Tony Scott gehört ganz klar in meine Regie-Top-10 (an dessen Spitze sich übrigens Bruder Ridley zusammen mit Michael Mann herumtreibt). Doch während seine ersten Actionfilme „Top Gun“, „Days of Thunder“ oder „The Last Boy Scout” fast anstandslos zu gefallen wissen und zum Teil auch Filmgeschichte schrieben, enttäuschten seine jüngeren Werke. Weder „The Fan“, noch „Enemy of the State” und auch „Spy Game” konnten zeugten von alter Klasse. Mag daran liegen, dass Scott sich von den reinen Actionfilmen abwandte und Richtung Thriller tendierte. Sein erster Versuch „Crimson Tide“ funktionierte ja auch vorzüglich.
Nun ist Tony Scott , im Gegensatz zu Ridley, aber kein sonderlich guter Erzähler und inszeniert regelmäßig style over substance. Das fällt bei Actionfilmen nicht sonderlich ins Gewicht, bei diesem hier vorliegenden Agententhriller werden ihm seine Grenzen jedoch deutlich aufgezeigt.
„Spy Game“ ist optisch zunächst typisch Tony Scott. Atemberaubende Kamerafahrten, temporeiche Musik, grobkörnige Optik, schnelle Schnitte, eine hohe Schnittfrequenz, Farbfilter, ausgebleichte Bildkompositionen, Fast-Motion und ein rasanter Score von Harry Gregson-Williams („The Rundown“, „Man on Fire“) geben sich hier ein Stelldichein. Das ist ein Fest für die Sinne, lenkt aber zu oft vom Geschehen ab. Ein Problem das sein aktueller und endlich wieder Klasse besitzender „Man on Fire“ übrigens auch hat, dort allerdings nicht so negativ zum Tragen kommt, weil die Story dort ungleich nachvollziehbarer ist. Die Behauptung, Scott möchte mit dieser stylishen, rasanten Inszenierung vor von seinen narrativen Schwächen ablenken, ist mit Sicherheit nicht ganz falsch. Ein fachgerechter, spannend erzählter und vor allem thrillender Beitrag hätte so einen Overkill jedenfalls nicht nötig.
Grundlegend bietet die Prämisse dabei genug Zündstoff, um die Lunte hier zwei Stunden brennen zu lassen. Der scheidende, hochrangige C.I.A. – Agent Nathan D. Muir (Robert Redford, „Brubaker“, „The Horse Whisperer“) muss an seinem letzten Tag eine Hiobsbotschaft in Empfang nehmen. Sein einstiger Schüler und Ziehsohn Tom Bishop (Brad Pitt, „Fight Club“, „Ocean's Eleven“) wurde in einem chinesischen Gefängnis verhaftet, der Spionage bezichtigt und wartet nun auf sein Todesurteil, das in 24 Stunden vollstreckt werden soll. Damit er nicht zum politischen Bauernopfer verkommt, muss Muir noch einmal seine ganze Raffinesse und Erfahrung in die Wagschale werfen. Dumm nur, dass schon die eigenen Kollegen Munition gegen ihn sammeln.
Dieser schlitzohrige, alle möglichen Kontakte spielen lassende und zum Schluss die Kollegen mit verblüffenden Gesichtern am Operationstisch lassende Muir ist eigentlich das Interessanteste am ganzen Film und wird trotzdem sträflich vernachlässigt. Die Szenen in denen er einen Drahtseilakt durchführt und sich gewitzt aus der Enge manövriert, sind die besten der knapp zwei Stunden – für Scott leider jedoch nur zweitrangig.
Stattdessen regieren in „Spy Game“ zig Rückblicke verschiedener Schauplätze und Dekaden in denen Muir und Bishop als Außendienstler ihrem Job nachgingen. Das beginnt mit Bishops Anwerbung während des Vietnamkriegs, geht über den Ost-West-Konflikt im Brandherd Berlin und schließt dann schließlich in Beirut mit einem manipulierten Attentat auf einen Terrorfürsten ab. Außer einiger interessanter C.I.A- Methoden zu den Themen Werben und Ausbilden haben diese Rückblenden aber keinerlei Informationen zu verraten. Das Verhältnis der beiden bleibt unterkühlt und Brad Pitt ist in seiner Rolle chronisch unterfordert. Die Charakterisierung seiner Figur beschränkt sich auf rebellisch und jähzornig, ist aber nicht weiter wichtig, weil Pitt zum Schluss nur sein verbeultes Gesicht in die Kamera halten muss.
„Spy Game“ ist mit Sicherheit kein Totalausfall, nur wenn ich auf der Lauer liegende, schussbereite Sniper in Vietnam sehe, die dann vor einem Helikopter flüchten und sich mit ihm duellieren, passt das nicht unbedingt in einen Spionagethriller – wohl aber in einen Tony Scott-Film. An dem Beispiel wird dann auch die Diskrepanz zwischen Regisseur und Film deutlich. Scott verlässt sich oder muss sich auf seine inszenatorischen Künste verlassen. Die sind zwar oho, passen aber nicht in das hier eigentlich anvisierte Genre. Wenig packend, nur episodenhaft spannend und einfach zu selten auf den Punkt kommend – das ist „Spy Game“. Die historischen Operationen und darin vorkommenden Methoden der C.I.A. sind dabei nur eine nette Dreingabe.
Robert Redford, umgeben von jüngeren, geschniegelten Kollegen und eingefangen von einer modernen Inszenierung, ist hier so etwas wie ein lebender Anachronismus und damit genau der ruhende Pol, den der hektische Film so benötigt. Mit seiner nuancierten Darstellung rettet der abgeklärte Haudegen hier so einige Szenen und kann sich letztlich bequem zurücklehnen. „Ich hab’s noch mal allen gezeigt“ und zwar gleich in zweierlei Hinsicht – als Nathan D. Muir und Robert Redford.
Fazit:
Visuell anstrengender Spionagethriller, der seinerzeit an den Kinokassen wegen der immer noch präsenten Erinnerungen an den Anschlag auf das World Trade Center zu kämpfen hatte, aber auch neutral gesehen nie der große Wurf gewesen wäre. Regisseur Tony Scott war einfach nicht der richtige Mann für einen Streifen dieser Komplexität. So bleibt ein enttäuschender, kaum seine beste Idee fokussierender Streifen, der sich in Rückblenden aufreibt. Der unterforderte Brad Pitt ist hier nicht mehr als eine Nebenfigur, während Robert Redford nichts von seiner Klasse schuldig bleibt.