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In naher Zukunft entscheiden die Gene der Menschen darüber, ob man Karriere machen kann, oder nicht, da man nun nur durch eine Blut-, bzw. Speichelprobe erfahren kann, wie intelligent und gesund jemand ist und sogar, wann er stirbt. Daraus ergeben sich natürlich Nachteile für auf normalem Wege gezeugten Menschen. Ethan Hawke spielt einen, eben dieser Menschen, der bereits mit dem 30. Lebensjahr sterben könnte, versucht aber, für seinen Traum ins All zu fliegen, mit der DNA von einem rundum perfekten, aber querschnittsgelähmten Menschen, gespielt von Jude Law, durchzukommen. Dies scheint zu gelingen, bis an Hawkes neuen Arbeitsplatz jemand ermordet wird und ihm ein Inspektor, gespielt von Alan Arkin, im Nacken sitzt und er sich in eine Kollegin, gespielt von Uma Thurman, verliebt.

Bei Zukunftsvisionen gilt meistens der Grundsatz, je düsterer, desto besser, wie bereits "Matrix" oder "Krieg der Sterne" zeigten. Wenn man sich dann noch ein ernsthaftes und umstrittenes Thema sucht und dann mit einer guten und vielschichtigen Story verdeutlicht, wie weit es kommen kann, wenn die Menschheit es, wie in diesem Fall mit der Gen-Forschung, zu weit treiben. "Die Insel", "Blade Runner" und "Equilibrium" machten vor, wie weit man mit einer solchen Vision kommen kann und lieferten über gute Unterhaltung hinaus einige wichtige Denkansätze. Bei "Gattaca" ist es genau anders herum, es liefert dutzende gelungene Denkansätze und ist seit Jahren der vielschichtigste Sci-fi-Film, den Hollywood hervorbrachte, aber leider ist er nicht so unterhaltsam, wie er hätte werden können.

Die Story ist einfach klasse. Eine visionäre und düstere Zukunftsvision, die einem stellenweise einen Schauer über den Rücken jagt, da sie nicht einmal so unheimlich weit hergeholt ist, da man ja heute schon sieht, dass Behinderte oder Aids-Kranke Stellen nicht bekommen, die sie ohne Weiteres ausführen könnten, wobei im Film natürlich noch einmal übertrieben wird. Neben dieser Vision ist auch die eigentliche Handlung sehr gut, die Wendungen sind unvorhersehbar und mit ein paar Nebenfiguren und einigen innovativen Ideen ist sie von Anfang bis Ende gelungen. Die Charakterkonstruktion ist realistisch und gut gemacht und gewährt auf jeden Fall einen emotionalen Zugang des Zuschauers zur sympathischen und liebenswerten Hauptfigur. Aber auch die anderen Figuren, allen voran Jude Laws Charakter, haben ausreichend Tiefe. Und auch der Kriminalfall, der in die Story mit eingebettet wurde passt sehr gut und damit kann man im Prinzip von einem perfekten Drehbuch sprechen. Direkt im Anschluss an "Gattaca" lieferte Autor und Regisseur Andrew Niccol mit dem Drehbuch zu "Die Truman Show" wieder diskutablen Stoff und zeigte erneut, dass er zu den besten Drehbuchautoren der Welt gehört.

Es war für Niccol wohl keine leichte Aufgabe, dieses geniale und vielschichtige Drehbuch unterhaltsam und ansprechend auf die Leinwand zu bekommen, zumal es sein Regie-Debüt war, aber trotz der genialen Optik ist das Erzähltempo, mit dem Niccol vorgeht einfach zu zäh, sodass "Gattaca" leider unter seinen Möglichkeiten bleibt. Die Kulisse ist sehr futuristisch und die Bildsprache einwandfrei, genauso, wie die berauschende Optik und die verstörend schönen Bilder, die man sonst nur von Michael Mann kennt, auch wenn der Film damit stellenweise etwas zu befremdlich wirkt. Die Musik passt ebenfalls gut und kann oftmals eine Atmosphäre der Melancholie aufbauen, wobei Niccols die ganze Zeit über ziemlich geschickt einen Funken Hoffnung für seine Hauptfigur aufrechterhalten kann. Die Erzählweise ist eigentlich gut gewählt, Hawke erzählt in Monologen, was alles passier ist und wie er sich in seiner Welt zurecht findet, aber vor allem in der zweiten Hälfte des Films hat man dann doch das Gefühl, dass der Film auf der Stelle tritt, da sich Niccol einfach zu viel Zeit lässt und stellenweise seinen roten Faden zu verlieren scheint. Das Ende wirkt auf den ersten Blick sehr unbefriedigend, regt aber zum Nachdenken an. Niccols kann von der ersten bis zur letzten Minute unterhalten und verstören, aber leider nur in der ersten Hälfte Spannung aufbauen.

Seine Hauptfigur setzt Niccols, der später mit "Lord of War" und "S1m0ne" weitere denkwürdige Filme lieferte, sehr gut in Szene und manipuliert dabei geschickt das Mitgefühl des Zuschauers für die liebenswerte Figur, der bei dem Erreichen ihres Traums immer wieder neue Steine in den Weg gelegt werden. Dabei ist es natürlich enorm wichtig, dass Hawke dies entsprechend auf die Leinwand bringt und das tut er nach seinen starken Leistungen in "Der Club der toten Dichter" und "Wolfsblut" definitiv. Er appelliert sehr gut an das Mitleid des Zuschauers, bringt seinen Charakter sehr sympathisch auf die Leinwand und spielt seine Rolle absolut gekonnt. Gegenüber von Law zeigt er Emotionen, verkauft sich aber auch in der Öffentlichkeit, wo er absolut emotionslos durch die Welt wandert sehr gut. Jude Law spielt solide und ist als ausgebrannter Übermensch, der Hawke seine DNA leiht durchaus überzeugend. Uma Thurman ist die meiste Zeit über kalt wie Eis und sorgt dafür, dass man sie als Zuschauer überhaupt nicht durchschauen kann und ist damit definitiv richtig besetzt. Oscar-Preisträger Alan Arkin ist als Polizist ebenfalls überzeugend und bringt mit seiner kantigen Art die, meiner Meinung nach beste Leistung im Film.

Fazit:
Die Story ist visionär und vielschichtig, vereinbart ein kritisches Sci-fi-Drama mit einem unvorhersehbaren Kriminalfall und mit der berauschenden, verstörend schönen Optik und den starken Darstellern, insbesondere Arkin und Hauptdarsteller Hawke, der geschickt das Mitleid des Zuschauers auf sich zieht, hätte "Gattaca" einer der besten Filme aller Zeiten werden können. Dummerweise zieht sich der Film vor allem in der zweiten Hälfte zu sehr in die Länge und der Unterhaltungswert wird damit zunehmend schlechter. Dennoch ist "Gattaca" auf jeden Fall empfehlenswert, allein schon, weil er sich von jeglichen Stereotypen entfernt.

82%

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