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„Tropa de Elite“ entwickelte sich zum Politikum, da die Darstellung von Polizeiarbeit in den brasilianischen Favelas keinerlei Schonung bietet, jedoch Uneinigkeit bestand, inwiefern der Film die Attitüde seiner Hauptfigur unterstützt.
Dabei handelt es sich um Captain Nascimento (Wagner Moura), der die Spezialeinheit BOPE anführt. Er selbst will aussteigen, da seine Frau schwanger ist, jedoch nicht ohne einen würdigen Nachfolger gefunden zu haben. Auf der einen Seite ist da der clevere Matias (André Ramiro), auf der anderen dessen bester Freund, der körperlich extrem fitte und sehr loyale Neto (Caio Junqueira)…
„Tropa de Elite“ hat einen fast schon dokumentarischen Look mit seinen Handkamerabildern und der Kameraführung, die oft wie eine Reportage wirkt, ein Mittendrin-statt-nur-dabei-Look. Ähnliche Gefühle erzeugt auch der Off-Kommentar Nascimentos, der das Geschehen in der Rückschau kommentiert, bereits weiß, wie das Ganze ausgehen wird, als sei er ein Reporter, der gerade seinen fertig geschnittenen Beitrag mit einem leitenden Kommentar versieht. Tatsächlich gibt der Film dabei vor allem Nascimentos Gefühle und Einstellungen wider, die eines sehr loyalen Staatsdieners, der einem System und dessen Ideologie ohne große Vorbehalte dient.

Nascimentos Sicht erscheint auf den ersten Blick auch als totale Fascho-Dröhnung: Mit einer Zero-Tolerance-Politik räumt er in den Slums auf, wenn der Papst dort in einem Hotel übernachten möchte, dann wird als Vorbereitung in dem Viertel ein Exempel statuiert, indem man Drogendealer einfach abknallt, damit bloß alle Verbrecher der Gegend fortbleiben, wenn der Papst dann ankommt. Matias studiert Jura neben der Polizeiarbeit und immer wieder predigt Nascimento ihm, dass er sich nicht mit seinen liberalen Kommilitonen einlassen soll: Fehler wie Nichtanzeige Gras rauchender Studenten hält der Off-Kommentar dem Schüler vor und tatsächlich scheint der Handlungsverlauf jene konservative Grundhaltung zu bestätigen. Matias und Neto werden gedrillt Mitgefühl und Menschlichkeit zu verlieren, was bei dem liberalen Matias schwerer als bei seinem besten Freund ist, doch am Ende scheint das Ziel erreicht, auch Matias ist ein treuer Systemkrieger, wie schon Nascimento.
Tatsächlich unterlaufen die Bilder immer wieder das, was der Off-Kommentar zu Protokoll gibt: Nascimento droht am Druck seiner Arbeit zu zerbrechen, gerade daheim läuft es nicht unbedingt rund, von seiner Frau entfremdet er sich, da er eben seine Menschlichkeit aufgegeben hat. Er schluckt Medikamente, ist teilweise ein Wrack. Außerdem konfrontiert der Film ihn mit Konsequenzen seiner Handlungen: Wenn er einen jugendlicher Späher zwingt ihm Informationen zu geben, diesen danach aber einfach so auf freien Fuß setzt, dann findet er später die Leiche des Jungen – er ist genauso skrupellos wie die Dealer, Menschenleben sind für ihn genauso wenig wert, wo es als Polizist doch nominell seine Aufgabe wäre Leben zu beschützen.

Doch auch wenn das Programm von Regisseur José Padilha durchaus erkennbar ist, so bleibt die Frage: Erreicht „Tropa de Elite“ sein Ziel? Und da ergibt sich ein zwiespältiges Bild, denn es überwiegen die Szenen des Schleifens und Brechens der Rekruten, die Resultate, welche die rücksichtslose Polizeiarbeit einbringt, während weniger Szenen Zweifel streuen. Tatsächlich sind manche dieser Elemente, etwa die Entfremdung von der Familie, durchaus generisch im Polizeifilm, weshalb „Tropa de Elite“ seinen Ambitionen nicht ganz gerecht wird.
Ein weiterer Indikator dafür ist die Tatsache, dass die Shoot-Outs des Films mancherorts lobend erwähnt werden, obwohl es sich hier nicht um oberflächliche Action handelt: Das Gezeigte ist realistisch, unschön, vielleicht spektakulär, aber nie Genreware, weshalb schon ein Problem ist, wenn man sie als solche einordnet. Konsequent dagegen ist der Film in der Darstellung seiner Antihelden, von den Darstellern glaubhaft als Polizisten unter Druck, als hoch trainierte Leistungsträger, denen das Bürger- und Menschsein schwerfällt, interpretiert.

Ein gefährlicher oder tadelnswerter Film, wie mancher ihn sah, ist „Tropa de Elite“ schlussendlich nicht, doch tatsächlich bleibt am Ende das unangenehme Gefühl, dass er die faschistoide Grundhaltung seiner Hauptfigur nicht genug unterläuft, seine Geisteshaltung zu wenig gebrochen wird, denn trotz des dokumentarischen Gestus scheint „Tropa de Elite“ ja doch Stellung beziehen zu wollen.

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