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- Spoiler Inside -

Es ist gelinde gesagt eine Frechheit, was uns Ti West hier mit seiner Jagd durch die Natur vorsetzt. Und gerade weil es nicht viel benötigt, dieses doch so einladende Sujet zu einem Feuerwerk an Nervenkitzel zu gestalten („Beim Sterben ist jeder der Erste“, „Surviving the Game“) schafft er es tatsächlich über eine Laufzeit von rund 76 Minuten für gerade mal 20 Sekunden Spannung zu erzeugen.

Die dilettantisch bediente Handkamera verheißt von Beginn an nichts Gutes: Drei junge Männer treffen sich in einem trüben Stadtteil von New York, um für einen Tag in den Wäldern von Delaware auf die Jagd zu gehen. Durch einen unbekannten Scharfschützen werden sie selbst zu Gejagten.

Null Figurenzeichnung, fast überhaupt keine Dialoge und die Handkamera, mit hakeligem Zoom und jeder Menge Unschärfen stets nah an den Laiendarstellern.
So geschieht denn rein storytechnisch in den ersten 35 Minuten gar nichts, außer dass drei Kerle mit Warnweste und Gewehr durch den Wald latschen, sich allenfalls Wortfetzen an den Kopf werfen, sich erneut hinsetzen, weiter ziellos umherstreunen, vielleicht auch mal eine Dose Bier öffnen, aber noch nicht einmal etwas vor die Flinte bekommen.
Stoff von maximal zehn Minuten aufs Dreifache gedehnt.

Spoiler
Und dann geht plötzlich alles ganz schnell, innerhalb weniger Minuten ist nur noch ein Kerl am Leben, vom Täter ist nichts zu sehen, weder Hand am Auslöser, noch ein Schatten.
Der Überlebende taumelt bis zu einer scheinbar verlassenen, alten Fabrik, wo es zum Showdown kommt. Ob es sich bei den dort anwesenden, bewaffneten Männern um die Scharfschützen handelt, kann nur vermutet werden, denn erklärende Hintergründe, sowie Motive bleiben völlig aus.
Spoiler Ende

Es ist ein Jammer, wie diese grundsolide Idee mit Füßen getreten wird, denn dass da Potential für aufregende Konfrontationen vorhanden ist, zeigt sich während einer Szene beim Finale, wo selbst die Handkamera nicht weiter stört, sondern erstmalig (und auch nur hier) effektiv arbeitet. Doch was nützt es, wenn sie im Übrigen jede Perspektive in Sachen Genauigkeit verpeilt, maßlos wackelt, sobald sich jemand etwas schneller durch den Wald bewegt und mit dem Zoom arbeitet, als würde ein Kindergartenkind seinesgleichen filmen.
Die Intention von Authentizität hat bei „Blair Witch Project“ zum Erfolg geführt, weil einer der Beteiligten die Kamera führte, hier stölkert sie planlos mit, ohne auch nur ansatzweise einschätzen zu können, wann eine Totale oder eine Großaufnahme von Vorteil wäre.

Wohlwollend könnte man von einem sachlich gehaltenen Tatsachenbericht in Realtime-Format sprechen, als würde man aus Sicht des letzten Überlebenden vor vollendete Tatsachen gestellt, um dessen Emotionen wie einen Sturz ins eiskalte Wasser mitzuerleben.
Aber dafür benötigt es eine Bindung zu einer Figur, die hier eben überhaupt nicht gegeben ist.

Am Ende wirkt alles so, als hätte West drei Typen im Wald ohne vorhandenes Drehbuch gefilmt und im Nachhinein ein paar immerhin brauchbar inszenierte Bluteffekte hinzueditiert.
Selten war eine Jagd unter freiem Himmel langatmiger, langweiliger und so wenig am Überleben der Hauptfigur interessiert.
2,5 von 10

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