Die Geschichte der Wirbelstürme ist eine Geschichte voller Mißverständnisse. Als Twister seinerzeit in die Kinos kam, da habe ich spontan gesagt, daß ich mir so einen Blödsinn nie ansehen werde. Damals hätte man beim Zappen auch diesen Film noch nicht mit einer Reality Show auf einem beliebigen Nachrichtensender verwechseln können. Sturmjäger? Sowas wurde nicht in die Medien gezurrt, um uns normal-bekloppten Bürgern vor Augen zu führen, daß wir doch relativ dicht an der Mitte der Gesellschaft leben.
Daß der Regisseur Jan de Bont mit Twister nicht nur mit freier Hand an seinen Erfolgsfilm über den Bus der nicht anhalten durfte anschließen wollte, sondern zwischen Das Porno-Haus von Amsterdam und Basic Instinct die Kamera gehalten hatte, war zumindest mir damals nicht bekannt. Einen herben Verlust befürchtete ich also nicht, als ich dieses Exempel des 90er Jahre Getose- und Katastrophenfilms, genauer vielleicht einem Initiationsfilm für diese Saison und außerdem der erste je auf DVD veröffentlichte Hollywoodstreifen, auslies. Dabei war das eigentlich sehr blöd.
In der Aufarbeitung meiner Bildungslücken habe ich mich brav auch einer Grabbeltisch-Variante von Twister gewidmet, der tatsächlich im Bereich der Handlung nicht viel zu bieten hat. Als Aufhänger gilt der Versuch des ehemaligen Tornadoforschers Bill Harding (Bill Paxton), im Beisein seiner neuen Liebschaft Melissa (Jami Gertz), endlich das Eheversprechen mit seiner Noch-Frau Jo (Helen Hunt) zu lösen. Diese hat jedoch wenig Ambitionen, die Scheidungspapiere zu unterschreiben, zumal die blöden Zufälle und in der Nähe befindliche Tornados – mit Gutheißung von Steven Spielbergs Amblin Entertainment wurden diese Twister von Industrial Light and Magic auf High End Level gebracht – stetig für Ablenkung sorgen.
Bill scheint sich doch nicht auf seine biedere Zukunft als Wetterfrosch im Fernsehen besinnen zu können. Zumindest kocht in ihm auf diesem Höllenritt wieder das Jagdfieber hoch. Mit proportional wachsendem Mißgefallen Melissas geht es in Twister schließlich nur noch darum, Meßgeräte innerhalb der mächtigsten Tornados zu platzieren.
So banal es klingen mag, aber der “Mist” funktioniert. Twister, das ist am wenigsten noch die Konstellation an durchaus eigenwilligen Nebenfiguren. Ganz groß geschrieben ist hier tatsächlich Action, Action und Action – wohlbemerkt ohne große Leichenberge und ohne daß man diese vermißt. Mit atemberaubenden Geschwindigkeit wird ein unaufhörlicher Abenteuerritt durch wirklich alles aufwirbelnde Windhosen auf einem Niveau abgefeiert, welches selbst heutigen Ansprüchen mühelos standhalten kann.
Es mag für Twister von Vorteil sein, Helen Hunt in ihrer beliebten Rolle als starke, selbstständige Frau zu mögen. Mit den Zuschauern bindet sie schließlich auch die Aufmerksamkeit Bills an sich. Die gemeinsame Basis ist entscheidend für die immer noch bestehende Nähe zwischen den Beiden, welche wie für einander bestimmt scheinen. Wie die beiden nun vom Winde verweht ihre Seelenverwandschaft wiederentdecken wächst die Spannung um die Identifikationsfiguren bei halsbrecherischen Manövern. Trefflich komponiert werden Szenen teils absurd anmutend nicht ohne Sinn für eine Pointe aufgelöst, so daß man Twister mit einem Slogen zusammengefaßt beschreiben kann: “Da fliegt die Kuh!”
Niemand wird ernsthaft auf die Nüchternheit in dieser Art von Produktion pochen. Natürlich ist diese Art von Abenteuerkino vollkommen sinnlos und Banane. Das Buch von Michael Crichton und Anne-Marie Martin bietet Twister sozusagen ausreichend Freiraum für absolut dekadente Geldverschwendung mit dem besten, was Hollywood-Unterhaltung 1996 bieten konnte. Und das ist auch gut so. Gefühl, Spaß und Thrill drängen die Außenwelt für knapp 2 Stunden in unerreichbare Ferne. Twister ist genau das Richtige um dem Alltag zu entfliehen und nach Feierabend oder durchgemachter Nacht bei ohnehin dröhnendem Schädel mit viel Getöse zu entspannen. Frei nach dem Motto “Let’s twist again” mag man dies sogar ab und zu wiederholen.