Benny steht gerade am Anfang seiner Pubertät und entzieht sich der langweiligen und einsamen Realität mit Hilfe von Videos. Ständig leiht er sich welche aus, dreht sogar selbst. Das geht so weit, dass er die Aussicht aus seinem verdeckten Zimmerfenster mit einer Kamera auf seinen Fernseher überträgt, anstatt das Fenster einfach offen zu lassen. Andererseits fasziniert ihn auch die Perspektive des Zuschauens, des Beobachtens, insbesondere hat es ihm ein selbstgedrehtes Video angetan, wo man ein Schwein sieht, wie es von einem Bauern mit einem Bolzenschussgerät getötet wird und danach noch blutend zappelt. Er sieht es sich regelmäßig an, in Zeitlupe und normal. Es weckt in ihm die Neugier, bis er eines Tages ein Mädchen vor seiner Stammvideothek anspricht und mit nach Hause nimmt...
Obwohl diese Geschehnisse erst der Anfang des Filmes sind, wird einem schnell klar, worauf es hinausläuft. Als ob es eine Mutprobe wäre begeht er die Tat, das unbekannte Mädchen stirbt - "So halt." In unglaublich kalten, bitteren, ungeschminkten und "armen" Bildern schildert Haneke nicht, zeigt sie auch nicht richtig, sondern dokumentiert die Tat. Es ist hart und grausam, das sehen zu müssen; Unverständnis kann man dem nur entgegenbringen, zumal uns Haneke auch mit dem Voyeuristischen einer gezeigten Grausamkeit verschont.
Doch statt um die Gründe für die Tat, die Faszination, Neugier, Vereinsamung, Realitätsverlust, fehlende soziale Fähigkeit, geht es vielmehr um die Folgen für Benny und seine Familie. Wie verarbeiten sie das, oder besser gesagt, wie verdrängen und verschweigen sie das vor sich selbst und vor der Gesellschaft? Um Verantwortung geht es also, um Schuld und um die Problematik der Sühne, der Wiedergutmachung.
Ohne Augenklappe und ohne unnötige Künstlichkeit wirft Michael Haneke einen bitteren, fast schon resignierten Blick auf unsere Zeit, die er als "emotionale Eiszeit" bezeichnet. Und gerade dieser karge, ungeschönigte Blick ohne einen kleinsten Hauch von "filmischen Stilmitteln" schafft eine - seine - Art der visuellen Ästhetik, wie sie komplexer, authentischer, tiefgründiger, bewegender und nachdenklicher kaum sein kann. Präsize und mutig. Man kann deswegen in keinem seiner Filme das inhaltliche Potential vollständig diskutieren und beschreiben, es steckt zu viel dahinter. Seine Filme sind einmalig aber auch schwierig und anspruchsvoll. Wer sich für den sozialpolitischen, kritischen Film interessiert, der sollte auch "Bennys Video" unbedingt anschauen. Eine Fabel, die einem die Augen öffnet, den Blick für das Wesentliche schärft und gewissermaßen nachdenklich stimmt über den Zustand des menschlichen Zusammenlebens in heutiger Zeit.
Genial gespielt und inszeniert - Danke, Michael Haneke! 10/10.