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Ach, wie sich die Zeiten ändern.
„Ealing Studios“ leuchtet dem Zuschauer vor dem Film das Produktionsfirmenlogo entgegen und der geneigte Filmfreund muß an die glorreichen Zeiten des britischen Films der 40er und 50er denken, als „Ealing“ ein Markenzeichen für feine Komödien und Dramen war, die bis heute nicht vergessen, nicht zuletzt dank der aufopfernden Mitarbeit eines Schauspielers vom Range Sir Alec Guinness, der in Klassikern wie „Adel verpflichtet“, „Einmal Millionär sein“, „Der Mann im weißen Anzug“ oder „The Ladykillers“ seine großartige Reputation erwarb.
Ende der 50er schloß „Ealing“ seine Studiotüren für immer und wurde erst im neuen Jahrhundert neu eröffnet – und ist nun verantwortlich für ein Remake oder doch besser eine Neuinterpretation von „The Belles of St.Trinian’s“, einer leichtgewichtigen Komödie über die gewitzten und unberechenbaren Schülerinnen einer Mädchenschule, die von Alastair Sim, einem der Größen der Schauspielkunst in der Rolle der Millicent Fritton, ihres Zeichens Rektorin, geleitet wird. „The Belles...“ war so erfolgreich, daß bis 1980 vier weitere Filme über die Schule folgten – doch die Zeiten von Hanni und Nanni und hintergründigen Rebellinnen in kurzen Röcken sind vorbei.

Das beweist Oliver Parkers und Barnaby Thompsons „St.Trinians“ von Szene 1 an: heutzutage ist es kein hintergründiger Witz mehr – heute herrscht nackte Anarchie.
St.Trinians ist auch heute noch in argen Finanznöten, aber die Schule sieht aus, als würden seit Jahren Obdachlose darin Parties feiern, die Schülerinnen sind an Bildung überhaupt nicht mehr interessiert, sondern gehen anderen, einträglicheren Interessen nach, wenn sie in ihren Jugendgruppierungen sich nicht gegenseitig bekämpfen.
Alle sind hier versammelt, die Tussis, die Bitches, die Emos, die Streber – und jeder trägt sein Scherflein zum persönlichen Erfahrungsgewinn bei, seien es nun Wetten, das Umlackieren geklauter Autos, die Drogenproduktion oder die Herstellung selbstgebrannten Wodkas, ganz zu schweigen von Sprengstoff.
Und in dieses anarchische, bedrohliche Chaos gerät stellvertretend für den Zuschauer eine Neue, die noch ganz wohlerzogen tut, zurückhaltend und ein wenig elitär – doch so etwas ändert sich meistens.

„St.Trinians“ ist wohl in erster Linie als Gegenentwurf zur ach so beliebten, modernen High School-Komödie zu verstehen, die schon seit Jahren totgelaufen ist. Wo sonst Blondbrötchen, Loser und Muskelprotze das übliche Tralala rund um Swimming Pools, Strandpartys und Jungfernhäutchen veranstalten, wird hier das Salz der Erde aktiviert, oder anders gesagt, der Rotz der Gesellschaft – und er hat Spaß daran.

Thompson und Parker lassen hier eine wildgewordene Freakparade von der Kette, die ebenfalls beträchtlichen Schauwert hat, aber eben abgesehen vom eher konventionellen Grundplot nicht das Übliche bedient, sondern sich in kurzen Szenen und Vignetten relativ bösartig gibt. Natürlich ist das alles nur Schein, aber es sorgt für einen gewissen neuen Geschmack im alten Kaugummi.

Was die Erwachsenen angeht, so hat man sich halbwegs an die Vorlage gehalten, denn Miss Fritton wird immer noch von einem Mann gespielt und Rupert Everett hat offensichtlich einen Heidenspaß daran, im Fummel und als windiger Playboy gleich zwei Rollen in diesem Eintopf zu spielen, wobei er dezent übertreibt.
Das ist auch nötig, denn als Gegenspieler im Bildungsministerrang hat er den immersteifen (nicht sexuell gemeint) Colin Firth als alte Liebe.
Ansonsten laufen reichlich Initierungsriten ab und als die Schule geschlossen werden soll, reißen sich die Mädels zusammen und planen einen Kunstraub, perfekt kombiniert mit einem Beschiss-Sieg bei einem landesweiten Schulquiz.

Das ist natürlich fast schon zu konventionell und abgedroschen, aber hier geht’s auch in erster Linie um Schauwerte und Kuriositäten, d.h. um Gegensätze die sich anziehen und abstoßen, um hochintelligente Zwillingen im Kinderalter, um laszive Vamps als Vertrauensschülerinnen, um make-up-schwere und endlos gepiercte Softgothics und jede Menge Strapse.
Die Sau wird einfach von der Kette gelassen und dann schauen alle zu, wohin sie läuft – da wundert man sich kaum noch, daß ein so gestandener Mime und Autor wie der endlos knuddelige Stephen Fry einen exaltierten Showmaster auf Drogen gibt.

Natürlich ist „St.Trinians“ nicht perfekte Komödienunterhaltung, im Gegenteil. Der Ton ist ruppig, niemanden kann man so richtig ins Herz schließen, der Schnitt ist immer sketchhaft und abrupt und ein richtiger Fluß will sich nicht einstellen. Dafür rockt aber wenigstens der Soundtrack ordentlich und das knallbunte Treiben hält einen bei der Stange – wenn man denn so will.

Entscheidend dabei ist, ob man die ausgelutschten Dödel- und Spermakomödien vielleicht mal endgültig über hat, denn so geschmacksabgründig wie Samen im Bier ist hier dann doch nichts – das hat man nicht nötig, denn bei allem Punk haben die Briten trotzdem noch einen Stil, den die Amis eben nicht haben, die für einen Joke alles tun würden.
Falls man also zu jenen gehört, denen die Knackeschönen im knappen Bikini endlich mal zum Hals raushängen und Minirock und Netzstrümpfe mal eine attraktive Abwechslung bieten, dann nehme man diesen Film bitte nur in leichter oder schon ausgelassener Partylaune (keine braven Deutschrockpartys natürlich) mit etwas Alkohol ein und bringe sich so munter in Fahrt.
Allen anderen gebe ich recht, daß der Quark überhaupt keinen Sinn macht oder vollkommen übertrieben und der Witz dabei sehr speziell ist. Aber die Amis bilden ja auch nicht gerade die Realität ab. Bitte anstrapsen, es geht los! (6,5/10)

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