Review

Der Brösel ist ein guter Beobachter. Er hat sein eigenes Leben bestens studiert, und genau darin ist das Erfolgsgeheimnis seines Kultproleten Werner zu finden.
So ist es nicht verwunderlich, dass die nordische Langnase mit Backenzähnen – zum einen Sanitär-Azubi, zum anderen Rocker – nichts weiter ist als das exaggerierte Alter Ego Rötger Feldmanns (Brösels). Jedem Comiczeichner dürfte bewusst sein, dass das Comiczeichnen an sich in der Regel nicht zum Leben reicht, so dass meistens noch ein Alternativleben gelebt wird. Wessen Anspruch es nun ist, einen Comic über das wahre Leben zu zeichnen, der zeichnet nicht selten über sich selbst. Matt Groening nahm seine eigene Familie als Vorbild (und behielt – mal von sich selbst abgesehen – sogar die Vornamen bei... welche Ironie, dass sein Vater Homer heißt und dem größten Comic-Dummkopf aller Zeiten nun ein Name anhaftet, der ursprünglich mit einem großen Dichter und Denker konnotiert wurde... aber ich schweife ab), Brösel seine Jugendzeit. Und das verhalf Werner, Eckat, Röhrich & Co. zum Erfolg, denn Millionen Deutsche fanden sich in den lustigen Geschichten wieder.

„Werner – Beinhart“ war schon ein kleines Phänomen, das ein wenig an den (bis zum „Schuh“) erfolgreichsten deutschen Film aller Zeiten, nämlich „Otto – Der Film“, erinnerte. Beide boten schließlich regionalen Nischenhumor. Hier der Ostfriese, da der Norddeutsche. Um so bemerkenswerter war der deutschlandweite Erfolg. Denn ungeachtet der dialektabhängigen Insider (Ich kööt üch uchen`s jett op Öcher Platt mulle, ävvel dat wööd er net verstoo!) sind die Grundstrukturen doch überall in Deutschland gleich. Ich stamme aus dem Südwesten Deutschlands, und mein Vater – von Beruf Fliesenleger – liebt die Geschichten um den Azubi Werner und seinen tüddeligen Chef Röhrich. Der wirklichkeitsgetreue Humor ist also adaptierbar auf ganz Deutschland.

Der Filmpremiere ging eine gewisse Anzahl an ziemlich erfolgreichen Comics voraus, die eine Mischung aus längeren Basis-Stories, kürzeren Comic-Strips und Ein-Bild-Pointen ausmachten, wobei letztere auch wegen des trashig-krakeligen Zeichenstils und des einfältigen Humors gewöhnungsbedürftig waren. Der Schwerpunkt lag hier normalerweise auf dem Freizeitleben Werners, das sich um ausufernde Bier-Strandparties, Kneipen-Zechprelle, Motorrad-Getüftel und Rollerfahrer-Plattmachen dreht. Die Kinofilme sollten sich, ähnlich wie die Asterix-Filme, aus zwei oder mehreren Basis-Stories aus den Comics zusammensetzen. Für das erste Leinwandabenteuer wählte man eine ausgewogene Mischung aus Lehrlingsgeschichten und Alkoholdelirien, wobei auf ersterem Part wohl der Fokus liegt. Dieser basiert auf dem meiner Meinung nach besten Werner-Comic „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, in dem es vor allem darum geht, wie Meister Röhrich sich immer wieder wortwörtlich in die Scheiße reitet und die Lehrlinge Werner und Eckat belustigt zusehen.
Die wichtigste Erkenntnis liegt nun darin, dass der Film es vermag, sich in seinen Comicsequenzen bei Humor und Lebensnähe über das bisweilen sehr platte und manchmal in die Fantasie abschweifende Comic-Gesamtwerk hinwegzusetzen. „Werner – Beinhart“ ist wie ein Best-Of, wie eine Quintessenz, wie die Pointe der Bildergeschichten.

Im Gedächtnis bleiben primär die schrägen, aber nicht wirklich abwegigen Figuren. Röhrich mit seiner Naivität, Besserwisserei und seiner drolligen Unbeholfenheit, seinem O-Mund und den in der Luft tanzenden Accessoires Brille und Zigarre; Eckat, Biernase und Wurstlippenbesitzer, dicker Lachsack und Kommentator aus dem Hintergrund; Werner, Mofa-Fahrer und Motorradwünscher, Stehaufmännchen und malträtierter Lehrling, der nur in seinem Privatleben respektiert wird. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, und jeder, der nur entfernt etwas mit dem Bau zu tun hat, wird die ein oder andere Persönlichkeit in einem Bekannten wiederfinden. Natürlich strotzt auch hier alles vor lauter Klischees, aber letztendlich sind auch Klischees nur die Kumulation wahrer Einzelfälle, und das merkt man hier. So bekannt einem alles vorkommt, so wahr ist es auch.

Die Geschichten fügen sich auch dem Realismus. Im Gegensatz zum Nachfolger „Das muss kesseln“ wirkt nichts an der Story zu abgehoben, alles bleibt nachvollziehbar. Dementsprechend wichtig ist auch das Zeichnen von Details. Wie schon im Comic wird darauf Acht gelegt, dass jede Schraube, jedes Metallrohr, jeder Arbeitsanzug den Vorgaben aus der Realität entspricht. Ausdrücke sind den Fachtermini entnommen, teilweise sogar dem Slang entlehnt, der innerhalb der Arbeitergemeinde verwendet wird. In der Konsequenz steht am Ende der Grundsatz „It`s funny because it`s true“.
Und wo der Realismus beim Fachsimpeln über Baustoffe schon so ausgeprägt ist, fehlt auch nicht mehr viel zum Fäkalhumor. Die Unverblümtheit breitet sich auf alle Lebensfelder aus, und bei jenem Fäkal- und Sexualhumor wird dann der Zoom ausgefahren. Nicht selten schwingt Röhrichs Dingeling durchs Bild, auch vor den Glocken der Krankenschwestern wird nicht Halt gemacht, ganz zu schweigen von der ziemlich graphischen Darstellung von Kot und sonstigem Innenleben der Toiletten. Eckat bringt es auf den Punkt: „Gas, Wasser, Scheisse“. Und dennoch hört sich das alles mehr nach Skandal an, als es wirklich ist, stets bleibt das Geschehen von aufrichtigem, unverstecktem Witz durchzogen, über den man herzaft lachen kann, ohne verschämten Blick auf den Sitznachbarn. Warum? Nun, es gehört zum Leben. Es ist der Alltag.

Zum Ende hin, bei der Träumerei im Krankenhaus und der anschließenden Paddelfahrt in einem Fluss aus Bier, wird es wieder etwas unrealistischer, aber dennoch stimmt die Chemie merkwürdigerweise im Gegensatz zu den eigentlich ja wieder eher an der Realität orientierten (weil ja auch teils selbst erlebten) Stories der Filme Nummer drei und vier. Vielleicht, weil auch das Generve der Krankenschwester (Licht an – Licht aus) jedem bekannt vorkommen dürfte, der mal längere Zeit im Krankenhaus verbracht hat.

Die Zeichentrickepisoden aus „Werner – Beinhart“ jedenfalls sind eine wahre Wonne. Nicht jeder wird mit dieser Art von Humor etwas anfangen können, schon gar nicht international, aber wer das Gezeigte aus dem eigenen Leben kennt, der kommt aus dem Lachen nicht mehr heraus und hat ständig ein „wie wahr, wie wahr“ auf den Lippen. Angereichert wird die bunte Suppe mit einer Idealbesetzung in der Synchronisation (vor allem bei Werner, der von Klaus von „Klaus und Klaus“ gesprochen wird) und dem deftigen Partysoundtrack von Torfrock.

Aber... was bitte soll der Rest? Grottig bis zum Umfallen, fällt einem da nur ein. Grottiger als die Großmutter meiner Uroma... das trifft zu auf die unglaublich debilen Realszenen, die als Zwischensequenzen dienen und die einzelnen Zeichentrickepisoden miteinander verbinden. Bei allem Respekt vor Rötger Feldmann, als Schauspieler ist er in tausend Jahren nicht zu gebrauchen. Da spielt er sich selbst bei seinen Problemen als Comiczeichner in einem Schulden-Geldhai-Fantasy-Filmpremierengewuschel, das man im Kopf nicht aushält. Ein Märchenonkel kommentiert aus dem Off die unsagbar schrottigen Fantasyszenen wie auch die schwachsinnigen Gedankenspiele bei der täglichen Zeichenarbeit. Der Auftraggeber wird zum Teufel hochstilisiert, dem mit dem fertigen Werner-Kinofilm das Maul gestopft wird. Gummigesicht Brösel bringt die Emotionen und den Stress hervor mit dem Talent einer Plastikplane. Das Film-im-Film-Konzept ist zwar gut gemeint, sollte man aber den Meistern des Faches vorbehalten. Fakt ist: da die unsäglichen Realszenen dem Film die Struktur verleihen, ziehen sie den Film als Gesamtwerk ganz deutlich herunter. Sind schon die Trickszenen nicht jedermanns Geschmack, gehen den zahlreichen Verteidigern der Werner-Abenteuer bei den real gedrehten Zwischensequenzen die Argumente aus.

Bei aller Liebe für die wundervollen, dem Leben direkt entliehenen Charaktere muss man den Film als Gesamtes betrachten. Und es ist nicht zu leugnen, dass hier ein fader Geschmack aufkommt. Ob das zu vermeiden gewesen wäre, kann man so allerdings nicht sagen. Überlegt man mal, ob die Trickepisoden auch ohne Stütze als 90-Minuten-Film funktioniert hätten, kann man die Frage nicht eindeutig beantworten. Die drei Nachfolger dokumentieren jedenfalls das Gegenteil.
Dennoch überwiegt die (Zeichentrick-)Qualität, deswegen leicht über dem Mittelwert:
6/10

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