„In the Kingdom of the Blind, the Man with one Eye is King“ – ein Crime-Drama aus dem Jahre 1995, das hierzulande unter dem verhältnismäßig irreführenden, weil schlichtweg zu sehr nach „Action“ klingenden „deutschen“ Titel „Street War: Straßen der Gewalt“ bekannt ist – eröffnet in Gestalt einer knapp sieben Minuten langen Sequenz, welche einen recht zwiespältigen Eindruck heraufbeschwört: Angesiedelt zuerst in, dann ebenfalls vor einer nahe eines Waldstücks gelegenen Höhle nach Anbruch der Dunkelheit, zeigt sie auf, wie ein Gangster namens Jackie Ryan (Michael Biehn) gerade dabei ist, mit Hilfe zweier Schergen einen Verräter auf für andere unübersehbar abschreckende Weise zu bestrafen – nämlich indem letztere ihn an ein Kreuz schlagen, während ersterer ihm einen (mimisch nicht unbedingt optimal dargebotenen sowie reichlich theatralisch akzentuierten) Monolog über Macht und Treuebruch vorträgt. Das Problem liegt nicht in der Beschaffenheit der Szene an sich, sondern in der Gegebenheit, dass sie, inklusive der beteiligten Personen, nahezu völlig unabhängig des restlichen Verlaufs existiert. Merkwürdig und schade zugleich, denn zum einen wäre es gewiss nicht verkehrt gewesen, Biehn später erneut mal auftauchen zu lassen, zum anderen wirkt der Einstieg in dieser Form viel zu selbstzweckhaft – so als wollte sich Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Nick Vallelonga („All In“/„Stiletto“) die Aufmerksamkeit des Publikums auf Biegen und Brechen mit diesem sehr direkten Opener sichern, welcher zwar den Basis-Ton des Werks ganz gut transportiert, im Nachhinein aber primär aufgrund der fehlenden konkreten Einbettung in den Kontext einen eher faden Beigeschmack hinterlässt…
Eines Abends erhält der relativ angesehene und einflussreiche Tony C. (William Petersen), ein in New York City ansässiger italienischer Mobster, von Papa Joe (Paul Winfield), dem Kopf des lokalen afroamerikanischen Syndikats, den anonymen Hinweis zugespielt, doch mal nach dem Bruder des obersten Mafia-Bosses zu schauen, in dessen Umfeld sich aktuell wohl etwas anbahnen würde, das sich schädlich auf die geplanten gemeinsamen Geschäfte sowie den allgemeinen Frieden in der Stadt auswirken könnte. Unsicher, was genau er davon halten soll, schickt Tony also umgehend einige seiner Jungs zu der betreffenden Adresse – offensichtlich zu spät, denn der Mann ist bereits tot und liegt erschossen auf dem Boden seines eigenen Heims, wo man ihn schließlich findet. Eine erste heiße Spur scheint sich allerdings recht schnell abzuzeichnen, als Zeugen davon berichten, die Kleinkriminellen Micky (Quinn Duffy), Gus (Michael Cavalieri) und Rudy (James Quattrochi) in zeitlicher wie örtlicher Nähe des Tatorts gesehen zu haben…
Sich darüber im Klaren, wie sein Boss aller Wahrscheinlichkeit nach auf die entsprechende Nachricht reagieren wird, welche er ihm schon bald unausweichlich mitteilen muss, sowie angesichts der Tatsache, dass das inmitten seiner Gegend bzw seines Verantwortungsbereichs geschah, leitet Tony kurzerhand erste Schritte in die Wege, um im Rahmen des anstehenden Gesprächs wenigstens gleich auch einige konkrete Anstrengungen in dieser Angelegenheit vorweisen und nennen zu können: In erster Linie bestellt er den inzwischen in New Jersey tätigen Polizisten Al Scarano (Vallelonga) herbei, denn obwohl sich jener entschieden um ein sauberes, anständiges Leben mit seiner hübschen Frau (Kristian Alfonso) und den zwei kleinen Kindern bemüht, teilen sich beide eine verwobene Vergangenheit – außerdem ist Al Rudy´s Bruder, mit dem er zwar lange nicht mehr in Kontakt stand, seit dieser auf die schiefe Bahn geraten ist, der aber nichtsdestotrotz ja noch immer zur Familie gehört…
Al ist sich der brisanten Situation auf Anhieb bewusst – nicht nur würde ein eskalierender Bandenkrieg zwangsläufig viel Blutvergießen mit sich bringen, sondern eine ablehnende Haltung seinerseits gegenüber Tony´s als Beauftragung kommuniziertes Anliegen sowohl ihn als auch seine gesamte Familie in höchste Lebensgefahr bringen. Nach Erhalt der Zusage, dass man Rudy bei einem Erfolg seines Engagements verschonen würde, bleibt ihm nicht unbedingt viel Zeit mehr übrig, um die Sache (falls überhaupt) zur Zufriedenheit der wichtigsten Beteiligten zu klären. Fortan in Begleitung des Schlägers Rico (Tony DiBenedetto) sowie des korrupten Cops Moran (Leo Rossi), gelingt es Al jedoch unerwartet zügig, die drei Flüchtigen in einem alten Lagergebäude ausfindig zu machen, in welchem er und Rudy früher als Kids ganz gern des Öfteren gespielt haben. Problemlos überwältigen die erfahrenen Männer die Halbstarken und fesseln sie an Stühle: Deren Version der Geschichte lautet, sie hätten nicht gewusst, in welches Haus sie da einbrachen – und als das spätere Opfer sie dann auf frischer Tat überraschte, hätte einer von ihnen (quasi im Affekt) die Schüsse abgegeben. Erwartungsgemäß findet ihre Story vom tragischen Zufall keinen rechten Glauben seitens der Verhörführenden – lange Stunden brechen an, in denen zwischen allen Anwesenden und der Wahrheit noch etliche schmerzhafte Tränen, Offenbarungen und Gewaltakte stehen…
„In the Kingdom of the Blind…“ ist eine für weniger als eine halbe Million Dollar in nur 14 Drehtagen realisierte, hauptsächlich in nur einer einzigen Nacht spielende, optisch sehr düster gehaltene Kombination aus Drama und Thriller, welche eine Story aufweist, die mit diversen religiösen Symbolen und Elementen (z.B. Kreuze oder Engel) angereichert daherkommt, markante Motive wie Loyalität, Vergeltung, Schuld und Aussöhnung aufgreift und zudem in bestimmten Momenten offenkundig große (Genre-) Vorbilder á la Tarantino oder Scorsese zitiert bzw Erinnerungen an diese heraufbeschwört – allerdings ohne je deren Qualität zu erreichen. In seinem ersten Drittel gelingt es dem Film gar nicht mal so schlecht, ein einigermaßen stimmiges „New York Feeling“ zu erzeugen, parallel dazu werden die einzelnen Protagonisten vorgestellt bzw in die Handlung eingeführt – und zwar in Gestalt separater Erzählstränge, die sich im Verlauf allmählich miteinander verweben und schließlich in dem (sichtlich an „Reservoir Dogs“ angelehnten) zentralen Akt weitestgehend zusammengeführt werden. Im Zuge der brutalen, ausgiebigen und emotionalen „Befragung“, welche (per se) im Prinzip dem gewohnten Schema folgt, klären sich so manche Umstände, Fragen und Hintergründe (die man als Zuschauer übrigens zuvor nie direkt aufgezeigt erhalten hat) schrittweise auf verbaler Ebene – also ohne verbildlichende Flashbacks, rein durch die Schilderungen der drei immensen physischen wie psychischen Druck ausgesetzten Freunden, die sich da (mehr oder minder unwissentlich) auf etwas eingelassen hatten, das schlichtweg viele Nummern zu groß für sie war. Natürlich darf bei einem Werk wie diesem ein Genre-typisches Finale nicht fehlen: Dieses wird dann auch kurz und bündig in gewohnter (Mafia- Schrägstrich Gangster-) Manier abgehandelt – jedoch ohne dass die in jenen Augenblicken präsentierten Ereignisse irgendeine (mit Sicherheit eigentlich beabsichtigte) Form von Nachhaltigkeit generieren können...
Obgleich die Besetzung mit einigen bekannten Namen und Gesichtern aufzuwarten vermag, sucht man leider, trotz einer Reihe passabler Auftritte, wirklich herausragende darstellerische Leistungen im Grunde genommen vergeblich. William Petersen („Manhunter“/„Young Guns 2“), hier noch vor seiner Zeit als charismatischer Gil Grissom in Bruckheimers´s „CSI: Las Vegas“-Erfolgsserie, liefert eine gute Performance ab, verfügt aber über nicht sonderlich viel Screen-Time, was relativ schade ist. Zu Michael Biehn („Terminator“) habe ich mich ja bereits ausgelassen, Tony DiBenedetto („Gloria“) agiert solide, Leo Rossi („Relentless“) schön fies, Paul Winfield („Star Trek 2“) wurde völlig verschenkt sowie Kristian Alfonso („Joshua Tree“) als reines Eye-Candy verheizt. Letztere dient nur dazu, einem der Gewissenskonflikte Als mehr Gewicht zu verleihen, was natürlich haargenau dem klassischen Klischee eines solchen Parts entspricht. Schmunzeln musste ich angesichts der dargebrachten Erklärung, warum eine sexy Schönheit wie sie mit einer Person zusammen ist, die wie Hauptdarsteller Vallelonga ausschaut, seines Zeichens ja nicht unbedingt ein männliches Prachtexemplar: Wir erfahren, dass Al früher sportlich und voller Energie war, ihn der Job allerdings inzwischen derart geschafft hat, dass er (u.a.) etliche Kilos zunahm und außer Form geriet – gar nicht mal so unclever, Nick, Du alter Schlawiner. In seiner Funktion als Drehbuchautor hat er zudem ganz offensichtlich versucht, seiner Figur dank Anekdoten wie jener mehr charakterliche Tiefe zu verschaffen – nur sind diese weder originell noch interessant genug ausgefallen, um in der Hinsicht einen Erfolg zu erzielen. Ähnliches strebte er wohl auch bei den drei Halbstarken an, welche Quinn Duffy („Playback“), Michael Cavalieri („Soft Target“) und James Quattrochi („Betrayal“) akzeptabel verkörpern: Neben den unverarbeiteten Konflikten, die zwischen Rudy und seinem Bruder stehen, fühlt sich Gus von seinem direkten Umfeld allein bzw im Stich gelassen – und Mickey, ein ehemaliger Junkie, hatte vor, die Einbruchs-Beute dafür zu verwenden, seiner früher missbrauchten und heute als Stripperin arbeitenden Flamme ein neues Leben zu ermöglichen. Als zusätzliche tragische Komponenten gedacht, welche die recht oberflächliche Story inhaltlich anreichern sollten, geht die Rechnung letztlich aber nicht auf, denn diese Infos wirken teils ziemlich aufgesetzt und können darüber hinaus die arg stereotype Beschaffenheit der Rollen keineswegs in einem genügenden Maße kaschieren, um diesen Bereich der Produktion in einem besseren als bestenfalls mäßigen Licht dastehen zu lassen.
„In the Kingdom of the Blind, the Man with one Eye is King“ (1995) erweckt irgendwie den Anschein, er stamme aus den 80ern – die meisten Filme der 90er Jahre muten deutlich moderner an. Vielleicht liegt das an der bewusst nüchtern gehaltenen, im Ansatz aber durchaus eine rohe und authentische Impression hinterlassenden Optik, dem ruhigen Tempo oder der Kleidung, den Frisuren und Sprachweisen der involvierten Kriminellen, die man in kaum einer konkreten Weise mit dem Begriff „cool“ in Verbindung bringen könnte – eher ungewöhnlich in jener enorm von Quentin Tarantino beeinflussten (zeitlichen wie stilistischen) Phase des Genres. Wer Action sucht, wird kaum fündig werden, der Gewaltgrad hält sich ebenso in Grenzen. Nicht nur wegen zahlreicher ausgedehnter Mono- und Dialoge, welche qualitativ manchmal doch schwer zu wünschen übrig lassen, entfalten sich die einzelnen (nicht unbedingt abwechslungsreichen) Geschehnisse oft zäh und spannungslos – überflüssige Szenen, wie zum Beispiel ein ausgiebiger Strip-Club-Besuch, forcieren diese Empfindung zusätzlich. Vallelonga´s Skript ist nicht kompakt genug ausgefallen, um das Publikum zu packen und knapp 100 Minuten lang bei Laune zu halten – selbiges gilt im Übrigen für seine zwar als handwerklich solide einzustufende, bloß das „gewisse inspirierte Etwas“ vermissende Inszenierung. Es ist klar ersichtlich, dass die Verantwortlichen (allen voran natürlich Vallelonga) ambitioniert bei der Sache waren sowie es mit mannigfachen Einschränkungen und Hindernissen bei der Umsetzung des Stoffes zutun hatten, und besonders in Anbetracht dieser Umstände ist das abgelieferte Ergebnis ja auch beileibe nicht zu verachten – allerdings reicht das leider nicht ganz aus, um den Gesamteindruck dieses unspektakulären Crime-Dramas oberhalb des Durchschnitts verorten zu können … „4 von 10“