfach. Dummerweise ist dies die Karre von Henk und Abdul, welche ihr Gefährt unter allen Umständen wiederhaben wollen…
„Knockin‘ on Heaven’s Door“ ist keine reine Tarantino-Kopie, trotz der coolen Killer, der schnoddrigen Dialoge und der Verwendung von Tarantino-Trademarks wie dem Kamerablick aus dem Kofferraum, denn zwar geraten die Protagonisten bei ihrer Reise ins Gangstermilieu, im Grunde geht es aber um zwei Todkranke, die nichts mehr zu verlieren haben. Verbrechen wie der Klau eines Autos oder ein Tankstellenüberfall fallen ihnen leicht, weil sie keine Konsequenzen mehr fürchten müssen, sich dadurch aber kurzfristig Wünsche erfüllen können. Damit hat der Film eine bittersüße Note bei all seiner Komik, gibt dem durchaus lustigen Freidrehen seiner Protagonisten immer auch eine tragische Komponente. Der Höhepunkt des Ganzen ist die wirklich bewegende Schlussszene, ein emotionales Highlight, das mit den ersten Klängen des titelgebenden Songs zusammenfällt: „Knockin‘ on Heaven’s Door“.

Damit beweist Regisseur und Co-Autor Thomas Jahn eine reife Leistung angesichts der Tatsache, dass „Knockin‘ on Heaven’s Door“ sein Spielfilmdebüt ist. Es gibt einige originelle Einstellungen (etwa wenn die Kamera an einer ganzen Reihe einrastender, von Polizisten im Anschlag gehaltener Pistolen vorbeifährt), aber es gibt auch ein paar Schnitzer, denen man den Debütcharakter des Films anmerkt: Die Szene, in der sich Henk und Abdul den Weg gegen ein Aufgebot der Polizei freischießen, ist eher holprig inszeniert und montiert, lässt es an Dynamik missen. Zudem fällt auf, dass der Film etwas zu lockerleicht für sein Gangstermetier ist: Da drohen die Bosse zwar mit dem Mord an Untergebenen, da ziehen Henk und Abdul schnell die Waffe, aber auch bei Feuergefechten gibt es ganz selten mal Tote, vor allem nicht auf Polizistenseite, und der Ausweg aus Rudis und Martins finaler Zwickmühle ist so banal und märchenhaft, dass er aus einem anderen Film zu stammen scheint.
Doch die Road-Movie-Struktur gibt Jahn die Chance für jede Menge mehr oder weniger lustige Episoden mit zahlreichen Gaststars: Da gibt Jürgen Becker den überfallenen Tankwart, als dessen Stammgast Hannes Jaenicke in einer herrlich überzeichneten Rolle als knallharter Motorradbulle auftaucht. Da gibt eine ziemlich verschenkte Christiane Paul die Verkäuferin in einer Boutique, in der sich Rudi und Martin mit gestohlenem Geld neu einkleiden. Und dann ist da noch Rutger Hauer als holländischer Gangsterboss für eine nette Gastrolle, die man an einem Tag runterdrehte. Mancher Abschnitt des Weges sitzt, an anderer Stelle kommt „Knockin‘ on Heaven’s Door“ von Hölzchen auf Stöckchen, etwa wenn das Duo beschließt einen Cadillac zu kaufen und wider jede Vernunft bei Martins Mutter abzuliefern, obwohl ihnen die Polizei im Nacken sitzt.

Immerhin: Die Dialoge sind durchaus pfiffig, gerade die Annäherung der wesensfremden Männer geht zwar im Höllentempo vonstatten, wirkt aber durch das Drehbuch immer noch glaubwürdig. Rudi und Martin erscheinen als echte Menschen mit Wünschen und Hoffnungen, selbst im Angesicht des Todes, was sich in einer schönen Szene mit Wunschlisten zeigt. Manche Nebenfigur ist dagegen dann nur für einen schnellen, manchmal auch billigen Gag da (etwa die gefesselten Polizisten). Andere Gastauftritte sind dagegen pointiert, etwa jener von Produzentenmogul Bernd Eichinger in der Post-Credit-Szene. Und für viel Belustigung sorgen natürlich die vertrottelten Gangster Henk und Abdul, vor allem mit den Wutausbrüchen von letzterem. Wenn etwa ein pubertierender Junge (Tobias Schenke), den die beiden angefahren haben, sie noch in der Notaufnahme provoziert, dann wartet man innerlich Abduls Ausraster, der dem kleinen Großmaul selbiges dann stopft.
Es wundert nicht, dass Moritz Bleibtreu für seine Darbietung mehrere Preise gewann. Abdul mag das Klischee des reichlich doofen Gewalttäter-Prolls mit kurzer Leitung sein, doch Bleibtreu verkörpert diese Figur einfach hinreißend. Thierry von Werveke muss dagegen den Straight Man geben, der an seinem Sidekick verzweifelt, macht aber viel aus der Rolle. Aber der Film gehört in erster Linie Til Schweiger und Jan Josef Liefers, die in erster Linie ihre Starimages als vorlauter Rebell und nettem Jungen von neben verkörpern, aber das hier in bester Form. Huub Stapel hat noch eine größere Rolle, sonst eben gibt es Cameos an jeder Ecke: Die Schwestern im Krankenhaus werden von Jenny Elvers und Corinna Harfouch gespielt, Hark Bohm gibt einen Polizeipsychologen, Sönke Wortmann tritt als TV-Regisseur auf usw.

Man kann schon verstehen, was all diese Leute zur Mitwirkung an „Knockin‘ on Heaven’s Door“ gereizt hat, denn Thomas Jahns Filmdebüt entspricht nicht dem Klischee der deutschen Beziehungskomödie, ist frech, durchaus temporeich und hat auch keine Angst Genres wie den Gangsterfilm zu bedienen. Allerdings ist „Knockin‘ on Heaven’s Door“ auch manchmal eher Tarantino-Kopie als -Hommage und uneben inszeniert: So geht der brillanten Schlusssequenz etwa die vollkommen gestelzte Auflösung des Gangsterplots voran – ein regelrechtes Symbol dafür wie unterschiedlich gut einzelne Passagen des Films funktionieren.

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