Review

Fällt der Name Clive Barker im Zusammenhang mit einem Horrorfilm, dann erwartet man immer noch etwas Besonderes.
Der Autor, der sich schon lange vom Horror weg und zu weitschweifiger Fantasy hin bewegt hat, blieb stets als Erschaffer harten, urbanen Horrors in Erinnerung und anders als Stephen King hat er sich nie im kollektiven Bewußtsein als Gruselonkel totgelaufen.
Das liegt nicht zuletzt an der relativen Unverfilmbarkeit seiner Werke, seien es nun Romane oder erweiterte Kurzgeschichten, die er überwiegend in seinen "Büchern des Blutes" zusammengefaßt hat: sechs Bände, die menschliche Psychen nach Abgründen durchleuchteten, um hinter der Fassade unserer modernen, urbanen Welt etwas Archaisches, Monströses, Deformiertes freizulegen. Das Böse waren selten faßbare Figuren, Dämonen, es waren die Menschen in den Geschichten, ihre Wünsche, ihre Träume. Und das Abstruse, der Abgrund, das Monströse, auf das sie reagieren mußten, wenn sie ihm ausgesetzt waren.

Eine Weile spielte man mit Barkers Vorlagen, aber nur selten wurde etwas so brauchbar auf Film transponiert wie in "Candyman" oder "Hellraiser", meistens litt die Vorlage unter der Banalisierung durch ein schlüssiges Skript ("Lord of Illusions"). Wirkliche Nieten waren fast nie darunter, aber bis zum Anspruch war es immer noch ein gewaltiges Stück.
Insofern also praktisch ein Wunder, daß sich jemand an "Midnight Meat Train" versucht hat, einer wirklich aufs Fleisch reduzierten Geschichte rund um einen U-Bahn-Reisenden, der dort in einem Spätzug einem Massenmörder begegnet, der die Passagiere in abgelegenen Tunnel hinschlachtet, um sie sehr, sehr, sehr alten Wesenheiten unter der Stadt zum Opfer zu bringen und zu dessen Nachfolger wird.

Der Plot der Kurzgeschichte genügt faktisch für eine Kurzepisode einer Anthologieserie, doch die viehische Brutalität des Beschriebenen machte so ein Vorhaben illusorisch. Aber ist die Zuschauerschaft jetzt bereit für einen echten, einen ausgebauten Neuanlauf?
Nur bedingt, denn wenn sich auch die Vorlage Barkers in Ryuhei Kitamuras ("Versus", "Azumi") Film fast komplett wiederfindet, genügt das komplette Werk noch lange nicht Barkers Ansprüchen.
Verwässerung ist auch hier das Stichwort, denn was Jeff Buhler eingefallen ist, um den Stoff etwas zugänglicher zu machen, ist vor allem Backstory, Backstory, Backstory. Vorzugsweise im Falle des Hauptdarstellers, Bradley Cooper, der zuvor eher das journalistische Ungeschick in "Alias" portraitiert hatte. Der ist nun hier Fotograf und hofft auf eine große Ausstellung, wozu er aber der Galeristin (Brooke Shields in einem Bitpart, bei dem ihr der Restfilm offenbar verschwiegen wurde) aber etwas Knalliges, Urbanes bieten soll, voll draufhalten, Spannung erzeugen, das Rohe hinter der Fassade in den Fokus rücken. Das alles ist tatsächlich irgendwie "Barker", wird aber schon bald aus den Augen verloren, sobald Coopers' Leon auf die Spur des tagsüber als Schlachter arbeitenden Killers kommt.
Von da an ist zwar immer irgendwas los auf der Leinwand, entwickelt sich aber nicht zur kohärenten Masse.
Leon wird zunehmend besessener - aus einem vagen Verdacht heraus - und benimmt sich immer irrationaler, bringt sich in Gefahr, spioniert, während seine Verlobte Maya (Leslie Bibb in einer entzaubernd überflüssigen Dehnrolle) nur sorgenvoll schauen, jammern und heulen kann. Zwischendurch wird das mit extrem harten Mordsequenzen garniert, wenn Killer Mahogany (Vinnie Jones kultiviert wieder mal sein Image als brutalster Schläger unter den aufrecht Gehenden) in der U-Bahn zum Fleischerhammer greift und in Verbindung mit ungefähr 300 Litern CGI-Filmblut aufs Brachialste gemeuchelt wird, inclusive kleiner POV-Shots der Opfer, denen etwa schon die Rübe vom Hals geschlagen wurde. Prost!

Ein besonderes Talent zum Spannungsaufbau kann man dabei Kitamura leider nicht nachsagen, dazu passen die verschiedenen Story-Elemente auch viel zu wenig zusammen. Leon bleibt genauso ein rätselhaftes Chiffre wie der vor sich hin mutierende Mahogany. Der urbane Horror der stählernen Schlachthausbahn in den abgelegenen Tunneln der Unterwelt bleibt bestenfalls vage, als Leon endlich ins Visier des Killers gerät, wirft man dem Zuschauer dann sogar schon flüchtige Momente der Brocken hin, die hinter der Chose stecken.
Jedoch: eine entsprechende Steigerung findet nicht statt, anstatt alles auf einen Höhepunkt, eine Enthüllung, eine Präsentation der uralten Gottheiten von unter der Stadt hinzuarbeiten, ergeht sich das Drehbuch in martialischem Gekloppe, das vor allem den Gore-Fans Freude bereiten wird, die Mythologie jedoch wird vernachlässigt.
Das geht so lange, bis man nicht nur die finale Pointe bereits winken sieht, sondern das Abtauchen der Hauptdarsteller in den Morast des Wahnsinns herbeisehnt, damit die banale Beziehungsstoryline und die unterentwickelte Verschwörungsstory nebenbei endlich verenden.

Von urbanem Horror leider nur wenig zu sehen - Kitamura spielt zwar ausgiebig mit der Kamera und den Computereffekten, umkreist von allen Seiten den rasenden Wagen, Atmosphäre erschafft er aber nur in überschaubaren Ausmaßen, wo man das Brodeln unter der Oberfläche, die beidseitige Verdorbenheit, die menschliche Kälte, die Verlassenheit, die finale Reise des Verlorenen hätte spüren müssen. Der Film endet, wie auch die Geschichte endet, doch was bei Barker folgerichtig und doch erschreckend, kommt hier wie aus dem Hut gezogen und nicht im Mindesten sättigend, wenn sich zwei Männer auf einer Halde voller Menschenknochen kloppen und wir eigentlich nur auf ein paar Details der dahinterstehenden Führungsetage scharf sind.
Cooper hat dieser Film (anders als etwa "Hangover") wenig genützt, er ist zu unbewegt, zu durchschnittlich, zu beliebig, um sympathisch zu sein und Bibbs Figur Maya ist zu klischeehaft gezeichnet. So lassen einen die Hauptfiguren kalt, allenfalls das ergänzende Opfer (Roger Bart hat immerhin eine individuelle Präsenz) cum Freund läßt den Zuschauer etwas mitfühlen ob seines grausamen Schicksals.

So findet sich die "short story" also endlich auf Film gebannt, die Essenz jedoch wurde wieder zu sehr verdünnt, um mehr als einen passablen, wenn auch sehr graphischen Slasher daraus zu destillieren und das sollte eben dann doch eher ein Nebeneffekt sein, nicht die Hauptsache in einem bizarr anmutenden Treiben, das den Zuschauer hier eher abstößt, als ihn zu entsetzen. (6/10)

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