In 2002, dem Jahr der CIA-Filme, bildet „Spy Game“ neben „Der Anschlag“, „Bad Company“ und „Die Bourne Identität“ zwar nicht den besten, aber auch nicht den schlechtesten Vertreter dieser insgesamt sehr gelungenen Welle.
Einige internationale Sanitäter sollen in einem chinesischen Gefängnis Impfungen vornehmen, unter ihnen auch Tom Bishop (Brad Pitt). Doch Bishop ist in Wirklichkeit ein CIA-Agent, der zuerst seinen Tod vortäuscht und dabei den Strom des Gefängnisses abstellt, um unerkannt eine Gefangene retten zu können. Doch in letzter Sekunde fliegt seine Tarnung auf und er wird geschnappt. Der Auftakt bietet zwar keine Toten, kein fliegendes Blei und keine Action, aber trotzdem gestaltet Tony Scott ihn sehr fesselnd und spannend, als nervenzerrenden Wettlauf gegen die Zeit.
Derweil will Nathan Muir (Robert Redford) im CIA-Hauptquartier bloß noch seinen letzten Tag rumkriegen, als er von Bishops Gefangennahme erfährt. Da er dessen früherer Mentor war, soll er einer Kommission Informationen über seinen ehemaligen Schützling liefern. Diese überlegt, ob sich die USA zu ihrem Agenten bekennen soll, da Bishops ungenehmigte Aktion Verhandlungen mit China gefährdet. Schon hier kann „Spy Game“ mit cleveren Tricks punkten, denn Robert Redford gibt Muir unheimlich schlitzohrig. Bestes Beispiel ist bereits die Szene, in der er Akten über Bishop verschwinden lässt, um auch ja in das Meeting eingebunden zu werden.
Muir muss vor der Kommission Bishops Werdegang wiedergeben und sieht bald, dass man sich wohl von diesem distanzieren will. So beginnt er eine eigene Recherche während des Meetings und versucht herauszufinden, wen Bishop befreien wollte und wie er ihm helfen kann. Doch gleichzeitig kann er sich nicht allzu lange aus dem Meeting entfernen und zu allem Überfluss soll Bishop in 24 Stunden hingerichtet werden...
Die Geschichte über diese Art Büro- und Verhandlungskrieg ist ziemlich spannend geraten und wird zudem immer noch durch die ausufernden Rückblenden unterbrochen. Diese erklären die Beziehungen zwischen Muir und Bishop ausführlicher und liefern interessante Informationen zu der eigentlichen Hintergrundgeschichte. Vor allem die raffinierte Art Muirs, sich gegen seine Kollegen zu behaupten und nach außen immer noch seine Fassade zu wahren, erzeugt Spannung. Längen gibt es eigentliche keine, auch wenn der Film auf große Schauwerte verzichtet, stattdessen den Nervenkrieg der Winkelzüge und kleinen Gesten in den Mittelpunkt stellt, in dem der alte Hase gegen den restlichen CIA-Apparat antritt.
Für Eye Candy sorgen vor allem die Rückblenden, die im Gegensatz zum zeitlich und räumlich begrenzten Hauptgeschehen stehen, die große Zeiträume umspannen und den Zuschauer in verschiedene Länder entführen. „Spy Game“ zeigt hier verschiedene Operationen Muirs und Bishops, bei denen auch kurze Verfolgungsjagden oder kleinere Schießereien zu sehen sind. Doch wirklich ausladende Action gibt es in „Spy Game“ nicht; Genrefans sollten bei dem Namen Tony Scott also nicht in falsche Vorstellungen verfallen. Doch auch aus Tony Scotts souveräner Machart zieht „Spy Game“ einen besonderen Anreiz, denn Scott kann mal wieder mit seiner genialen Optik punkten (allein die Kamerafahrt um das Dach in Berlin ist ein Traum).
Etwas beklemmend wirken die realistischen Szenen, in denen sich „Spy Game“ mit Terrorismus beschäftigt. Denn da die ausgiebigste Rückblende in Beirut zu der Zeit spielt, als dort der Terror seinen Höhepunkt erreicht hat, sind derartige Momente auch recht oft vertreten, was dem Film nach dem 11. September einige, kleine Probleme bereitete. Allerdings ist die Darstellung des Terrors hier sehr viel weniger beklemmend als in Filmen wie z.B. „Einsame Entscheidung“. Andrerseits zeigt sich das Verständnis von Geheimdienstarbeit schon im Titel des Films: Als Spiel, in denen Kontakte nur Figuren sind, die man notfalls fallen lässt und dass Muir nahezu perfekt spielt. Hin und wieder verweist der Film dabei auf die dunkle Seite dieses Spiels, gerade wenn Bishop sichtlich Probleme hat Informanten einfach fallen zu lassen; allzu sehr in die Tiefe geht „Spy Game“ dabei freilich nicht.
Robert Redford und Brad Pitt geben ein überzeugendes Leinwandteam ab, dem man die Beziehungen der Figuren untereinander sofort abkauft. Dabei harmonieren Redford als alter Fuchs und Pitt als junges Talent nicht nur als Sexsymbole verschiedener Generationen, sondern interpretieren ihre vom Drehbuch nicht unbedingt üppig gezeichneten Figuren gelungen. Ebenfalls überzeugen können aber auch die Leistungen der Nebendarsteller, die allesamt punkten können. Dabei entfällt der Löwenanteil auf Newcomerin Catherine McCormack, die sich gut schlägt; in weiteren Rollen hat sind Charlotte Rampling und David Hemmings kurz als Kontakte und Kollegen Muirs zu sehen.
„Spy Game“ ist ein spannender CIA-Thriller ohne viel Action, aber mit toller Optik. Auch wenn er stellenweise etwas unspektakulär ist und nicht wirklich in die Tiefe geht, können Fans von Tony Scotts Filmen unbekümmert zugreifen: Temporeich erzählt und souverän inszeniert sorgt vor allem das Katz-und-Maus-Spiel im CIA-Hauptquartier in Langley für kurzweilige Thrillerunterhaltung.