Leuchtfeuer, die letzte Filmarbeit Wolfgang Staudtes für die DEFA, erzählt die Geschichte einer Gruppe von Fischern im Jahre 1901, die auf einer extrem kargen Insel im Nordatlantik leben. Zum Überleben sind sie auf ein regelmäßig vorbeifahrendes Schiff angewiesen, mit dem sie Handel treiben. Doch dann kommt das Schiff nicht mehr und der Winter rückt näher.
Leuchtfeuer ist ein merkwürdiger Film. Der Inhalt ist relativ simpel und zugegebenermaßen empfand ich ihn auch nur bedingt ansprechend. Doch die Sichtung habe ich keineswegs bereut. Von Staudte hatte ich bisher nur DIE MÖRDER SIND UNTER UNS gesehen, der schon 1946 den Finger nicht einfach in die Wunde legte, sondern tief darin rumstocherte. Mit Leuchtfeuer knapp zehn Jahre später blickt Staudte nun auf ein Kollektiv, eine wirkliche "Hauptfigur" gibt es nicht. Schon die Anfangstitel unterstreichen das, wenn bei der Auflistung der Schauspieler, wenn diese lediglich als "Männer auf der Insel" und "Frauen auf der Insel" angeführt werden. Zudem ist der Beginn des Films eher dokumentarisch gehalten. Zu (Halb-)Totalen erläutert ein Sprecher aus dem Off, in welcher Lage die Inselbewohner sich befinden.
Nach und nach werden dann einige der Insulaner vorgestellt. Schnell wird deutlich, dass die drohende Hungersnot die scheinbare Gemeinschaft bröckeln lässt. Hier liegt in meinen Augen der Kern des Films. Es ist die Frage, wie man menschlich bleiben kann, wenn die Lebensumstände immer unmenschlicher werden. Und hier liegt gleichzeitig auch die Stärke des Films. Denn es wird nicht einfach ein Problem thematisiert, dazu dann die "richtige" und die "falsche" Lösung präsentiert. Nein, der Film zeigt zumeist mindestens zwei Möglichkeiten auf, die beide ihre Vorzüge wie Nachteile haben. Das wirkt enorm realistisch, wobei ich nachvollziehen kann, wenn anderen die Geschichte durch den Handlungsort als weit weg vorkommt und dadurch möglicherweise nicht die Schwere der zu treffenden Entscheidungen so nahe geht.
Neben diesem inhaltlichen Leuchtfeuer, brennt der Film auch inszenatorisch immer wieder ein Feuerwerk ab. Da sei der Zweikampf erwähnt, der auf einer Eisfläche stattfindet und herrlich geschnitten ist. Zu den intensivsten Szenen zählt für mich jedoch ein eingefangenes Spiegelbild einer Frau, die einen Laden betritt. Das Bild wirkt auf mich eigenartig entrückt, wenn "Bilder" plötzlich lebendig werden, löst das bei mir ein ganz mulmiges Gefühl aus - welches hier wohl weniger beabsichtigt war. Die Frau wirkt in dem Moment wie ein Bild an der Wand, neben ihr hängen Bilder glorreicher Schiffbaukunst, die nun jedoch wie eine vergangene Zeit wirken, zu welcher auch die Frau zählt und die nicht mehr so recht in die neue Zeit passt. All dies wird erzählt mit nur einer sorgfältigen Einstellung, herrlich! Gerade auch im ersten Drittel des Films seien die Großaufnahmen der Gesichter der Fischer noch erwähnt. Sie sind zerfurcht, wettergegerbt und fast scheint es als hätte sich der Kameramann ein wenig in eben jene menschlichen Monumente verguckt.
Eine ausführliche Besprechung kann man im Wiederaufführungs-Podcast hören: http://wiederauffuehrung.de/wa070-leuchtfeuer/