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Den Plot von Die Hard (1988) auch nur kurz zu skizzieren, hieße Eulen nach Athen zu tragen. So bekannt ist die Geschichte um den New Yorker Polizisten, John McClane (Bruce Willis), der in einem Hochhaus als einzig wirksame Verteidigungslinie zwischen einer Gruppe brutaler Räuber und ihrer Geiseln steht. Doch weshalb führte die Rezeption gerade dieses Filmes zu solch unwidersprochenen Einigkeit über seine enorme Bedeutung, die scheinbar ein ganzes Genre neu erfand. Die etwas abgedroschene und nur vermeintlich richtigen These, dass mit John McClane der erste „verletzliche" Actionheld geboren wurde, lässt sich schnell u.a. durch Peckinpahs versifft zynische Antihelden schnell entkräften. Auch ein Blick auf die früheren Western, sei es High Noon (1952) oder Shane (1953) - die Regisseur John McTiernan hier auch fleißig zitiert - lassen diesen Figurentypus keineswegs als Neuerscheinung durchgehen. Doch letztlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass Die Hard zu Zeiten in den Kinos anlief und triumphierte, als das Actionkino noch dominiert wurde von fetischisiert inszenierten unbezwingbaren Muskelbergen. So traf man hier nicht nur durch den spannenden Plot einen Nerv beim Publikum, sondern reagierte auf dessen Übersättigung von eingeölten Männerkörpern und deren zur Schau getragenen grotesken Maskulinität mit einem vergleichsweise physisch normal gebauten und vulnerablen Actionhelden mit Alltags- bzw. Eheproblemen. Doch ist es wohl zu kurz gegriffen, diese dem Zeitgeist geschuldeten Umstände, zum alleinigen Grund seiner ungebrochenen Beliebtheit und Bedeutung zu erklären. Zunächst fällt auf, dass Die Hard, gleichwohl er zum innbegriff des orgiastischen Actiongenres einer ganzen Dekade wurde, weite Teile gänzlich ohne diese auskommt und tatsächlich erst im letzten Drittel, die dafür typischen Erkennungsmerkmale - Explosionen, Tempo und halsbrecherische Stunts - zelebriert. Die erste Hälfte nimmt vielmehr die Form eines Psychothrillers an. Bloßfüßig, im Unterhemd kriecht unser Protagonist durch Lüftungs- und Aufzugsschächte um den, ihn umgebenden und haushoch überlegenen Gangstern zu entrinnen. Erst in letzter Konsequenz, wenn es kein Versteck mehr gibt, er ertappt wurde, kommt es zu den unvermeidlichen Konfrontationen, den gewalttätigen Entladungen, der zuvor aufgebauten (An-)Spannung. Dabei folgt der Film einer bestechenden Logik der Gewalt: Die erste Gegenüberstellung zwischen McClane und einem der Gangster wird noch als roher Faustkampf ausgetragen. Systematisch schaukelt sich von da an die Wahl der Waffen zu immer zerstörerischen Exemplaren hoch. Nun folgt auf die bloßen Hände eine Beretta, anschließend eine Maschinenpistole und letztlich kulminiert alles in der Zerstörung der obersten Etagen des Hochhauses mitsamt einem darüber kreisenden Hubschrauber. Diese Verzahnung eines klaustrophobischen Psychothrillers mit gut getimten Momenten eskalierender Gewalt und Zerstörung sorgen mitunter dafür, dass das Interesse des Zuschauers stets aufrecht erhalten bleibt und sich Spannung entwickelt.

Um den heroischen Protagonisten und sein Verhältnis zu seinem Umfeld entwickelte sich im Laufe der Rezeptionsjahre, eine vielleicht überzogene, letztlich aber plausible Kritik um das ideologische Bild des Filmes. Großteils arbeitete man sich an dem transportiert konservativen Weltbild des Filmes bzw. dessen Prämisse ab. McClane wird vor allem zu Beginn als eine, an den neuen Anforderungen und Umstellungen der modernen Welt, hoffnungslos überforderte Person charakterisiert. So wirkt der Subplot von Die Hard wie ein Ausbund an Verlustängsten einer weißen, männlichen Mittelschicht, die auch gegenwärtig kaum an Relevanz eingebüßt hat. Sei es die neue, digitale, Technologie, die McClane in der Eintrittshalle des Nakatomi-Towers nur zu verständnislosem Staunen veranlasst, seine nicht nur von ihm emanzipierte Noch-Ehefrau, Holly (Bonnie Bedelia) oder der wirtschaftliche Aufstieg des einstigen militärischen Feindes, repräsentiert durch den japanischen Konzernchef Yoshinobu Takagi (James Shigeta) und, noch bedrohlicher, durch den sich kultiviert gebenden und eiskalten deutschen Hans Gruber (Alan Rickman) und seine globalisiert vernetzten Yuppiegauner.

So nachvollziehbar diese Kritik an diesem leicht wehleidigen Männerbild ist, vermag es der Qualität des Filmes nur vermeintlich zu schaden, zumal der Film selbst mit mancher Anspielung - etwa die häufig eingestreuten Westernreferenzen - den romantischen Konservativismus der eigenen Hauptfigur ironisch bricht. Die Unangepasstheit des Protagonisten, sein vielleicht altmodisches Weltbild scheint die größte Stärke des Drehbuches zu sein. So ist er doch der einzige, der den Gangstern und dem fahrlässigen FBI, gerade weil er aus dem Rahmen fällt und unberechenbar bleibt, etwas entgegenzusetzen hat. Seine unorthodoxen, oft rohen, Methoden durchkreuzen die wohlfeilen Pläne und Strategien der Gangster, deren größte Stärke die Berechenbarkeit ihrer Gegner (FBI, Polizei) ist. So ist diese oft als reaktionär kritisierte Rückschrittlichkeit von McClane nicht nur einfach seiner Charakterisierung geschuldet, sondern ist ein wesentlicher Bestandteil für die Plausibilität der Narration. Tatsächlich verzichtbar ist nur das völlig überzogene „Happy"-End, indem die zuvor noch abtrünnige Ehegattin sich nun völlig ergeben und verheult an die zerschundene Brust ihres Mannes drückt und damit jeden zuvor noch erkennbaren emanzipativen Geist einer starken Frauenfigur vermissen lässt.

Die perfekte Abstimmung aus beklemmenden Thriller, der sich durch eine geschickt inszenierte Räumlichkeit und mitunter längere Dialogpassagen auszeichnet und unmittelbaren und ebenso bedrohlichen Actionelementen, macht aus Die Hard auch heute noch einen viel zitierten und ungemein einflussreichen Film, dessen Qualität dennoch nur sehr selten erreicht wird. Die hier vorbildlich inszenierte Verbindung von ausreichend charakterisierten Protagonisten wie Antagonisten, einem überschaubaren, fast beengenden Setting, nachvollzierbarer Spannung und daraus kulminierende furiose wie schmerzhafte Action- und Gewaltszenen, haben den Film tatsächlich zu einer Art Blaupause des Genres werden lassen. Das Unvermögen oder schlicht Unverständnis diesem Schema erneut gerecht zu werden, zeigen neben einigen Fortsetzungen vor allem die unzähligen Epigonen, die oft nur die Prämisse leicht variiert wiederholten, aber alles andere was Die Hard so großartig machte vermissen ließen.

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