Großstadtidylle und Heilsvorstellung
Nun hat sich also Hollywood erneut an dem Science-Fiction-Klassiker "I am Legend" von Richard Matheson versucht um daraus eine weitere Variation des in letzter Zeit wieder in Mode gekommenen Zombie-Endzeit-Thrillers zu basteln. Nach dem recht gelungenen "28 weeks later" sind die Erwartungen in einen US-Blockbuster der gleichen Thematik mit Will Smith in der Hauptrolle entsprechend gering. Und doch weiß der Film zunächst positiv zu überraschen, ja er hätte sogar restlos überzeugen können, wären da nicht einige grobe Schnitzer, die den Gesamteindruck stören: Im wesentlichen sind das Will Smith und das Ende des Films, doch dazu später mehr.
I
Die Hintergrundgeschichte ist schnell erzählt und erfreulicherweise hält sich auch der Film dabei nicht lange auf, sondern lässt es wirkungsvoll knapp im Raum stehen. Wissenschaftler schufen ein Virus, das Krebs heilt, dieses mutiert und rafft nahezu die gesamte Weltbevölkerung dahin. Von den wenigen Überlebenden verändern sich die meisten zu Tollwut-Zombies à la "28 days later" mit Lichtallergie. Der Wissenschaftler Neville, gespielt von Smith, ist einer der wenigen immunen Menschen und gleichzeitig war er der führende Virologe des Militärs, der ein Gegenmittel finden sollte. Der Film widmet sich detailverliebt und ausführlich seinem Leben im verlassenen, von der Wildnis überwucherten New York, wie auch seiner akribischen Forschung nach dem Gegengift, die er immer noch in seinem Kellerlabor betreibt. Ab und an geht er mit seinem treuen Weggefährten, einem Hund, auf Zombiejagd für seine medizinischen Versuche und sendet jeden Tag Radionachrichten in der Hoffnung auf weitere Überlebende. Wie es die Dramaturgie erfordert, passieren schließlich unvorhergesehene Dinge, Neville wird vom Jäger zum Gejagten, begeht fatale Fehler und trifft aber doch auf Überlebende.
II
Der Plot entwickelt sich recht linear und geradeaus, doch das stört an dem Film zunächst überhaupt nicht. Zwar wurde die Geschichte in einigen relevanten Aspekten vom Buch abgewandelt, das ist aber durchaus legitim, wenn man ein Buch verfilmt und damit ja interpretiert (Stur abgefilmte Literatur im Stil von "Herr der Ringe" ist schließlich stinklangweilig). Im Gegenteil - so schafft sich der Regisseur durch die Verlegung des Schauplatzes nach New York einen optisch und symbolisch viel beeindruckenderen Rahmen. Die Anspielung auf den "ground zero" ist jedem geläufig und die Ruhe, Einsamkeit und Naturidylle mitten in der westlichen Metropole schlechthin ist ein wirkungsvolles Szenario. Das warme Sonnenlicht in den Hochhausschluchten, die Wildtiere auf den Hauptverkehrsadern und die Maisplantagen in der Innenstadt sind nicht nur skurrile, starke Bildeinfälle, sondern lassen zugleich die Bedrohung durch die Nacht und die Zombies größer erscheinen, zumal die Inszenierung der Zombie-Action weit weniger Einfallsreichtum aufweist (Im Buch treten die Zombies eher als zivilisiertere Vampire auf). Ich würde nicht sagen, die Actionszenen seien lieblos inszeniert, zumindest aber recht routiniert nach Schema F. Macht nichts. Erstaunlicherweise (und erfreulicherweise) bleibt übertriebene Brutalität zur Abwechslung aus, doch an genretypischen erschreckenden Kracheffekten wird freilich nicht gegeizt. Es gelingt der Inszenierung trotzdem, den Szenen Spannung zu verleihen, weil die Bildgestaltung das Wort Dunkelheit wörtlich nimmt und damit keinen Platz für übertriebene Actionchoreographien lässt. Zudem kommen die ruhigen Stellen im Film auch später nicht zu kurz, sodass eine gute Dynamik entsteht, die den Zuschauer am Ball bleiben lässt, wären da nicht die oben erwähnten Mankos...
III
Zunächst einmal stößt ein wenig das Hollywood-typische Familienmotiv auf, das man der Story des zugrundegelegten Buches aufgesetzt hat. Nicht nur hat der Held seine Familie auf tragische Weise verloren, nein, sie kehrt ausgerechnet in Form einer überlebenden Mutter und ihrem Kind zurück, denen dann Neville seine verspätete Opferbereitschaft beweisen kann. Dieses Klischee aus dem Pathos-Baukasten für Mainstreamfilme wäre an sich noch verkraftbar, würde es nicht in einer erzkonservativen, christlich-fundamentalistischen Heilsvorstellung am Schluss des Films münden. Musste denn dem rational-nüchternen Charakter des Films diese platte Glaubensebene beigemengt werden? Musste das dann in einer reaktionären Botschaft enden, die den Glauben und Gottes Fügung über die Vernunft stellen? Ich möchte hier keine Details verraten, doch in diesem Fall ging die Abwandlung der Handlung des Buches in die falsche Richtung. Mathesons Roman endet mit einer hervorragenden Pointe, die den wissenschaftskritischen Aspekt der Geschichte nicht zur fanatischen Antihaltung verkommen lässt, sondern logisch weiterspinnt und ironisch abschließt.
IV
Desweiteren stört die eindeutige Fehlbesetzung Will Smiths den Film, der sich eigentlich viel Zeit und Ruhe für die Darstellung des Hauptcharakters nimmt. So leid es mir tut, aber man nimmt Smith die Rolle als brillianten, arbeitswütigen und stets rational handelnden Wissenschaftler nicht ab. Zwar hält sich der Film mit Wissenschaftsgefasel zurück, was auch gut so ist, doch reichen bereits die wenigen Szenen mit Smith im Laborkittel aus, um ihm die Glaubwürdigkeit zu nehmen. Zudem verhält sich Smiths Charakter gegen Ende hin auf nicht nachvollziehbare Weise irrational. Gerade im Mainstreamkino muss man die Schauspieler gezielt nach ihrer Publikumswirkung auswählen, und da fehlt Smith eindeutig der intelektuelle Funke, der ihn zur Darstellung eines rational denkenden Forschers befähigt. Vielleicht liegt das auch daran, dass sich an vielen Stellen sein Schauspiel auf einen alles erschlagenden ernsten Gesichtsausdruck mit gerunzelter Stirn und zusammengezogenem Mund beschränkt. Wie in manchen Filmkritiken zu lesen ist, verweilt die Kamera desöfteren in brenzligen oder schwierigen Situationen auf seinem Gesicht, aus dem man dann lesen soll, was er denkt, wie verzweifelt er ist, oder was auch immer. Leider gibt seine Mimik das nicht her, sodass eben diese wichtigen Sequenzen ihren Sinn verfehlen. An mancher gefühlsduseligen Stelle weiß Smith dann zwischendurch noch zu überzeugen, doch der Eindruck der völligen Fehlbesetzung bleibt. Ein Denzel Washington, ein Clive Owen, von mir aus auch ein George Clooney, oder andere echte Charakterdarsteller hätten es sicherlich besser gemacht.
Fazit
"I am Legend" überrascht positiv und erfüllt zugleich im Vorfeld gehegte negative Erwartungen. Zum einen gibt er sich nicht als überladener, undurchdachter Rumpelfilm der Marke Hollywood zu erkennen, sondern zeichnet eine kraftvolle und aktuelle Endzeitvision. Zum anderen verpfuscht er sich selbst mit einem erbärmlichen Schlusspunkt der Handlung (dieser bleibt hängen!) und weist einen gravierenden darstellerischen Mangel auf: Will Smith. Zwar mag es löblich sein, sich an so eine für Smith ungewöhnliche Rolle zu trauen, ausfüllen kann er sie trotzdem nicht. "I am Legend" ist insgesamt ein grundsolider, massentauglicher Film, wenngleich er sein Potential offenkundig verspielt, ein herausragender Mainstreamfilm in der Riege von "28 weeks later" und "Children of Men" zu sein. 6/10