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Lesen bildet. Das Abrufen von SMS gehört mittlerweile anscheinend dazu, anders lässt sich zumindest nicht erklären, warum sich nicht nur die Kommunikation unter Menschen zu wesentlichen Teilen auf 160 Zeichen im Display reduziert, sondern warum auch im Film und im literarischen Medium selber das mobile phone ein derart intensives Element einnimmt. Wo man früher zum Fernsprechapparat griff, um sich kundzutun oder Informationen einzuholen, wobei für das Letztere auch oft der Blick auf die Nachrichten der Flimmerkiste genügte, wird heute das kleine Tragbare in der Handlungsführung eingesetzt; was ab und zu sicherlich ein probates Mittel sein kann, schnell und wenig umständlich die Erzählung voranzubringen und sowohl dem Zuschauer als auch seiner Identifikationsfigur oder der negativen Symmetrie etwas mitzuteilen.
Auch Naraka 19, basierend auf dem chinesischen Bestseller "The 19th Level of Hell" von Cai Jun, der innerhalb von zwei Jahren über 2 Millionen Mal verkauft und zusätzlich auch übersetzt im Ausland vertrieben wurde, kommt ohne das Handy nicht aus. Hierbei ist es allerdings ein so vorherrschendes Diktum, so extensiv aufdringlich und so penetrant lästig indiskret, dass man nach einer knappen Weile am Liebsten sein Selbiges in den Bildschirm pfeffern möchte.

Neben dem unabdingbaren, schon süchtig-abhängigen Verlass auf das piepende Etwas ist es auch die wenige Imagination, die dem Film das Genick bricht; Regisseurin Carol Lai beweist zwar ihren sicheren Umgang mit dem angehobenen Budget, beherrscht die scheinbar nötigen Klischee eines rein mainstreamlastigen Vertreters und bringt auch die gängig kompensatorischen Versatzstücke ein, die die eher jüngere Klientel zu ihrem Alltag und damit der nötigen Gleichsetzung mit den handelnden Personen einlädt. Lässt aber abseits des technischen Faktors jede mögliche Flexibilität sein, schafft sich keine eigenen Freiräume, erlaubt sich nur rein äußerliche Pragmatik, Einsatz und Mobilität statt einem wahren Können von Geschmeidigkeit und Verformbarkeit. Ihr wechselhaftes Drehbuch und die zugehörige Regie, die das geschriebene Wort im Skript analog zur Kurznachricht für den Außenstehenden oft ohne Kontext, ohne eine weiterreichende Verbindung als dem Moment, ohne begriffliche Übergänge erscheinen lässt, hat außer wenigen aufgegriffenen Ideen, die auch noch mäßig modifiziert werden, fast nichts zu bieten. Aus dem Grundgedanken psychopathologischer Erscheinungen selber ließe sich etwas herausholen; aber wenn vordergründiges Potential allein die wenige Manövriermasse ist:

Die Studentin Rain [ Gillian Chung ] zieht zusammen mit ihren befreundeten Kommilitoninnen Eva [ Maggie Lee ], Mandy [ Bonnie Xian ] und Violet [ Vincy Chan ] in ein bisher leer stehenden Flur auf dem Campus ein, der eigentlich nicht für die Unterbringung der Immatrikulierten gedacht ist, diesmal aber eine Ausnahmeregelung unterlag. Bevor man richtig ausgepackt und sich eingerichtet hat, geschieht schon der erste Todesfall. Um ihren Schock zu verarbeiten lässt sich Rain von dem Universitätspsychologen Dr. Yan [ Patrick Tam ] behandeln, während sich Senior Inspector Yip [ Shaun Tam ] an die Aufklärung macht. Währenddessen bekommt Rain über ihr Handy ein mysteriöses Programm zugesandt, dass sie unweigerlich in die Hölle saugt.

Dass derlei Hokum als Death Note zum Mitmachen bei den Jugendlichen ankommt, soll so überraschend nicht sein und muss hinsichtlich seiner marktschreierischen Kompatibilität auch nicht weiter in Frage gestellt werden. Während sich die ältere Generation bei ihrer bevorzugten Genreauswahl darüber echauffiert, was nun Hommage, was Parodie und was Verhunzung des 80er Jahre old school horror sei, wird den Heranwachsenden ein weit aufreizender finanziertes Werk geboten, dass einem bestimmten Schönheitsideal verpflichtet und mit entsprechend peripheren Darstellern geschmückt ist und außer einer eventuell barbarischen Tonspur und viel Kameraaktivität wenig Möglichkeiten hat und sucht, den Schrecken, das Entsetzen und die Furcht zu porträtieren. Auch bekommt die Gattung nachträglich wieder die Unschuld verliehen; provozierende Äußerungen, wilde Spekulationen oder gar Sex und ausufernde Gewalt sind hier niemals das Problem. Die Stätte des ewigen Verderbens und die Unheimlichkeit des Raums werden ebenfalls nicht forciert.
Gehindert durch starre Grenzen, die neben der materiellen Zensur wohl möglich auch automatisch die Vorstellung beschränken, wird sich in Naraka 19 nahezu allein auf dem nunmehr schmaler und unruhiger werdenden Grat zwischen wirklicher und digitaler Bilderwelt hingegeben; eben dem des Fernsehens, des Computers und inzwischen auch des Handys.

Direkt an einem modischen Band um den Hals der Beteiligten platziert, während des ganzen Tages und gar noch im Schlaf mit der Hand des Spielers, des Opfers fest verwachsen ist es immer ortsunabhängig griffbereit, um für Rat und Tat befragt zu werden. Wenn man etwas Schauriges sieht, hört, liest, dann nur über die jeweilige Datenübertragung. Ein ständiger Begleiter, der hier nicht nur wie eine Sucht in die Naraka [ = den Ort der Qualen, das Land der Strafe im vedischen Glauben ] lockt; sondern dann wenigstens auch noch so ehrbar ist, den Teilnehmer durch die gefährlichen 18 Höllen der Finsternis mit hilfreichen Tipps, Tricks und Hinweisen zu versorgen, sozusagen Abonnement mit Kundentreuebelohnung. Ein ordnungskräftiges survival of the fittest, mit Bonifunktion und [getrimmtem] professorenhaft-sozialkritischem Unterton; in all seiner absonderlichen Drolligkeit fast Die 36 Kammern der Shaolin für die Moderne.

Eine zu bewusste Anwendung zu populärer Traumsymbolik, mit viel Binsenweisheit, einer klassizistisch geprägten Optik nur für den Schrein der Accessoires. Das Nachtreich Satans hier nicht als Mythische Tortur, als Totenreich der Verdammnis, in deren Unterwelt der Sündende unbeschreibliche Folter erleidet, sondern als designed fashion program, ein ästhetisierender Filter mit cheats, codes und trainer. Vortäuschender Betrug und Schwindel, im wahrsten Sinne reine, verflachte, gehaltlose CGI-Erfindungen und biedere Belehrungen in Moral und Religion, statt dem Orakel des Hades oder der Anatomie des Bösen, dass sich in einer Explosion aus Lust, Schmerz und Blut entlädt.
Schwatzhafte Spiellevel mit Begrüßung und Verabschiedung, mit Fingerzeig und "Vorsicht" Rufen, die das text-adventure game Geschehen im Phantastischen trotz aller Trugwahrnehmungen und Sinnestäuschungen genauso steril kennzeichnen wie den umgebenden Rahmen in der Jetztzeit. Deren Szenario zwar im breitesten widescreen klarster, auch angenehm gedämpfter Farben eingefangen, aber fast noch entvölkerter und zumindest ebenso seicht und trivial als wie im diesjährigen Haunted School ist.

Beide Arbeiten weisen abseits der Lernstätte - eine nur scheinbar stabile Oase - und dem alles verursachen Angelpunkt einer tragischen, tödlich endenden Liebe noch weitere Gemeinsamkeiten auf; hervorstechend ist besonders das eifrige, aber dennoch uninspirierte Klischeeallerlei, dass zwar mit allen möglichen visuellen Begriffen der Horror-Typologie hantiert, aber nie surrealistische Augenblicke, gotische Formen oder die Angst an sich heraufbeschwören kann. Die geschlossene Tür, die weggezogenen Flure, der tropfende Wasserhahn, die Äste des Baumes, die sich vor dem Fenster wie Greifarme nach einem strecken, die 9 dreht sich zur 6 usw.

Eine Auflösung der Realität, in der das Böse sich zum Eigenleben materialisiert und Besitz von Körper und v.a. Geist nimmt; die hier wie so oft nicht nur im HK Kino allerdings nur formal beschrieben, nie im Spektrum zwischen eindeutigem Sinneserlebnis und vorstellungsnaher Erfahrung erlebt werden kann. Auf der Narration als Kontaktmann zwischen den effektlastigen frightening set pieces wird durch steifen Dialog, sprödes Spiel und viel zu ausführlichen, aber dennoch halb gare bis hanebüchene Erklärungen soviel Wert gelegt, dass man dem Geschehen trotz Pseudo-Halluzinationen und illusionären Verkennungen keine verstörende Grundlosigkeit wie vielleicht bei Argentos Horror Infernal oder den vom Setting her ähnlich konstruierten Phenomena oder Suspiria bescheinigen kann. An dessen Verunsicherung, latenter Bedrohung, hypnotischer Verblendung, extrem polarisierender Empfindung und morbider Faszination man vielleicht auch gar nicht primär gelegen sein mag, dessen Quellen man aber häufig streift und den diesbezüglichen Vergleich auf jeden Fall nicht mal im Ansatz standgehalten werden kann.

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