„Es muss wundervoll sein…“ – „Was?“ – „…vergewaltigt zu werden!“
„Mordlust“ ist ein im Jahre 1973 veröffentlichter Psycho-Thriller des US-amerikanischen Regisseurs Curtis Harrington („Satanische Spiele“, „Wer hat Tante Ruth angezündet?“), der inspiriert ist von zahlreichen Serienkillern mit krankhaften Beziehungen zu ihrer Mutter und daraus resultierend zu Frauen allgemein. Meine Kritik geht stark auf den Inhalt ein und enthält daher massive Spoiler.
Terry Lambert (John Savage, „Hair“) saß zwei Jahre im Jugendgefängnis ein, weil er von seinen Freunden dazu gedrängt wurde, sich an der gemeinschaftlichen Vergewaltigung der jungen Tina (Sue Bernard) zu beteiligen. Nach seiner Entlassung kehrt er zu seiner Mutter Thelma (Ann Sothern, „Zum Zerreißen gespannt“) zurück, die eine Pension betreibt, und unterhält eine inzestuöse Beziehung zu ihr. Anderen Frauen gegenüber ist er gewalttätig und schreckt auch vor Mord nicht zurück, wie u.a. sein Rachefeldzug gegen diejenigen, die ihn ins Gefängnis brachten, zeigt…
Im Prolog inszeniert Harrington die Vergewaltigung an einem Strand, zeigt auch, wie Terry von seinen Freunden unter Druck gesetzt wird – leider geriet diese Szene unfreiwillig komisch und somit zu einem denkbar schlechten Einstieg in den Film. Die eigentliche Handlung setzt mit Terrys Knastentlassung ein. Dem Zuschauer wird Terrys Mutter vorgestellt, wobei zunächst unklar bleibt, ob es sich bei Thelma überhaupt um seine Mutter handelt und welches Verhältnis beide zueinander haben. Terry fällt als Voyeur auf, der das italienische Fotomodell Lori (Cindy Williams, „Beware! The Blob“) bespannt und dabei versehentlich eine Katze abmurkst. Lori ist Thelmas jüngster Gast und versteht sich gut mit Terry, der Fotos mit ihr schießen darf – was Harrington indes zum Anlass für die Handlung streckende Füllszenen nimmt. Als sie sich gegenseitig am Pool necken, wird aus Spaß bald Ernst und Harrington gelingt es tatsächlich, eine bedrohliche Aura zu schaffen; eine der stärksten Szenen des Films.
Anstatt seine fragwürdigen Freunde für seine Verurteilung zur Rechenschaft zu ziehen oder das Geschehene anderweitig zu reflektieren, belästigt Terry Tina telefonisch, verfolgt sie im Auto und drängt sie von der Straße, so dass sie verunfallt. Von einer Vergewaltigung durch Terry träumt unterdessen die Bibliothekarin Louise (Luana Anders, „Dementia 13“), die weiß, wofür er seine Strafe verbüßen musste. Sie bedrängt und provoziert ihn, woraufhin er sie mit seiner Gitarre bedroht, die er am Pool zerschlägt. Seine Anwältin bekommt es wiederum härter ab: Er sucht sie zu Hause auf, bedroht sie, verletzt sie mit einem Messer im Gesicht, trinkt sie anschließend unter den Tisch und zündet ihre Wohnung an. Nach seinem letzten Mord hilft ihm seine Mutter, die Leiche zu beseitigen – und vergiftet ihn anschließend.
Inwieweit „Mordlust“ in seiner recht geradlinigen Handlung es als Überraschungseffekt verwenden wollte, Thelma als Terrys Mutter zu enttarnen, wurde mir aus dem halbgaren Umgang mit der Inzest-Thematik nicht ganz klar, die weitestgehend harmlos vor sich hinplätschert. Die eigenartige Beziehung, die beide zueinander pflegen, ändert sich indes gern einmal von Szene zu Szene, Liebesschwüre folgen auf Beleidigungen, Aggression gibt sich mit Behütung und Demut die Klinke in die Hand. Doch generell ist das vermittelte Menschenbild ein reichlich schräges, erzeugt Harrington eine Atmosphäre ausschließlich einsamer, neurotischer Menschen, was in bizarren Szenen Entsprechung findet. Fast alle benehmen sich letztlich wenig nachvollziehbar, dadurch unberechenbar – woraus „Mordlust“ immerhin etwas Spannung bezieht, denn dramaturgisch zieht sich der Film bisweilen. Künstlerisch gibt sich Harrington, wenn er eine skurrile Traumszene inszeniert, in der Terry mit Tina in einem Kinderbett liegt und sämtliche weiteren Frauen um ihn herumstehen, mit Fingern auf ihn deuten und mantraartig „Schäm dich!“ fordern. Hin und wieder traut man sich auch Kamerafahrten al italiano, was durchaus schön anzusehen ist. Das ‘70er-Grindhouse-Flair ist spürbar, der Sleaze-Anteil indes nicht sonderlich ausgeprägt. Terry ist häufig nur in Unter- oder Badehose zu sehen, auch mal nackt unter der Dusche. Ständig springt er in den Pool, auch mal „Nein!“ schreiend in Zeitlupe, was Harrington gleich mehrmals wiederholt – welchen Effekt das auch immer haben soll. Noch viel fragwürdiger ist allerdings der unnötige Tiersnuff in Form einer Rattentötung.
Unterm Strich schwankt „Mordlust“ zwischen die Freiheiten der 1970er auslotenden Experimenten, unambitionierter, irgendwie lustloser, halbgarer Exploitation und mit jeglichem psychologischen Tiefgang bereits überfordertem Thriller und ist somit trotz seiner nach Skandalträchtigkeit klingenden Prämisse alles andere als Pflichtprogramm und schon gar keine wiederentdeckte Perle.