Heinz Strunks Lebenserfahrungen "Fleisch ist mein Gemüse", in denen er seinen Weg als stark von Pubertätsakne gezeichneter Jüngling zum Musiker mit zweifelhafter Karriere zeichnet, war als Buch ein überraschender Erfolg, obwohl die darin beschriebenen Personen kaum zur Identifikation einluden. Zu verdanken war das Strunks selbstironischem Stil, der bei aller ätzenden Kritik am deutschtümelnden Unwesen nie die eigene Position vergass. Neben den Schadenfreude erzeugenden Situationen sind es vor allem die Momente persönlicher Verwirrtheit während des Erwachsenwerdens, die Viele nachvollziehen können, ohne das sie identische Erfahrungen machen mussten.
Der Verkaufserfolg des Buches mag Autor Strunk und Mitdrehbuchautor und Regisseur Christian Görlitz in Versuchung gebracht haben, daraus einen Film zu machen, obwohl der autobiografische Stil nur schwer auf der Leinwand umsetzbar ist. Das den Machern diese Problematik bewusst war, erkennt man in den zwischen der Handlung eingeblendeten Szenen, in denen Heinz Strunk leibhaftig im Dialog mit einem "Jägermeister"-Hirsch, das Geschehen kommentiert. Dieser Versuch einer Verzahnung zwischen Bild und Sprache scheitert letztlich an der Macht der Bilder.
Gut zu erkennen ist das an dem einzigen Detail, das von Strunk und Görlitz in ihrere Wirkung exakt vorausgeplant werden konnte - der Wahl der Darsteller. Maxim Mehmet als der junge Heinz Strunk und Andreas Schmidt als Band-Leader "Gurki" sind schlicht genial besetzt und verkörpern diese Figuren authentisch. Auch die vielen Nebenrollen, von Strunks Mutter (Susanne Lothar), der Nachbarin Rosi (Livia S. Reinhard) bis zum Bandkumpel Norbert (Oliver Bröcker) können überzeugen, aber sie kommen nicht dagegen an, dass der Film zu einer äusserst ernsthaften Entlarvung deutscher Spiessbürgerlichkeit verkommt, der die selbstironischen Momente fehlen.
Wer hätte gedacht, dass es bei deutschen Schützenfesten - dazu noch in der Provinz - reaktionär, feucht-fröhlich und promiskuitiv zugeht ? - Und das sich der Musikgeschmack kaum mit einem gewissen Anspruch vereinbaren lässt ? - Wer schon immer seine (gerechtfertigten) Vorurteile bestätigt sehen wollte, ist bei "Fleisch ist mein Gemüse" bestens aufgehoben, aber das Ganze ist zu vordergründig inszeniert. Die Bilder können nur das Grauen vermitteln, aber ihnen fehlt die demaskierende Sprache des Buches, das die Verzahnung zwischen eigenen Vorstellungen und dem hier Erlebten vermittelt. Im Film wirkt Heinz Strunk immer wie ein guter Musiker, der aus unglücklichen Umständen in ein solches Umfeld geriet,aber eigentlich gar nicht dahin gehört, während der Heinz Strunk des Buches auch die Sogwirkung und damit verbundenen Hoffnungen vermitteln kann - er gehörte, auch wenn ihn das oft ankotzte, selbst dazu.
Durch diese unterschiedliche Sichtweise bekommt der Film einen überlegenen Charakter, der quasi von oben herab die Tiefen des deutschen Alltags beschreibt. Es gibt nur Drama, wie die psychischen Krankheiten von Mutter und Nachbarin oder Skurrilitäten zum Erbrechen. Selbst der grossartige Andreas Schmidt, der als "Gurki" noch die entlarvensten Momente erzeugt, wird letztlich zu oberflächlich abqualifiziert und zum Schluss geradezu billig fallengelassen. Im Buch zeigt sich in seiner Figur auch eine gewisse Tragik, die in der Verleugnung fast jeglicher Realitäten verborgen ist. Aber wenn "Fleisch ist mein Gemüse" einmal witzig sein will, dann mit einer Plumpheit, die der Figur eines Heinz Strunk nicht gerecht wird. Wenn er Frauenkörpern nachgeifernd mit sahneverschmiertem Gesicht gezeigt wird, dann entspricht dieses debile Bild nicht der Intelligenz, die der Autor in seinem Buch beweist - selbst wenn er sich als bei Frauen erfolglosen Loser beschreibt.
Auch für den Film "Fleisch ist mein Gemüse" könnte man die Regel gelten lassen, dass dieser für sich und nicht im Vergleich zur Buchvorlage beurteilt werden sollte. Doch letztendlich profitiert er eher vom geschriebenen Text, weil man sich angesichts der Bilder die Worte Strunks ins Gedächtnis zurückrufen kann. Losgelöst davon bleibt eine sehr offensichtliche, wenig originelle Kritik an deutschtümelnder Folklore, typische Gags über onanierende Loser und die ernsthafte Schilderung persönlicher Dramen, die im Film deplaziert wirkt, weil auch hier die Selbstironie des Autors fehlt.
Auch das nachgeschobene (Pseudo)Happy-End, das mit dem Buch nichts zu tun hat, kann dem Film das nicht zurückgeben, was das Buch an sich hat - das es Viele trotz unterschiedlichster Biografien ganz persönlich anspricht (3,5/10).