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„ Working-class Heist"

Spätestens seit Steven Soderberghs überaus erfolgreicher Ocean´s-Trilogie (2001-2007) ist das lange Zeit ein Schattendasein führende Genre des Heist-Movie wieder voll da. In den letzten Jahren tummelten sich Stars aller Altersklassen und Kategorien in dem beliebten Genre und gaben mit ausgesprochener Spielfreude den clever-gewitzten Gentlemangauner. Ob Pierce Brosnan (Die Thomas Crown Affäre 1999), Sean Connery (Verlockende Falle 1999), Robert de Niro (The Score 2001), Mark Wahlberg (The Italian Job 2001) oder Clive Owen (InsideMan 2006), jeder wollte mal ein großes Ding drehen.
Allen diesen Filmen gemeinsam ist die Sympathie für die Gangster. Bankraub erscheint im Film meist als Denksportaufgabe und lustvoller Nervenkitzel. Gilt es doch ausgeklügelte Sicherheitssysteme auf möglichst raffinierte Art zu überwinden. Gewaltanwendung ist meist Tabu, den Beraubten gönnt man fast immer die Blamage. Meist handelt es sich um brutale Gangster, Verbrecherorganisationen oder die nur unwesentlich beliebteren Großbanken. Nach dem Motto: Die kriegen den Hals sowieso nicht voll, da schaden ein paar Milliönchen mehr oder weniger bestimmt nicht.
Roger Donaldsons neuer Film The Bank Job scheint auf den ersten Blick ganz in der Tradition der oben erwähnten Genrebeiträge zu stehen. Auch hier geht es um eine Gaunerbande, die nach erfolgreich ausgeführtem Coup versucht sämtliche Spuren zu verwischen, um mit der Beute ein sorgenfreies Leben führen zu können.

London 1971: Der Kleinganove und erfolglose Gebrauchtwarenhändler Terry Leather (Jason Statham) tritt auf der Stelle. Die Geschäfte laufen mäßig bis schlecht und dass die Schuldeneintreiber einer lokalen Gangstergröße regelmäßig seine Ware demolieren, verbessert seine Situation auch nicht gerade. Da kommt der unerwartete Besuch seiner Jugendfreundin Martine Love (Saffron Burrows) gerade recht, zumal sie Terry ein „todsicheres Ding" vorschlägt. Aus zuverlässiger Quelle will sie erfahren haben, dass das Alarmsystem der Lloyds Bank in der Londoner Baker Street gerade modernisiert wird und damit für einen bestimmtem Zeitraum gänzlich ausfällt. In den Schließfächern der Bank warten Unmengen von Bargeld und Schmuck auf den geneigten Bankräuber. Terry zögert nicht lange, sieht in dem Coup das eine große Ding und damit die dauerhafte Lösung all seiner Probleme. Er überzeugt seine ebenfalls recht erfolglosen Freunde und gemeinsam machen sich die Amateurbankräuber ans Werk. Was Terry allerdings nicht weiß. Seine alte Flamme spielt ein doppeltes Spiel. Der MI5 erpresst sie aufgrund unerlaubten Drogenbesitzes. In einem Schließfach der besagten Bank befinden sich Schnappschüsse, die ein Mitglied der königlichen Familie bei Sexspielen in der Karibik zeigen. Der Black Power Gangster Michael X hat diese als Sicherheit für seinen illegalen Drogenhandel in Auftrag gegeben. Der Deal: Wenn es Martine gelingt eine Amateurbande zum Einbruch anzustiften und die brisanten Photos sicher zu stellen, erhält sie Straffreiheit.
Zunächst scheint alles reibungslos zu funktionieren. Die Bande mietet ein Nachbarhaus der Bank und gräbt einen Tunnel bis zum Tresorraum. Die vorgefundene Beute übertrifft ihre kühnsten Erwartungen. Zudem durchschaut Terry gerade noch rechtzeitig Martines doppeltes Spiel und kann dadurch den Geheimdienst vorerst auf Distanz halten. Allerdings können sie nur einen Teil des Diebesgutes rausschaffen. Rein zufällig hört ein Hobbyfunker ihre Walkie-Talkie-Gespräche ab und informiert die Polizei, dass ein Bankraub unmittelbar im Gange sei. Aber es wartet noch eine weitere böse Überraschung auf Terrys Bande. Zusammen mit dem Schmuck und dem Bargeld erbeuten sie auch eine Reihe belastendes Material. Dabei geht es vor allem um zahlreiche korrupte Beamte und diverse sexuelle Ausschweifungen hochrangiger Politiker und Funktionäre. Neben Polizei und dem MI5 haben die verdutzen Gangster damit auch noch die halbe Londoner Unterwelt sowie weite Kreise der englischen Upper Class aufgescheucht. Trotz des gelungen Bruchs droht die ganze Unternehmung in einem blutigen Fiasko zu enden.

The Bank Job
ist ein cleverer Thriller mit dreifachem Boden. Was als gewöhnlicher Einbruchskrimi beginnt, entwickelt sich immer mehr zu einem verwirrenden Katz-und-Maus-Spiel mit gesellschaftskritischen Untertönen. Anders als bei Soderberghs Ocean´s-Reihe stehen nicht Planung und Durchführung des Coups im Vordergrund, sondern die unmittelbaren Folgen des Raubs. Auch sind die Gauner alles andere als schillernde Masterminds oder ausgewiesene Experten für diverse Sicherheitssysteme. Terrys Bande besteht aus einer Handvoll Kleinganoven, die einmal im Leben ein großes Ding drehen wollen. Sie sind letztlich nur Marionetten in einem politischen Verwirrspiel, das für sie lebensbedrohliche Ausmaße annimmt. Während bei Ocean´s Truppe alles spielerisch leicht aussieht, müssen Terrys Mitstreiter kräftig malochen. Und während Danny Ocean souverän die Strippen zieht, weiß Terry Leather lange Zeit gar nicht was wirklich gespielt wird.

Der Plot von The Bank Job ist allerdings erheblich vielschichtiger als beim amerikanischen „Vorbild". Regisseur Donaldson gelingt es meisterhaft die teilweise sehr komplexen Handlungsstränge parallel zu montieren, ohne dabei den Überblick zu verlieren. Die verschachtelte Handlung verlangt dem Zuschauer zwar einiges an Konzentration ab, belohnt ihn am Ende aber auch mit einer sinnvollen und logischen Auflösung. Sein Händchen für unterhaltsame und spannende Politthriller mit komplexen Poltstrukturen hat Donaldson bereits mehrfach eindrucksvoll bewiesen (u.a. No way out und Thirteen Days).
Die Story basiert lose auf einer realen Begebenheit. 1971 erbeuteten unbekannte Gangster 500.000 Pfund bei der Londoner Lloyds Bank. Der bis dato größte Bankraub der englischen Geschichte konnte bis heute - zumindest offiziell - nicht aufgeklärt werden. Um den „Walkie-Talkie-Bank Job" - die Bande hatte über Funkgeräte kommuniziert - ranken sich allerlei Gerüchte, schließlich verschwand die Story nach nur wenigen Tagen völlig überraschend aus der britischen Presse. Anordnung aus höchsten Regierungskreisen. Zahlreiche Akten werden noch für über 30 Jahre unter Verschluss gehalten. Einige der daraus resultierenden Verschwörungstheorien verpackt Donaldson geschickt in ein vielschichtiges Thrillerszenario. Auch der Zeitkolorit der frühen 1970er Jahre wird authentisch eingefangen. Kleidung, Frisuren, Autos, Interieur und Setdesign sorgen für einen gelungenen Retro-Look. Michael Coulters Kameraarbeit versucht den Stil vieler 70er Jahre Thriller zu kopieren (düstere, dreckige Bilder und schräge Kamerawinkel). Lediglich der Soundtrack will so gar nicht zur ansonsten überaus stimmigen Atmosphäre passen. Anstatt auf Musik aus der Zeit zurückzugreifen oder zumindest die typischen Scores der 70er-Jahre-Thriller zu imitieren, setzt Komponist J. Peter Robinson auf klassische Dutzendware des modernen Action- und Spannungskinos. Die wenig eigenständige Synthesizeruntermalung nervt ob ihrer klanglichen Monotonie und uninspirierten Austauschbarkeit. Das kostet dem Film dann doch ein paar Prozentpunkte authentischen Flairs.

Einen erheblich besseren Job macht die bestens aufgelegte Darstellerriege. Donaldson verzichtete richtigerweise auf große Namen und setzte mehr auf Typen. Nichts sollte von der verschachtelten Story ablenken. The Bank Job ist ein klassischer Ensemblefilm. Der einzig wirklich bekannte Name ist Jason Statham. Obgleich den meisten Filmfans vermutlich lediglich als aufstrebender Actionstar und Kampfsportexperte bekannt (u.a. The Transporter, Crank, War), ist seine Besetzung bei genauerer Betrachtung durchaus sinnig. So begann die Filmkarriere des einstigen Spitzensportlers - er gehörte zum britischen Olympiateam der Turmspringer - mit Guy Richies tiefschwarzen Gangsterfarcen Bube, Dame, König, grAs und Snatch. Auch in The Bank Job gibt er wieder überzeugend den englischen Kleinganoven mit Herz. Statham fügt sich dabei nahtlos in das perfekt harmonierende Darstellerensemble und versucht sich zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form in den Vordergrund zu spielen.

Fazit:
Thrillerexperte Roger Donaldson liefert mit The Bank Job im besten Sinne altmodisches Spannungskino. Die lose auf historischen Tatsachen basierende Story wird trotz zahlreicher, teilweise recht komplexer Handlungsstränge stringent erzählt und plausibel aufgelöst.
Das Flair der frühen 1970er Jahre wird stimmig eingefangen. Lediglich der etwas lieblose, von der modernen Actionstange zusammengestückelte Score fällt hier negativ aus dem Rahmen.
Die Darstellerriege rund um den Actionstar Jason Statham - der sich erfreulich zurücknimmt und nahtlos in das perfekt harmonierende Ensemble fügt - ist ideal gecastet und mit Spielfreude dabei. Gewissermaßen die „working-class"-Variante zu Steven Soderberghs Oceans´s Bande. Geradlinig, trocken und „Very British".

(8/10 Punkten)

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