Achtung, enthält unvermeidliche Spoiler!
Man stelle sich einmal vor: Man nehme eine Person, gebe ihr eine digitale Videokamera in die Hand und versetze sie in die Handlung von Roland Emmerichs "Godzilla" und lasse dann die Show beginnen. Fertig ist die Handlung von "Cloverfield", dem Film , der zwar mit geheimnisvollen Trailern beworben wird, doch mit diesen kurzen Sätzen beschrieben werden kann. Die Handlung bei diesem Film ist also nicht das interessante Element des Filmes. Einzigartig und außergewöhnlich ist vielmehr die Perspektive. Der Zuschauer wird durch die Videokamera mitten in ein, an sich altbekanntes, Spektakel versetzt und darf hautnah am Geschehen teilnehmen.
"Cloverfield" setzt sich also ein enges Korsett: Beginnt der Film mit der Einblendung, dass es sich bei dem Videoband um ein Fundstück mit dem Namen "Cloverfield" handelt, wird die Videoansicht an keiner Stelle verlassen. Dass die Macher es durchgehalten haben, sich auf die Amateur-Kameraperspektive zu beschränken ist überaus bewundernswert. So entstehen viele verblüffende Aufnahmen. Inspiriert wurde die ganze Soße offensichtlich durch Videoaufnahmen, die am 11. September 2001 in New York gemacht wurden und durch die ganze Welt gingen. Ungläubige Passanten und Touristen filmten den Terror-Anschlag auf das World Trade Center. Gerade diese Aufnahmen waren es, die den Unbeteiligten den Horror dieses Tages nahegebracht haben. Erstaunlich war auch, dass viele dieser Filmer sehr lang auf das unglaubliche Geschehen "draufgehalten" haben und erst die Flucht ergriffen haben, als die Bedrohung ernsthaft nah war. Die offenen und ungläubigen Gesichter hat man aus dieser Perspektive zwar nicht gesehen, aber man hat aus den Augen dieser, von der Urgewalt dieses Angriffes geschockten, Personen auf das Geschehen gesehen. Genau nach diesem Rezept funktioniert "Cloverfield". Der eigentliche Hauptdarsteller, ohne den es diesen Film nicht geben würde, ist fast gar nicht zu sehen, da er hinter der Kamera steht. Um dem Zuschauer dennoch eine Art Spielhandlung zu geben, wird ihm eine Gruppe zur Seite gestellt, die ebenfalls eine unglaubliche Urgewalt in New York zu sehen bekommt und ums Überleben kämpft.
So weit, so originell. Originell muß aber nicht zwangsläufig gut sein. So gibt es Momente, in denen die Wackelkamera nerven kann. Noch etwas schlimmer sind allerdings die Momente, in denen man sich fragt, wieso denn der Kameramann jetzt ans Filmen denken kann. Dies können Momente größter Gefahr sein, in denen der Kameramann vor der Bedrohung wegrennt, aber seine Kamera offenkundig vor sich trägt, um das Geschehen zu filmen. Zum Anderen auch Momente, bevor das Monster überhaupt die Leinwand erblickt. Auf der Party, auf der sich die Protagonisten vor dem Inferno vergnügen, filmt der Mann hinter der Kamera auch eine (dann doch unvermeidliche) Beziehungskrise und wie er mehreren Gästen von einem Seitensprung des (wirklichen) Hauptdarstellers berichtet. Selbstverständlich ist all dies notwendig, um dem Zuschauer diese Informationen zukommen zu lassen, doch logisch sind diese Situationen nicht. Allerdings sind solche Ungereimtheiten, aufgrund des erwähnten Korsetts nicht vermeidbar. Nett wiederum ist die Idee, dass das Band schon einmal bespielt war und man zwischen einigen Szenen Bruchstücke vom alten Band sieht . Dort wird deutlich, wofür Videokameras in der Regel genutzt werden: nämlich um schöne Momente festzuhalten. So stehen diese Bruchstücke in starkem Kontrast zu dem grauenhaften Geschehen in dieser Nacht.
Die Besetzung ist nicht der Rede wert. Dies hat zum Einen den Vorteil, dass man nie sicher sein kann, wen es denn als nächsten erwischt, doch führt dies auch dazu, dass man zu keinem der Protagonisten eine Beziehung aufbaut. Vielmehr wirkt es tatsächlich so, dass man das Videoband fremder Menschen schaut. Dies steht zwar in der Intention des Filmes, macht aber die ersten 20 Minuten, bevor die Hölle losbricht zu einer recht langwierigen Angelegenheit, da man von den Beziehungsproblemchen der jungen und hübschen (noch so ein Klischee) Protagonisten überhaupt nicht gefesselt wird. Diese Szenen langweilen eher und dienen nur zur formelhaften Vorstellung des Trüppchens, dem man später folgen wird.
Produzent J.J. Abrams ("Lost") steht für einzigartige Ideen und eine solche ist ihm wieder gelungen. Die Ausführung ist absolut professionell und hochwertig, dabei auch immer konsistent. Die Kritik, die an dem Film entsteht, entspringt aus dem stringenten Verfolgen dieser ungewöhnlichen Idee. Farblose Darsteller wären allerdings dennoch vermeidbar gewesen. Was bleibt, ist ein Big Budget-Experiment, das unter dem Strich als gelungen bezeichnet werden kann. Ein herausragender Film wurde es trotz allem leider nicht. Wen die beschriebene Ausgangslage interessiert kann dennoch mehr als ein Auge riskieren.
Fazit:
7 / 10