grandios + prächtig + schwach zu gleich
So könnte man diesen Film in Kürze bewerten.
Es soll hier analysiert werden, weshalb dieser Film eine eder mächtigsten Filmfirmen (20th Century Fox) so schwer beutelte finanziell. Dabei soll es reichen zu erwähnen, daß das geplante Budget von 2 Millionen auf 44 Millionen hochgeschraubt wurde. Zum Vergleich: Ben Hur (1959) der ein noch größerer und beeindruckenderer Film war, hatte nur 15 Millionen gekostet. Die technischen und organisatorischen Gründe kann man in etlichen Abhandlungen nachlesen.
Was aber waren die dramaturgischen Gründe, weshalb DIESER Film nicht so gut beim Publikum ankam wie andere Monumentalfilme dieser großen Ära, die von 1951 bis 1966 lief?
An den Schauwerten kann es nicht gelegen haben, denn die sind prächtig. Es wurden für viele Szenen immer wieder neue Kostüme und Kulissen erstellt, also wenn in einer Palastszene am Anfang man über 50 atemberaubende Kostüme staunte, so war einige Filmminuten später eine andere Palastszene mit 50 anderen Kostümen ebenso bestaunenswert. Krönungen, mehrere Triumphzüge, Empfänge, Feste mit Tanz, Schlachten zur See und an Land. Das Auge geht uns über bei so viel Glanz, Gold, Farben und Dekors.
Dies sind auch die Dinge, welche den Cleopatra immer und immer wieder sehenswert machen, und die langfristig dazu geführt haben, daß die Flop dann doch noch Gewinne einspielte - über Jahrzehnte und nach 4 Oscars (+ 6 Nominierungen in fast allen wichtigen Kategorien), die ebenfalls den Umsatz pushen.
Er ist dadurch auch optisch reizvoller als Lawrence von Arabien, zumal wir mit und um Cleopatra einiges an weiblichen Reizen bis hin zu für 1963 sehr gewagten Nacktszenen der Hauptdarstellerin Elizabeth Taylor hatten.
Die Dialoge fesseln uns mehr als die von Doktor Schiwago. Der Aufwand ist enorm viel größer als bei Das Gewand und Die Gladiatoren zusammen.
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Was sind also die Schwachstellen?
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Die größte Schwachstelle ist Marcus Antonius (Richard Burton).
Auch die 50er und 60er Jahre waren so geprägt, daß Filme Helden haben mussten. Das war seit über 50 Jahren so. Männliche Helden wohlgemerkt...
Cleopatra hat aber keinen Helden.
Der alternde Caesar, der das erste Drittel dominiert, wird hervorragend von Rex Harrison verkörpert und man kann von Glück sagen, daß er den ursprünglich vorgesehenen Peter Finch ersetzt hat. Aber Caesar ist bald tot .
Marcus Antonius prägt die nächsten zwei Drittel. Aber der taugt nicht zum Helden. Die komplette Persönlichkeit ist als großmäuliger, pflichtvergessener Säufer voller Selbstzweifel angelegt, der nicht auf die Ratschläge seiner Berater hört, sondern dickköpfig dumme Taktiken einschlägt, nur um Recht behalten zu wollen. Dann zerquält er sich wochenlang mit Selbstmitleid. Der Kerl ist zu fast nichts zu gebrauchen. Wenn er bei seinem Heer ist, jammert er, daß er nicht bei Cleopatra ist (der er in läppischer Weise verfallen ist). Wenn er bei Cleopatra ist, jammert er, daß er sein Heer für sie verlassen hat. Ein labiler Schlappschwanz und eine Peinlichkeit. Wenn man das mit der hervorragenden Persönlichkeit von Ben Hur, El Cid, Quo Vadis (dort sogar 2 Helden) und Khartoum vergleicht, fällt Antonius meilenweit gegen sie ab.
Hinzu kommt, daß Richard Burton auch nicht so aussieht, wie man sich einen Helden vorstellt. Viel zu großer Kopf für den kleinen, unsportlich-untersetzten Körper. Unnatürlich braungebranntes Gesicht. Dann hatte er viel kürzere Röcken an als alle anderen Darsteller in dem Film. Lächerlich ständig die nackten Beine so eines älteren Mannes mit einer Schießbudenfigur zu zeigen.
Ich verehre Richard Burton zwar für sein Spätwerk, wo er als alter Schauspieler mit Rollen in Die Wildgänse kommen, Die Schrecken der Medusa, Verflucht sind sie alle, Der Exorzist 2, 1984 seine besten Leistungen brachte und Filmgeschichte schrieb. Aber in jungen Jahren war der Mann einfach lächerlich. Bereits als Alexander der Große (4/10) versagte er in einem schlechten Film und gleicher Aufmachung wie bei Cleopatra.
Es ist auch völlig unbegreiflich, weshalb diese starke Frau Cleopatra, die einen Caesar gehabt hatte, dann diesen Versager Marcus Antonius liebt bis in den Tod. Der Zuschauer ist froh als der widerlich in Selbstvorwürfen als Monologen schwafelnde Marc Anton endlich tot ist.
Übrigens: Die Darstellung von Anthony Quinn als gebrochene Persönlichkeit Barabbas in einem anderen Monumentalfilm ist wesentlich ansprechender als Burtons Darstellung hier.
Wäre echt besser gewesen der ursprünglich Plan Stephen Boyd die Rolle des Marcus Antonius zu geben, hätte geklappt. Mit seinem perfekten Aussehen wie eine römische Marmorstatue, wodurch er schon Ben Hur und Der Untergang des Römischen Reiches bereicherte, hätte man zumindest verstehen können, weshalb er Cleopatras große Liebe ist. Aber Boyd hätte ich nicht gewünscht diesen Selbstmitleid-Säufer zu spielen - dazu ist er zu gradlinig und kernig. Ihm hätte man so einen Versager nicht abgekauft. Man hätte es auf richtiger Held umschreiben müssen.
Elizabeth Taylor spielt gut als Cleapatra. Sie ist zwar die ganze Zeit voll und ganz Hollywood-Diva, aber warum soll eine Königin, die wie ein Gott vereehert wird, nicht etwas Divenhaftes haben? Zwar kann man auch einiges an ihr kritisieren, aber das Machtbesessene, Arrogante und Raffinierte bringt sie sehr gut rüber.
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Was fehlt dem Film noch?
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Es kann ja nun nicht nur Burton und sein Text gewesen sein, der den Film so geschwächt hat?
Ferner fehlt die große Botschaft.
Ben Hur, Quo Vadis, Die zehn Gebote, König der Könige, Das Gewand
haben alle die schöne christliche Botschaft von Nächstenliebe und Menschlichkeit.
Khartoum und El Cid haben zumindest die Selbstaufgabe um andere Menschen zu retten.
Spartacus ist mutiger und gerechter Kampf für die Freiheit des Menschen.
Cleopatra hat keine edle Botschaft. Die Machtgier einer Königin, die sich immer höher schläft, die Eroberungslust der Römer, die ihr verfallen, und der Gegner Augustus,der auch sehr machtversessen ist. Edelmut ist da keiner.
Außerdem sind nicht genug Kämpfe drin. Zwar wurden die um wichtige Passagen ergänzt in der dritten Schnittversion, der ganz langen von 4 Stunden, aber im Verhältnis zu den vielen Planungen und Triumphzügen sind doch verhältnismäßig wenig Kämpfe. In diesem Punkt können Monumentalfilme wie Khartoum, El Cid, 55 Tage in Peking, Barabbas, Spartacus, König der Könige und Der Untergang des Römischen Reiches besser punkten.
Bei Cleopatra wird von Caesars Schlachten zwischen Ägypten und Italien nur erzählt. Die Vernichtung von Caesars Mördern, die richtig gut gewesen wäre, wird auch nur berichtet.
Die zwei Schlachten bei Cleopatra sind aber gut inszeniert und hebn den Film sicher um einen ganzen Punkt.
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So kann es gehen: Da ist so ein Film zugleich fehlerhaft und etwas nervig bezüglich mancher Personen, kann aber andererseits mit guten Dialogen, tollen Bildern (Licht, Farben, Ausstattung) und einen insgesamt guten Cast etwas reißen...und seine monumentale Größe eines bedeutsamen Geschichtsabschnitts ist jederzeit spürbar - und das wollen wir Monumentalfilm-Fans doch.
Guter Film mit verzeihlichen Schwächen
9/10
oder Schulnote 1