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Mit welchem Attribut lässt sich J. J. Abrahams, Produzent der TV-Serien "Alias" und "Lost", wohl am besten beschreiben. Kreativ? Geschäftstüchtig? Sicher sind beide recht treffend, aber das was ihn am besten beschreibt, ist vielleicht das Attribut "clever". Und auch zu seinem neuesten Projekt, "Cloverfield", kommt einem nach Sichtung in den Sinn: "Mann, ist das clever?"

Das fängt schon beim Marketing an. Es wurde nur ein Trailer platziert, der eine Party junger Leute zeigt, die jäh unterbrochen wird von .... ja, von was eigentlich? Man erfährt es nicht. Man sieht nur Explosionen und den Kopf der Freiheitsstatue, der durch die Straßen New Yorks geschleudert wird. Wer oder was ist nun verantwortlich für die Enthauptung eines der Wahrzeichen der USA? Ein Erdbeben? Ein Meteor? Ein außerirdisches Monster? Oder sind es am Ende doch wieder Terroristen? Die Antwort muss man sich schon im Kino holen.

Eine ebenso wirksame Maßnahme ist es, einen Film vor Kinostart nicht zu zeigen. Manchmal werden Pressevorführungen im Vorfeld vermieden, um die befürchteten negativen Kritiken zu umgehen. Aber in diesem Fall steigerte diese Maßnahme nur noch mehr die Neugier auf den Film.

Aber auch der Film selbst kommt extrem raffiniert daher. Er ist mit ca. 80 min. für die heutige Zeit, in der jeder Actionfilm schon Überlänge hat, geradezu unverschämt kurz. Nach Sichtung des Films kann man sagen, er beschränkt sich auf das Wesentliche. Und von den 80 min. Laufzeit werden die ersten 20 min. darauf verwendet, junge Leute auf einer Party zu zeigen. Was soll das?Nun, jeder Zuschauer weiß, dass irgendetwas Schlimmes passiert und mit jeder Minute, in der nichts passiert, steigert sich die Erwartungshaltung und die innere Spannung. Wann geht "es" denn nun los?

Die Party ist erschreckend normal. Normale Jugendliche feiern den Abschied von einem der ihren, der nach Japan geht, um einen neuen Job anzutreten, tratschen, flirten und trinken Bier dazu.

Jeder von uns war schon mal auf einer solchen Party. Jeder von uns hat die geschilderten Situationen und Gespräche in ähnlicher Form schon einmal so erlebt. Die Identifikation mit den Protagonisten wird uns leicht gemacht. Und wir nehmen umso mehr Anteil am Schicksal der jungen Leute, je mehr wir über sie wissen.
Außerdem sind wir ja quasi auch unter den Gästen der Party, denn wir sehen mit den Augen eines Gastes, der eine Kamera dabei hat und mitfilmt. Diese Perspektive wird während des gesamten Films konsequent beibehalten. Nicht, dass diese Idee mit der Videokamera neu wäre. Schon in dem sehr effektvollen "Blair Witch Project" waren wir mitten drin im Geschehen. Neu ist in "Cloverfield" die Kombination dieser Amateurfilm-Optik mit aufwändigen Spezialeffekten. Und der Ertrag daraus ist maximal. Die Videokamera unterstreicht die Orientierungslosigkeit der Protagonisten im Chaos des zerstörten Manhattan. Und genau so orientierungslos ist auch der Zuschauer, der wie der Kameraträger auf der Suche ist nach Antworten, nach Wegen, nach einer Lösung.

Der Film vermeidet es übrigens auch, die Ursache für das ganze Chaos, das Monster, das eine Reminiszenz ist an ähnliche Film-Monster wie Godzilla, komplett im Bild zu zeigen. Wir sehen immer nur Teile, die z. B. durch Staub vernebelt sind oder in Gegenlicht zu dunkel erscheinen. Die kompletten Dimensionen können nur erahnt werden. Das wird noch dadurch verstärkt, dass das Monster selbst irgendwie unförmig zu sein scheint, ausgestattet mit unverhältnismäßig großen Extremitäten. Der Zuschauer kann die Bedrohung nicht fassen, sie in en Schema pressen.

Die orientierungslose Kamera und die Nichtfassbarkeit der Bedrohung sind alleine schon Verunsicherung genug. Und dann kommen noch die Situationen hinzu, in die unsere Protagonisten und damit auch wir geraten.

Da ist z. B. die Tunnelsequenz, die eine unsere Urängste, die Angst vor der Dunkelheit, anspricht. Hinzu kommen in diesen Szenen natürlich noch die fast schon obligatorischen Ratten, die den Schrecken noch verstärken.

Die Szenenfolge im Hochhaus, eine Referenz zu Katastrophenfilme wie "Erdbeben" oder "Flammendes Inferno", kombiniert die Höhenangst mit der Angst, dass die Ruinen zusammenstürzen könnten. Immer wieder für Entsetzen können die kleinen Monster sorgen, die Verwandte der aus den Eiern springenden Wesen der "Alien"-Filme sein könnten und die aus dem Nichts auftauchen.

Neben den Monstren sorgen die Begleitumstände der Situation, wie z. B. einstürzende Gebäude, plündernde Menschen, wild um sich schießendes Militär für Angst und Schrecken.

Der Film wirft viele Fragen auf, die nicht beantwortet werden. Woher kommt das Monster? Warum tritt es gerade jetzt in Erscheinung? Warum in Manhattan? Was hat es mit den Bissen der kleinen Monster auf sich? Welche Wirkung haben diese Bisse genau? Warum kann das Monster nicht durch Bomben vernichtet werden? Hat die angestrebte Zerstörung Manhattans auch das Monster zerstört?Wir bekommen nur die Informationen, die auch die Gruppe von Leuten erhält, die wir mit der Videokamera begleiten.
Auch diese offenen Fragen tragen dazu bei, die Protagonisten und damit auch den Zuschauer permanent in Angst und Schrecken zu halten. Der Film benötigt dazu weder ausgeprägte Ekelszenen, noch übermäßige Gewaltdarstellungen. Nicht einmal entsprechend dramatische Musik wird eingesetzt. Die Spannung entsteht aus der Situation selbst und braucht keine unterstützenden Mätzchen. "Cloverfield" ist Terrorkino in Reinkultur und müsste aufgrund seiner raffinierten Machart eigentlich "Cleverfield" heißen.8/10

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