Review

„Bennys Video“ erzählt die Geschichte eines 13jährigen Jungen aus gutbürgerlichen Verhältnissen. Und dieser Junge steht am Anfang seiner Pubertät und kapselt sich in einer Mischung aus Gleichgültigkeit, Lustlosigkeit und stummer Auflehnung gegen die Außenwelt ab, die ihm grau und trostlos erscheint. Gleichzeitig flüchtet er in Scheinwelten, die er abwechselnd in Action- und Gewaltvideos oder beim Spielen von Videogames findet. Und überdies dreht der Gymnasiast eigene Videos. So filmt er aus seinem verhüllten Zimmerfenster die Straße, anstatt das Fenster einfach unverhüllt zu lassen und direkt auf die Straße zu schauen.

Doch genau mit diesem Verhalten wird verdeutlicht, wie stark sich Benny bereits in seine eigene Welt zurückgezogen und wie klar er die Trennung der „Welt da Draußen“ von seiner eigenen Welt bereits vollzogen hat.

Sein selbstgedrehtes Lieblingsvideo zeigt ein Schwein, dass mittels Bolzenschussgerät getötet wird. Wieder und wieder schaut sich Benny dieses Video an – neugierig und mitleidslos zugleich.

Eines Tages trifft Benny ein etwa gleichaltriges Mädchen vor seiner Stammvideothek. Die beiden gehen in das kalt wirkende Penthouse seiner Eltern. Und wie so oft, sind Bennys Eltern auch an diesem Tag nicht zu Hause. Zunächst zeigt Benny dem Mädchen sein selbstgedrehtes Video von der Schweineschlachtung. Doch plötzlich taucht ein echtes Bolzenschussgerät in Bennys Zimmer auf.

Benny tötet das Mädchen mit dem Bolzenschussgerät und filmt seine Tat. Und er tut dies mit einer Seelenruhe, so wie der ganze Film mit einer fast stoischen Ruhe und einer Form von Teilnahmslosigkeit daherkommt.

Und genau dies scheint ein bewusst gewähltes Stilmittel des Regisseurs zu sein. Vielleicht wollte er damit die Gleichgültigkeit und Sprachlosigkeit innerhalb der Gesellschaft widerspiegeln, von der dieser Film erzählt?

Da ist z.B. einmal die Sprachlosigkeit der Eltern. Diese greifen praktisch erst dann ins Geschehen ein, als bereits alles zu spät ist. Und da ist allem voran Bennys Sprachlosigkeit; seine degenerierte Kommunikationsfähigkeit, die bereits autistische Züge erkennen lässt.

Aber irgendwie leben sie alle in diesem Film mehr oder weniger aneinander vorbei. Gewissermaßen eine bindungsunfähige und mitteilungsverkrüppelte Gesellschaft.

„Bennys Video“ ist ein Film ohne Effekte und ohne jede temporeiche oder gar actiongeladene Szene. Dieses Machwerk lebt von seinen Dialogen und noch mehr lebt es vom Unausgesprochenen.

Und dieser kleine Streifen hält am Ende eine böse Überraschung für die Zuschauer und Bennys Eltern parat, die quasi als schuldsprechendes Schlussplädoyer nochmals eindringlich die emotionale Kälte und Teilnahmslosigkeit des 13jährigen Jungen aufzeigen.

Der Film ist eine Mischung aus Psycho-Sozial-Studie, Drama und unausgesprochener Systemkritik. Im Jahr 1992 gedreht, gibt Michael Hanekes Film durchaus visionär einen Ausblick auf eine Gesellschaft, wie sie heute (mehr denn je) jene Taten begünstigt, wie sie Benny in diesem Film begangen hat.

Details
Ähnliche Filme