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Man kann es drehen und wenden wie man will, aber seit Goethes „Faust“ üben gehaltvolle Diskussionen mit dem Teufel höchstpersönlich eine ungeheure Faszination auf den Leser beziehungsweise Zuschauer aus. Was Filme wie „Needful Things“ und „God’s Army“ schon richtig angingen, treibt Taylor Hackford („An Officer and a Gentleman“, „Ray“) dank eines unglaublich brillanten Al Pacino („Heat“, „The Insider“) mit „The Devil's Advocate“ zur Perfektion - auch wenn ihm die nur passablen Einspielergebnisse ihm da seinerzeit nicht recht geben wollten. Faszinierender war der Leibhaftige jedenfalls nie.

Hackford kreiert hier sorgfältig mit dem gebotenem Fingerspitzengefühl, um nicht zur Lachnummer zu werden, ein spannende wie anziehungsstarke Parabel auf die Schwächen unseres Zeitgeistes und damit uns: Die Sucht nach Erfolg, Geld, Anerkennung, Macht und selbstverständlich dem Verbotenen.

Aussetzen tut er der Versuchung den jungen, gerade Fall auf Fall gewinnenden Yuppie-Anwalt Kevin Lomax (Keanu Reeves, „Speed“, „The Matrix“), der sein Gewissen notgedrungen auch ausknipsen kann, um einen Kinderschänder erfolgreich zu verteidigen, obwohl er sich der Schuld seines Klienten sicher ist. Der ideale Anwalt also. Seine beispiellose Erfolgsserie lässt schließlich die in Manhattan ansässige Kanzlei von John Milton aufhorchen. Sie unterbreiten der talentierten Nachwuchskraft ein großzügiges finanzielles Angebot. In dem Glauben seinen Traum verwirklichen zu können, zieht Kevin mit seiner Frau Mary Ann (mit ihren zwei Gemütslagen hier unterfordert: Charlize Theron, „The Italian Job“, „Monster“) nach New York und zwar ohne zu wissen, dass er sich mit dem Teufel höchstpersönlich einlässt...

Taylor Hackfords Inszenierung ist erlesen. Vor allem das verschwenderische Schwelgen des damals noch als Kameramann tätigen Andrzej Bartkowiak (diesen Herbst kommt seine „Doom“ – Adaption in die Kinos) in barocken Villen, die visuellen Verweise auf christliche Symbolik und die subtilen Anspielungen (tolles Beispiel: Al Pacino vor dem, im Hintergrund lodernden, Kaminfeuer) sind ein Fest für den aufmerksamen Zuschauer. Die Bildkompositionen sind atmosphärisch dicht, bedrückend , rufen Unwohlsein hervor und bleiben bis zum Schluss dennoch bei bloßen Andeutungen ohne sich plakativem Horror zu widmen. Wenn man so will, eine anspruchsvolle Auseinandersetzung mit der übersinnlichen Materie des Bösen.

„The Devil's Advocate“ fordert den Zuschauer zu Beginn etwas heraus, gönnt dem glücklichen Ehepaar seine Momente und beginnt dann ganz langsam sie ins Verderben zu schicken. Der schnöde Mammon, der berufliche Erfolg, die viele Arbeit, Stress mit uneinsichtigen Klienten (klasse: Delroy Lindo) und verführerische Kolleginnen innerhalb der Kanzlei entzweien das einst so glückliche Ehepaar und beschwören ein tragisches Drama hervor.

Doch lange bevor es dazu kommt, betritt Al Pacino als John Milton die Bühne und, als ob Hackford sich selber versichern wollte, dass es auch wirklich Pacino und nicht Satan ist, fixiert er bei dessen ersten Auftritt auf der Terrasse seinen rechten Fuß. Etwa in der Hoffnung nicht doch einen Pferdefuß zu entdecken?
Al Pacino, man muss es ihm lassen, ist ein Meister solcher exzentrischer Rollen, die ganz over the top das ganze Breitbildformat an sich zu reißen wissen. Mit sichtlich diabolischem Vergnügen macht der Ausnahmemime hier nahezu minütlich ein Fass nach dem anderen auf, sorgt mit doppeldeutigen Aussagen bei dem längst Bescheid wissenden Zuschauer für ein breites Grinsen und spielt sich hier völlig over the top, Grimassen schneidend und mit seinem patentierten Overacting glänzend in die Herzen des Zuschauers. Obwohl er eigentlich das Böse ist. Nur hat ihn auf die Art und Weise noch niemand interpretiert und so wenig Sympathien man auch für den Höllenherrscher normalerweise aufbringen kann, wenn Pacino seine Macht spielen lässt, sich Widersachern, wie den pöbelnden Jungs in der U-Bahn, entledigt und dabei diebisch amüsiert, kann man nur Beifall klatschen.

Davon muss „The Devil's Advocate“ zugegeben auch sehr oft zehren. Keanu Reeves, vor allem im Finale von Pacino mitgerissen, liefert hier innerhalb seiner limitierten Möglichkeiten eine sehr ordentliche Leistung als gelackter Rechtsverdreher ab, in den emotionellen Momenten klappt es dafür nicht richtig. Denn das Dilemma seiner Frau, die ihn langsam entschwinden und gar dämonische Erscheinungen sieht, sich deswegen in Depressionen stürzt und in eine geschlossene Anstalt eingewiesen wird, fordert viel Spielzeit ein. Ich persönlich hätte gern noch mehr Pacino gesehen, aber davon gibt es ja ohnehin nicht gerade wenig.

Der hier präsentierte Teufel ist auch ein neuartiges Exemplar, dass sich gar nicht mehr als Marionettenspieler sieht, sondern die Menschen selbst vor die Wahl stellt – Gut oder Böse ist die Frage. Er macht sich den Fortschritt zunutze, paukt nicht nur Verbrecher frei, sondern hat seine Finger auch in Waffendeals und Giftmüllentsorgung. Der moderne Teufel und sein Imperium sind Global Player und das kann durchaus gesellschaftskritisch gewertet werden. Wenn Taylor Hackford seinerzeit denn soweit gehen wollte...

Vom exzellenten Supportcast (u.a. Delroy Lindo, Craig T. Nelson, Connie Nielsen, Jeffrey Jones) bis hin zur konzentriert umkippenden Stimmung (bedrohlichere Bilder, düstere Musik) des Films lassen sich nahezu keine Defizite feststellen. Überraschungen sind bis zum Schluss garantiert. Erlösung (Oder auch nicht, wie man das halt sieht..) erbringt die Entscheidung welchen Weg Kevin nun einschlagen möchte: Den vorherbestimmten oder den von ihm bestimmten.

Trotz seiner stattlichen Lauflänge von fast 140 Minuten bleibt „The Devil's Advocate“ bis zum Schluss extrem spannend. Der Mix aus Gerichtsverhandlungen, privatem Unglück und den von Milton immer wieder genießerisch in Richtung Kevin ausgeworfenen Verführungsversuchen sind extrem unterhaltsames Filmgut, denn der junge Anwalt lässt sich, ohne es zu merken, tatsächlich durch den einen hinterlistigen Plan verfolgenden Teufel manipulieren. Ob und wenn ja, wie er es schafft ihm zu entgehen, sollte jeder dabei selbst sehen.


Fazit:
Intelligenter, bis zum Schluss äußerst subtiler Thriller mit teuflischer Dreingabe, tollen Dia- und Monologen, sowie einem brillanten Al Pacino (Sofern man seiner Spielweise etwas abgewinnen kann). „The Devil's Advocate“ katapultierte sich seinerzeit zur Genrespitze und wird da auch in absehbarer Zeit bleiben, denn so anspruchsvolle und zudem noch spannende Filmkost (Pacinos sagt hier kritisch oft aus, was viele nur Denken - besonders bezüglich Gerichte und Gesetze) genießt auf diesem Sektor Seltenheitswert. Meine Empfehlung, denn ganz große Klasse!

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