Review
von Cineast18
Die legendäre Geschichte von Cleopatra (Elizabeth Taylor), die nacheinander zwei der größten Krieger und Herrscher des antiken Roms in den Untergang trieb: Cäsar (Rex Harrison) und Marcus Antonius (Richard Burton). Was schon Shakespeare als klassische Tragödie interpretierte, wurde 1963 von Hollywood in ganz großem Stil neu aufgelegt - als knapp vierstündiges Monumentalwerk voller
Superlative.
Nicht nur durch seine epochale Laufzeit entwickelt dieser berühmte Historienfilm eine durchgängige Ausstrahlung des Übergroßen; alles hier ist einfach überlebensgroß: Mit einem gewaltigen Aufwand an Kulissen, Ausstattung, Kostümen, Komparsen und ausgetüftelter Kameraführung entsteht ein gigantisches Panorama der Antike. Das beeindruckt ebenso in einigen der größten Massenszenen der Filmgeschichte wie in spektakulären Schlachtenszenen und den dramatischen Dialogen inmitten prächtiger Paläste. Die über mehrere Jahrzehnte verlaufende Handlung entwickelt sich sehr langsam, was sowohl den Figuren Raum zur Entfaltung gibt als auch das Augenmerk auf diese riesigen Kulissen lenkt. Das ist ganz großes Ausstattungskino aus der goldenen Ära des Hollywood-Historien-Epos'. Und das alles im Breitwand-Format.
Neben diesem technischen Kraftakt überzeugt "Cleopatra" aber auch durch die grandiosen Hauptdarsteller. Allen voran natürlich Elizabeth Taylor: Sie verleiht Kleopatra eine Mischung aus Kaltblütigkeit, Emotionalität und Sinnlichkeit, wie sie die Kinohistorie selten gesehen hat. Über die größten Teile des Films hinweg verkörpert sie den Typus der emanzipierten, starken Frau schlechthin: Der brutalen Kampfeslust der Männer setzt sie Klugheit und Bildung, Berechnung und List entgegen. Allein der Machtkampf zwischen ihr und Cäsar, welcher Herrscher vor dem anderen auf die Knie zu gehen habe, kann eine ganze Weile fesseln. Doch unter der Oberfläche von universeller Bildung kommt auch immer wieder ihr Größenwahn zutage: Sich selbst sieht sie als Nachfahrin von Göttern, und indem sie sowohl Cäsar als auch Antonius immer wieder vorwirft, noch nicht der höchste Herrscher zu sein, treibt sie beide in die Hybris und damit in den Untergang.
Neben dieser schillernden, charakterlich komplex gezeichneten (und immer wieder überaus erotischen) Titelfigur stehen die beiden römischen Feldherren in nichts nach: Vor allem Rex Harrison glänzt als Julius Cäsar, dem er eine charismatische Kraft und mit seinem verschmitzten Lächeln auch immer wieder einen gewissen Humor verleiht. Und Richard Burton wird in der zweiten Hälfte des Films zur großen tragischen Figur, wenn er sich beinahe gegen seinen Willen von Kleopatra verführen lässt. Diese drei Hauptdarsteller verleihen dem Film ein großes Stück seines Glanzes, der ihn selbst fast 60 Jahre nach seiner Entstehung immer noch zutiefst beeindruckend macht.
"Cleopatra" ist ein klassisches Historien-Epos, gigantisch in Ausstattung und Darstellung, höchst dramatisch in der Inszenierung - Szenen wie die Ermordung Cäsars oder der finale Absturz Antonius' suchen in ihrer Intensität ihresgleichen - und trotz seiner enormen Laufzeit sehr unterhaltsam. Auch wenn hier, typisch für das Hollywood-Kino dieser Ära, sensible Themen wie Sklaventum oder die Rolle der Frau eher ausgespart werden und auch die Besetzung ägyptischer Rollen mit weißen Darstellern etwas irritierend wirken mag, ist und bleibt "Cleopatra" doch ein Musterbeispiel für den amerikanischen Monumentalfilm, ein zeitloses Werk voll atemberaubender Szenen, aus einer Epoche, als es Hollywood seinem Publikum noch zutraute, über vier Stunden konzentriert bleiben zu können.