Der französische Regisseur Luc Jacquet spaltete 2005 die Zuschauerschaft mit Die Reise der Pinguine. Tolle Tieraufnahmen nützen nun einmal gar nichts, wenn sie durch vermenschlichte Kommentare der Pinguine versaut werden. Deshalb ist besonders schön zu sehen, dass sich Jacquet für seinen neuen Film Der Fuchs und das Mädchen zusammengerissen hat und einen zwar nicht unbedingt realistischen aber immerhin liebenswerten Film geschaffen hat.
Nachdem ein kleines Mädchen (Bertille Noël-Bruneau) im Wald auf einen Fuchs stößt, ist sie so fasziniert, dass sie fortan ihre gesamte Freizeit in der Natur verbringt, um ihm wieder zu begegnen. Es bahnt sich eine leise Freundschaft zwischen Mensch und Tier an, die sich leider in eine Katastrophe auswächst.
Gleich zu Beginn sei der Interessent vorgewarnt, dass der Film durch die rosarote Brille gefiltert auf den Zuschauer losgelassen wird, weshalb das Ende durchaus verschrecken kann. Der Fuchs und das Mädchen ist eine völlig vermessene Fabel mit dem naiven Blickwinkel eines unbedarften Kindes, das alles Schlechte und Gefährliche sorgfältig ausblendet.
Das kleine Mädchen, das irgendwo in der französischen Provinz aufgewachsen ist, hat scheinbar keine Freunde und auch keine sonderlich starke Bindung zu ihren Eltern, die man im ganzen Film kein einziges Mal zu Gesicht bekommt. Die idyllische Darstellung des Waldes ist mehr als geheuchelt, tummelt sich hier doch vom Braunbären über Wölfe bis hin zu Raubkatzen allerlei Getier, das durchaus auch dem Menschen gefährlich werden könnte. Was soll's, der Fokus liegt auf der Geschichte vom Fuchs und dem Mädchen, das Drumherum ist vernachlässigbar.
Besonders hat es Luc Jacquet offensichtlich auf Tieraufnahmen abgesehen, denn das Mädchen trifft auf ihren Streifzügen durch den Wald auf wirklich jedes Tier. Einmal beobachtet sie den mysteriösen Bären, einmal fängt sie (in einer überflüssigen Szene) begeistert Frösche, dann watschelt wieder ein Igel durchs Bild oder starrt sie ein Hirsch an. Insekten summen, Dachse balgen sich; mal steht sie einem ganzen Rudel Wölfe gegenüber (eine starke Szene!). Das macht Der Fuchs und das Mädchen zu einem vielfältigen Tierfilm, wenn einige Tiere auch krampfhaft in den Film eingefügt wurden, was durchaus mal nervt. Hauptaugenmerk liegt allerdings nach wie vor auf dem titelgebenden Fuchs, der sich schnell als Füchsin mit einem Rudel Jungen herausstellt. Wo man schon wieder nach der Realität schreien möchte. Warum hat eine Füchsin in einer so schweren Zeit, in der sie ihre Jungen aufziehen muss, den ganzen Tag Zeit, mit einem Mädchen über eine Wiese zu tollen?
Warum sich der Fuchs nach anfänglicher Scheu plötzlich mit dem Mädchen anfreundet und sie auf seine Streifzüge durch den Wald mitnimmt, ist ebenso fraglich. Aber so ist das nun mal. Und wenigstens aus der Sicht des Mädchen bleibt es ein wenig realistischer, ist sie doch nur ein naives Kind, das mit einem Tier redet, sich fanatisch in etwas hineinsteigert und trotz der Freundschaft zu dem Fuchs Tiere kein bisschen verstanden hat. Und den Fuchs schließlich sogar an die Leine nimmt.
Wonach das schlichte Fazit der Parabel dann auch lautet: Tiere sind keine Menschen. Und das kommt dann ausgerechnet von dem Regisseur, der kurz zuvor noch Pinguine so dermaßen vermenschlicht hat, dass es einem fast schon grauste. Die Aussage von Der Fuchs und das Mädchen wirkt somit verlogen und aufgesetzt. Aber: Die Naturaufnahmen sind toll und auch das Leben vom Fuchs und den Gefahren, die im Wald auf ihn warten, ist gut in Szene gesetzt. Die rothaarige Bertille Noël-Bruneau als einzige Darstellerin im Film (mal abgesehen von den letzten zwei Minuten Celluloid) spielt für ihr Alter stark und glücklicherweise nicht neunmalklug, sondern so naiv wie ein richtiges Kind.
Unterm Strich bleibt Der Fuchs und das Mädchen freundliche Sonntagnachmittagunterhaltung mit einer sympathischen Hauptdarstellerin und einem nicht menschelnden Fuchs. Schöne Naturaufnahmen und interessante Einblicke in das Leben eines Fuchses (wenn der Handlung zuliebe leider nicht immer naturgetreu) täuschen über die platte, verlogene Botschaft und den fehlenden Realismus hinweg. Ein Spaß für Groß und Klein, wenn man akzeptieren kann, auf was man sich hier einlässt.