Review

"Die Hard" als Mutter aller Actionfilme zu bezeichnen, wäre natürlich falsch, hatte das Genre 1988 doch schon ein respektables Sammelsorium unterschiedlichster Werke vorzuweisen. Denoch ist McTiernans Film für mich das Maß aller Dinge, wenn es um Genrekost geht.

Das liegt vor allem daran, dass "Stirb Langsam" nahezu am Ende der Hochphase harter US-Action steht und Genrespezifikationen variiert, so dass zwischen Filmen wie "Commando", der nur zwei oder drei Jahre zuvor Action-Star Schwarzenegger über die Leinwand ballern ließ, und John McTiernans Klassiker gefühlte Welten liegen.

Das liegt besonders an einer anders gestalteten Heldenfigur, die hier zwar ihren Mann steht und im Alleingang eine Gangsterbande ausschaltet und sich dabei noch gegen die unfähige Polizei durchsetzen muss, aber dennoch ein Allerweltstyp ist. Der Working-Class-Hero also. Kein hochgezüchteter Vietnamkämpfer wie John Rambo, kein anabolischer Killerroboter wie der Terminator und schon gar kein B-Waren-Sympathieträger à la Chuck McNorris.

Das überholte und stets zu machohafte Bild des Actionfilms der Achtziger wirkt heute albern und komisch, die Figuren sind mehr Witzfiguren und als solche beinahe schon Ikonen eines sich nach Stärke und Stabilität sehnenden Nordamerikas. Infantil und moralisch irgendwo zwischen sexueller Verklemmung und Gewaltverherrlichung zu verorten.

All dies trifft auf "Stirb Langsam" nur noch zum Teil zu. Der Held aus der Mitte der Gesellschaft zeichnet sich eben dadurch aus, dass er kein Übermensch ist. Er wirkt bedroht, verletzlich und es besteht die Gefahr, dass er den Kampf tatsächlich verliert. Natürlich stimmt das so nicht ganz, aber mit diesem Heldenbild spielt "Stirb Langsam" über weite Strecken und generiert seine meiste Spannung, und davon gibt es reichlich, aus dieser Besiegbarkeit seines Helden.

Dieser modernere Actionheld muss sich hier aber zunächst selbst als überholt erkennen, nachdem seine Beziehung an seinen veralteten und konversativen Vorstellungen der Geschlechterrollen gescheitert ist. Seine Frau arbeitet, verdient mehr als er und zieht in eine andere Stadt, wo sie dann auch noch ihren Mädchennamen wieder annimmt. Die Wiederentdeckung der gegenseitigen Liebe muss dann auch folglich mit einer beidseitigen Einsicht einhergehen, damit weder Frau noch Mann als Verlierer dastehen. John McClane rettet seiner Frau das Leben, indem er ihre Rolex, ein Geschenk für geleistete Arbeit, vom Handgelenk reißt. Angesichts eines Ehemanns, der prinzipientreu und gewitzt bis an seine Grenzen geht, um seine Frau zu retten, fällt diese ihm wieder zu. Dafür gesteht der Mann ein, dass er sich unfair verhalten hat, auch wenn er ihr dies nur indirekt mitteilt. Also wieder alles gut im Geschlechterwald der Achtziger, denn genau betrachtet bleibt der Mann der Held und Retter, die Frau die Schwache und Gerettete.

Die Verletztlichkeit des Helden, die im Film gegen Ende schon fast groteske Züge annimmt, ist neben der familiären Einbindung der wesentlichste Unterschied zu den bisher bekannten Helden des Blockbuster-Action-Kinos der Dekade. Barfuß und im Unterhemd, blutend, schmerzverzerrt schreiend - so konnte man sich Stallone und Schwarzenegger einfach nicht vorstellen. Dabei bleibt das Vorgehen dennoch immer cool - ein Weichei ist John McClane nicht. Eher im Gegenteil, denn durch seine geprüfte Leidensfähigkeit wirkt er eigentlich kompromissloser und härter als seine Kinokassenkonkurrenten. Der Mann ist konsequent opferbereit.

Ein Vorteil ist dabei seine gewitzte Art. Wie er die "Terroristen" ausspioniert, unter Druck setzt und letztlich besiegt, beinhaltet die gewissen Bauernschläue der Arbeiterklasse, die ihn somit auch erfolgreicher agieren lässt als das FBI oder den Leiter der Polizeibehörde.

Bruce Willis füllt diese Charaktereigenschaften perfekt aus, bzw. hat diese wohl auch entscheidend mitgeprägt. Diese Rolle war sein Durchbruch als Action- und Superstar in Hollywood und machte ihn zu einem der größten Kassenmagneten der späten Achtziger und Neunziger. Seine Darstellung des bodenständigen und renitenten Cops aus New York, der einfach immer zur falschen Zeit am falschen Ort ist, wirkt sympathisch, humorvoll und trotz aller Explosionen, Schießereien und Verstümmelungen irgendwie lebensnah. Auch wenn eine Liebesbeziehung neben seinem allgemeinen Pflichtgefühl und Berufsethos seine Hauptmotivation für sein Handeln ist, bleibt die Figur des John McClane eher entsexualisiert. Aber er ist es auf andere Weise als Rambo oder Matrix in "Commando". McClane ist so prinzipientreu, dass er trotz seiner Ausstrahlung auf Frauen entsagt. Er ist eben verheiratet und belächelt als New Yorker das freizügigere LA, wie die Flughafenszenen zeigen sollen. Verklemmt ist er aber nicht, wie ein kurzer, humorvoller Kommentar zur einem Kalendergirl an einer Wand zeigt. Dass Bruce Willis zu dieser Zeit für viele Frauen als Sexsymbol galt, lag wohl an der Mischung aus männlich physischer Stärke gepaart mit einer sexuellen Unnahbarkeit und einem verschwitzten und verdreckten Unterhemd. Das hatte es in dieser Kombination halt noch nicht gegeben.

Alan Rickman auf der Gegenseite als Hans Gruber (Herr Grrrruber hat noch einen Brrrruder) genießt erkennbar das Bösesein. Aus Sicht der Schauspieler sollen die Rollen der Bösewichte ja immer die spannenderen sein. Rickman scheint ein Vertreter dieser Ansicht zu sein.

Musik und Kamera bewegen sich auf Topniveau und schaffen eine klasse Atmosphäre, an die nie ein Nachfolger oder Klon heranreichen sollte. Besonders die Musik mit ihrem Grundthema, in das immer wieder bekannte Themen eingearbeitet werden ("Singing In The Rain", die amerikanische Nationalhymne oder natürlich auch immer wieder Beethovens fulminanater Abschluss der Neunten Symphonie), schafft es, dass "Stirb Langsam" über seine gesamte Spielzeit dicht an Stimmung bleibt. Die Weihnachtseinschläge bei der Instrumentierung mit Glocken, Schellen etc. tun ihr Übriges. Das wiederkehrende Thema erinnert teils stark an "Lethal Weapon", der sich als Actionfilm ähnlich lesen lässt und ähnliche Werte und Charakterbilder vermittelt wie "Die Hard". Michael Kamen, der für beide Filme komponierte, weiß wie es geht, ist aber auch anscheinend nicht allzu vielseitig.

Fazit

"Stirb Langsam" ist der vielleicht beste jemals gedrehte Actionfilm und stilprägend für das Genre. Drehbuch, Regie, Kamera, Musik, Schauspieler - alles ist nahezu perfekt ausgerichtet auf ein zweistündiges Erlebnis, das über Spannung, Ironie und Witz, Action und Atmosphäre in jeder Minute verfügt. Die Thrillerelemente tun dem Ganzen gut, ebenso die Figurenentwicklung, die zwar kurz aber interessant ausfällt.
Bei alldem darf man natürlich nicht vergessen, dass man es mit einem Actionfilm der Reagan-Ära zu tun hat. Als der Side-Kick-Cop am Ende seine Blockade überwindet und zu heroischer Musik seine Waffe endlich wieder abfeuern kann, stülpt sich nachträglich irgendwie ein unnötiger und etwas zynisch anmutender Kitsch über den Film, der bis dahin alles richtig gemacht hat.

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