Review

Wenn Zwerge und eine Horde beschissener Elefanten eine zündende Mischung ergeben…

Auch wenn schon tausende hier Gutes und Richtiges über BRÜGGE SEHEN…UND STERBEN? (im folgenden kurz: BRÜGGE) geschrieben haben will ich mir erlauben, auch noch meinen Senf versuchen in angebrachte Worte zu fassen. Wie kaum ein anderer Film polarisiert der Film und es ist auch ganz klar warum: Die Geschichte der Profi(?)-Killer Ray (Colin Farrell) und Ken (Brendan Gleeson) die von ihrem cholerischen Boss Harry (Ralph Fiennes) nach Brügge geschickt werden um weitere Aufträge abzuwarten, überrascht durch ihre anfangs bewusste Ziellosigkeit und später dann gezielten Irrationen der Zuschauer.

Man weiß eine ganze Weile nicht welche Richtung das Ganze eigentlich nehmen wird und ich vermute mal das sind genau die Zeitpunkte an dem sich ungeduldige Zuschauer mental oder tatsächlich von dem Film verabschiedet haben und circa das unzufriedene Drittel der Zuschauer repräsentieren. Dazu gesellen sich noch nicht viele, aber für Mainstream-Filmfreunde ungewohnt blutige Gewaltspitzen die vor allem durch ihren eingestreuten dramaturgischen Überraschungseffekt für Verwirrung sorgen. Diese Klientel erfreut sich dann lieber an ach so schrägen Filmchen wie GUNS & GIRLS.

BRÜGGE irritiert den Zuschauer bewusst und macht Witze wenn es ernst ist und bringt in sehr ernsten Situationen noch eine komische Note hinzu, ohne dass sich die Wirkung kompensiert, nein, sie addiert sich. Den Todesschuss für die Nichtsympathisanten von BRÜGGE stellt dabei noch der leicht verträumt surreale Anteil und der tiefschwarze Humor rund um – meines Erachtens herrliche – Nebenfiguren wie dem Gnom, sorry, Zwerg dar. Genau durch diesen Anteil an schrägen Nebenschauplätzen erbebt sich der Film aus dem drögen Einheitsbrei und sammelt Punkte für seinen ungewöhnlichen Genremix.

Dies ist BRÜGGE noch in der Lage zu steigern und auch zum Ende hin noch emotional aufzuwühlen wie ich es nie erwartet hätte. Dabei wird es bei aller Buntheit der späteren Handlung anfangs nicht unterlassen, ganz ruhig die charakterlichen Facetten unserer Protagonisten aufzufächern. Die Mischung aus Klamauk, Melancholie, Gewalt und Emotion findet stets die richtige Methode, den Zuschauer immer wieder an der Hand zu nehmen und aufs Neue zu begeistern. Dabei braucht es weder endloses Actionfeuerwerk noch große Wendungen in der Geschichte.

Colin Farrell gefällt mir in BRÜGGE durch seine der Situation stets angemessene Art der Darstellung sehr gut, und er steigt in meinem Ansehen als Schauspieler unaufhörlich und man sollte sich auf jeden Fall den aktuellen DEAD MAN DOWN ansehen. In BRÜGGE verkörpert er seine Paraderolle der Anti-Intelligenzbestie, den normalen Jungen von nebenan, leicht psychotisch, aber immer charmant, streitbar, ja brutal, aber mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Das gilt in etwa auch für seinen Freund Brendan Gleeson, der in einer etwas eher väterlichen Rolle eine gute Ergänzung darstellt.

Ralph Fiennes zeigt deutlich, dass er zwar auch in diversen Blockbustern wie KAMPF/ZORN DER TITANEN, HARRY POTTER und SKYFALL brillieren kann. Für mich aber verkörpert er wie kaum ein anderer auch schräge Rolle und Charaktere und ich bekomme sein Gesicht aus Cronenbergs SPIDER kaum mehr aus dem Kopf. In BRÜGGE ist er zwar erst am Ende da, aber wie. Diabolisch bis ins Mark gibt er dem Film noch das gewisse Extra und trifft als dramaturgischer Joker genau ins Schwarze.

Und wie kaum in einem anderen Film schleicht uns der dramaturgische Belzebub von BRÜGGE ab der Mitte des Films so heftig um die Ohren, dass es knallt. Dabei sammelt der Film für mich im letzten Abschnitt durch seine – im wahrsten Sinne – Konsequenz so viel Punkte wie kaum ein anderer Beitrag in der letzten Zeit. Doch ich muss mich gleich korrigieren. Auch LONDON BOULEVARD von 2010, interessanterweise auch mit Colin Farrell, hat dies geschafft, auch wenn man die Filme nicht im Geringsten vergleichen kann.

Und so verfügt BRÜGGE wirklich über einen eigenständigen Charakter der für mich erfolgreich im nächsten Werk 7 PSYCHOS durch noch höhere Komplexität und deutlich mehr Absurdität fortgeführt und ausgebaut wurde. Wenn es weiter so steil aufwärts geht mit Regisseur Martin McDonagh dann haben wir noch eine Menge Gutes zu erwarten.

7,5/10 Gnomen….äh,….Zwergen….äh,….Punkten

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