“Wenn ein Mann seine Ausrüstung auf einem Karren transportiert, den er selbst schiebt, und zehn Jahre später mit einem Mercedes seine Baustellen besucht, gibt es keine zwei Erklärungen. Wir mögen die Genügsamkeit und Sparsamkeit der Kalabrier loben, die nach Frankreich kommen, um ihr Glück zu machen, aber es ist eine schöne Geschichte, die die Herzen der Erzieher bewegt: Sie hat wenig mit der brennenden Realität zu tun. Xav wusste, woher Serrano sein erstes Geld hatte. Dann, wie er es fruchtbar gemacht hatte. Es war so erhebend wie das Leben von Al Capone.“
Von Delon selber präsentiertes Projekt, welches eingangs auch mit nahezu vorgegebenen Erwartungshaltungen des Publikums spielt und es ausnutzt und vorführt, auf kreative Weise im Bild irritiert, Andeutungen macht, diese aber gegensätzlich auflöst. Eine Romanadaption, "Mort d’un pourri" nach 'Raf Vallet' a.k.a. Jean Laborde, unter Georges Lautner, mit traumhafter Besetzung auch abseits des Stars, mit vielen “Warum?“ in der Einleitung, mit einem späten oder eher frühen Besuch, noch in den Morgenstunden, Dringlichkeit im Vordergrund. “Serrano war ein Dreckskerl.“, aus heiterem Himmel eine Ansage, ein Geständnis:
Anwalt Xavier 'Xav' Maréchal [ Alain Delon ] bekommt eines Morgen relativ zeitig Besuch seines Freundes Philippe Dubaye [ Maurice Ronet ], einem Abgeordneten, der ihm den Mord am Politiker Serrano gesteht und um Hilfe bittet. Die Kommissare Moreau [ Michel Aumont ] und Pernais [ Jean Bouise ] fragen sich auch gleich in die richtige Richtung durch, werden aber durch ein falsches Alibi von Maréchal für Dubaye für den Moment ausgebremst. Bald häufen sich Anschläge in der Nähe des Anwaltes, dem spätestens dann Zweifel aufkommen.
Das eine “Warum?“ wurde frühzeitig geklärt, darum geht es auch gar nicht, eine Nebensächlichkeit, eine Offenbarung unter vielen. Eine Beichte, ein Vorwand, ein Gespräch unter Freunden, eine Geschichte, die zusätzlich, aber anders ablaufend bebildert wird, keine Reue, viel mit Lüge, viel als Ausweg, kühl gesprochen, noch ohne Gefühle. Zwei Männer sind im Spiel, zwei Frauen, die Probleme selbst geschaffen und unmöglich allein zu lösen. Ein Mord in der 32. Etage eines Hochhauses, die Nachrichten sich überschlagend, Motiv, Täter, Alibi, Auswirkungen nachfragend, das weitere Vorgehen klärend, die Hintergründe nachtragend. Konsequenzen hat es jetzt schon, eine Geiselhaft, das Gefangen Sein in einer falschen Aussage, mehrere Mitwisser, vermehrt Unwägbarkeiten, ein weiteres Leben von nun an ständig mit Unsicherheiten. Die Inszenierung präzise, mit einigen Nachlässigkeiten, möglicherweise absichtlich.
“Hinter Philippes Schreibtisch blickte ein riesiges Fenster auf einen der riesigen Dominosteine, die Paris und seinen schwankenden Dächern trotzen. Monster aus Stahl, Beton und Glas, zeigen die selbstgefällige Unverschämtheit junger Wölfe im Angesicht überforderter Krümel. New York überträgt ein naives und rücksichtsloses Dekor von Wolkenkratzern und Gebäuden mit metallischem Geruch nach Frankreich. Manieren folgen. Das Schlimmste im Hinterkopf, natürlich. Xav gefiel das nicht. Jedes Mal, wenn er das Büro betrat, dachte er an die beispielhafte Szene aus dem Film "Die Rache des Johnny Cool", in der ein Killer mit einem fleischfressenden Profil und einem scharfen und traurigen Blick langsam an einer endlosen Fassade entlang klettert, während er auf dem Lastenaufzug der Reinigungskräfte sitzt. Im obersten Stockwerk blieb er stehen und vernichtete mit einem Maschinengewehr durch das dicke Glas das Viertel einer Mafia, fassungslos und entsetzt, überrascht zu werden, wehrlos überrascht zu werden, obwohl die Gorillas den Eingang verteidigten."
Aus dem Privaten wird man in die Öffentlichkeit gerissen, einer verlässt seinen Wohnbereich, einer betritt ihn, einer steht für den anderen ein, erst mit Worten, dann wortwörtlich. Eine Vertretung mit Pflicht und Übernahme, eine Interessengemeinschaft, bald ein Konflikt, ein brüchiges Kartenhaus, ein Lügengebilde, von Polizei und Presse schon auf den ersten Blick entdeckt. Worte sind hier wichtig, aufgeschnappte Satzfetzen, Versprecher und Versprechungen, die Tonart, die Körpersprache, vor allem die Mimik; Sätze werden vorneweg genommen, umgekehrt, sarkastisch aufgenommen, zynisch abgewehrt. Die Kunst des Sagens und des Gesagten, der Mut des sich Wagens, des Aufhalsens Probleme Anderer, der Gang in die Höhle des Löwen, in den Rachen des Wolfes, eine unnötige Stresssituation und Bindung, wo man doch sonst keine Bindungen eingeht.
“Also hier stimmt irgendetwas nicht.“, wird rasch eingeworfen, dann wird es kompliziert, dann wird es schwierig. Der Film als Krimi, als Thriller, als Drama, als Zeugnis einer Gesellschaft, deren politische Klasse allesamt korrumpiert scheint, wo es das Normalste von der Welt ist, wo dies die Spatzen von den Dächern pfeifen, wo die Justiz gleich mit involviert ist. Umso dreckiger das Geschäft, desto sauberer und weißer die Weste, der Film ist wie mit Kreide gezeichnet, einfache Farbe, aber scharfe Umrandungen, viel in Ruhe betrachtet, aber ständige Verfügbarkeit und Verwandlungen und Verhandlungen. Es werden Finten eingelegt und Täuschungen probiert.
Professionell wird das hier aufgezogen, eine Affäre, ein Dossier, eine gewisse Ordnung, ein Halten an die Spielregeln, ausgenommen der Besetzung, steht plötzlich Kinski im Raum, der Saal vibriert. Bislang könnte es auch ein Hörspiel sein, eine Autofahrt von Delon deutlich vor Rückprojektion gedreht, nun wird es zum visuellen Erlebnis, wird mit.der Kamera agiert und Montage gespielt. Ein aufeinander Abstimmen von Marschrouten, lange Gespräche in geschützten Bereichen und ebensolchen Aufnahmen, schauspielerisch getragen, vom Text selber fundamentiert; sicher im Auftreten, durch die Prämisse vom Lügengebilde aber jederzeit sprunghaft, mit inhaltlichen Risiken auf Spannung prolongiert und promoviert. “Wird dir gar nicht mulmig?“, eine Reise in das Ungewisse, in den Sumpf des Verbrechens, die Gefahren an jeder Ecke und von jeder Seite, mit mancherlei Überraschung wird gerechnet, mit einem Angriff auf nächtlicher Fahrbahn und dem Drängen in den Straßengraben nicht.
Eine edel bebilderte Produktion mit nicht so edlen Gestalten, mit plötzlichen Aussetzern von Gewalt, mit pistolenbewehrten Killern, Schüsse hallen durch Wohnung und Treppenhaus, man wird im Büro aufgelauert, die Opferzahl erhöht sich, die Bestattungserlaubnis wird abgefragt und nötig. Die Welt hier wird nicht wärmer, auch wenn die Kontakte nicht ab-, sondern zunehmen, auch wenn ab und zu Menschenmenge in Augenschein genommen wird, öffentliche Plätze aufgesucht, Versteck in der Masse gespielt. Beobachtung und berechtigte Paranoia, Umwege der Kommunikation, Organisationen und Institutionen und Individuen, ein Uhrwerk mit Sand in Getriebe, eine Anthologie der Verfilzung, eine andauernde Belastung, eine permanente Verfolgung; die 'Beseitigung' einer motorisierten Gefahr durch den Aufprall mit einem LKW, dazu Jazzlounge wie als musikalischer Kontrapunkt.
"Ich werde pro Woche einen Skandal aufdecken. Das dürfte in Frankreich heute nicht allzu schwierig sein.", sagte Belmondo in Der Erbe (1973), ähnlich geht es hier auch zu, Bestechung und Skandale gehören scheinbar zum guten Ruf, zumindest gehört es zur Normalität, höchstens die Integren unter der Polizei werden noch nervös, die anderen nicht, ein zusätzlicher Kompetenzkrieg entspinnt. Auf eigene Rechnung wird hier auch gearbeitet, mal mit, mal gegen ein großes Netzwerk, eine Epoche des Gaunertums von Gottes Gnaden, wird in höchsten Kreisen defiliert, wird dort und von dort aus auch demoliert und der Status Quo definiert. Ein weitverzweigtes Plotkonstrukt, im Mittelpunkt ein Mann, der neu ist in dieser Clique, der noch nicht genau weiß, welche Rolle er zu spielen hat, der auch nicht mitspielen möchte. “Was für meinen Vater seine Milchkuh war, das ist für uns heute Europa.“; auch das kommt aus Der Erbe bekannt vor, eine Geschichte mit Aktualität (es wird die Lockheed-Affäre erwähnt & Watergate), mit Intelligenz und auch etwas Integrität, mit diversen Interessen, mit Leichen pflastern seinen Weg.
Später hat man es dann plötzlich eilig, eine Falle, wird mit Schwerlasttransportern als Mittel der Wahl, mit Zugmaschinen als tödliche Waffe, mit Stunts und Großspektakel Marke Bébel agiert, eine wilde Jagd, vorgeblich auf die Tierwelt, tatsächlich auf Menschen inszeniert. Es wird aus der Doppelläufigen geschossen, es fallen Autos vom Himmel, ein Killerkommando mit der Bleispritze agiert, die Internationale der Proleten gegen die Internationale der Moneten. Das “Warum?“ wird auch geklärt, aus Loyalität, ein unbekanntes Wort hier, aber es existiert.