Gleich zu Beginn kann ich guten Gewissens sagen, dass ich selten einen intensiveren, bedrückenderen und deprimierenderen Film gesehen habe als eben "Der Gejagte". Für sensible und depressive Leute ist es daher ratsam, einen großen Bogen um dieses Independent-Meisterwerk zu machen, für das James Coburn als Vater sogar einen Oscar einheimste. Doch nicht der läuft zu Höchstform auf, bleibt es Nick Nolte sogar eher vorbehalten, durch seine fantastische Leistung die Story und den Verlauf des Films sehr realistisch und nachvollziehbar zu gestalten. Zu viel will ich auch nicht verraten, aber vor allem das Ende zieht dermaßen runter, dass sich nach dem Ansehen unmittelbar schlechte Laune breit macht. Mir ist es zumindest so ergangen. Das ist keinesfalls negativ zu verstehen, stellt doch genau dies die Intention von "Der Gejagte" dar. Natürlich nicht direkt zu deprimieren, sondern eben versuchen, aufgrund des Handlungsverlaufs den Zuschauer nicht unbedingt gut gelaunt zu stimmen.
In "Der Gejagte" geht es um ein Familiendrama in einer amerikanischen Kleinstadt, das mit zunehmender Lauflänge immer drastischere Züge annimmt. Alles beginnt damit, dass der Polizist Wade (Nick Nolte) von seiner Ehefrau geschieden ist. Seine Ex-Gattin und die gemeinsame Tochter Jill wohnen daher nicht mehr in seinem Haus. Auch auf seine Eltern kann er sich nicht verlassen, da der Kontakt zu diesen mehr als nur schlecht ist und sein Vater früher immer recht schlagfest war. Wades Bruder (Willem Dafoe) lebt auch in der Ferne, somit ist die einzige Person, zu der Wade einigermaßen eine Beziehung hat, seine Verlobte March. Als dann jedoch ein vermeintlicher Mordfall die Kleinstadt überschattet, nimmt alles einen unglaublich schrecklichen Lauf.
Wie bereits erwähnt, die Schauspieler bewegen sich wirklich am allerobersten Limit, sowohl Gestik als auch Mimik stimmen bei den Hauptdarstellern perfekt, sie unterstreichen die schleichende, bedrückende und deprimierende Atmosphäre bestens und tragen somit einen großen Teil zur Qualität bei, über die "Der Gejagte" zweifelsohne besitzt. Den Rest besorgt dann, wie bei Independent-Produktionen so üblich, Musik und Kameraführung. Erstere passt wie angegossen zum Geschehen, meistens melancholisch, teilweise auch düster. Gefühle kommen aber stets auf. Der Kameramann legt großen Wert auf lange Fahrten oder Einstellungen, bei denen minutenlang auf die Protagonisten oder auf Landschaftsaufnahmen gezoomt wird, um die Intensität zu bestärken.
Alles in allem ein genialer Film, der aber sicher nur Fans des Anspruchsvollen gefallen wird. Mainstream-Fanatiker werden ihre liebe Müh damit haben, Gefallen daran zu finden. Wenn man Zeit und Geduld hat, kommt "Der Gejagte" gerade recht, der ein schlechtes Gefühl hinterlässt und zu denken gibt. 9,5/10 Punkte