Ohren auf!
Ich mag Til Schweiger nicht. Mochte ihn eigentlich nie so richtig.
Ihn als Schauspieler zu bezeichnen habe ich immer für ein bisschen übertrieben gehalten. Klar, er heißt in jedem Film anders, trägt aber eigentlich immer sein Til Schweiger Gesicht mit sich rum.
Kurz gesagt: Kein Grund für mich, ihn nochmal sehen zu müssen, nachdem ich von seinem Ergebnis als Regisseur "Barfuß"...naja sagen wir mal - wenig halte. Als romantische Komödie angepriesen, vermittelte Barfuß letztendlich so viel Liebe wie ein ostsibirischer Geräteschuppen...ich denke hier hat für mich der Herr Schweiger sein Gesicht erstmal verloren.
So weit so gut, ein Man ein Wort. Wenn einem da nur mal nicht der so heißgeliebte Freundes- und Bekanntenkreis einen Strich durch die Rechnung machen würde.
"Keinohrhasen" nicht gesehen zu haben, fühlte sich für mich ungefähr so an, als sei man beim Elfmeterschiessen der Deutschen gegen Argentinien gerade auf dem Klo gewesen:
Alle reden darüber, nur man selbst ist wieder die einzige arme Wurst im erlauchten Kreis, die nicht mitreden kann.
"Wie jetzt, hast du nicht gesehen - schau den an, is gut"
Schlussendlich machte mich das fast durchweg positive Echo doch neugierig und so hab ichs schließlich doch noch gewagt...und es nicht bereut!
Die Geschichte ist schnell erzählt. Til Schweiger gibt in bester Laune den smarten Klatschreporter Ludo, der das Leben genießt und seine Begleiterinnen dabei öfter wechselt als sein Sportjackett.
Gemeinsam mit seinem Fotographen ist er immer auf der Suche nach einer neuen Story.
Als er bei einem nächtlichen Ausflug über ein Glasdach aber etwas so richtig vermasselt, ist Schluss mit lustig. Ludo wird kurzerhand zu 300 Sozialstunden in einem Kindergarten verknackt.
Dort wartet bereits die nächste harte Nuss auf ihn: Die zuckersüße Nora Tschirner als Kindergärtnerin mit dem gar borstigen Namen Gotzlowski in noch borstigeren Öko Schlabberklamotten, die ihm seine Gemeinheiten aus Kindertagen selbstredend postwendend erstmal gehörig um die Ohren haut! Man sieht sich immer zweimal im Leben, was übrigens auch ein Taxifahrer früher oder später einsehen muss...
Kein guter Start also.
Natürlich befinden wir uns hier in einer romantischen Komödie, dementsprechend wissen wir was kommt.
An sich also ein recht klassischer Stoff, als simple Geschichte gestrickt.
Doch anders als "Barfuß" schafft Schweigers neuer Film als Mann hinter der Kamera, etwas was ich ihm nie zugetraut hätte: Er funktioniert prima und schafft es tatsächlich den Zuschauer in seiner Stimmung einzufangen.
Die ist nämlich trotz anfänglichem Krach geradezu herzerwärmend verspielt, sommerlich, leicht!
Schon die erste Szene mit Jürgen Vogel als Dieter Bohlen Verschnitt mit blonden Haaren auf dem Kopf und Silikon im Po ist ein Brüller.
Natürlich sind die Figuren überzeichnet, natürlich spielt Herr Schweiger wieder das alte Arschloch.
Trotzdem ist "Keinohrhasen" ein durch und durch liebenswerter, und vor allem in der ersten Hälfte erstaunlich lustiger, Film geworden.
Wenn ein kleines Mädchen in Annas Kindergarten auf die Frage, wie sie heißt "Chayenne Blue" antwortet, denkt man als Zuschauer bereits schmunzelnd an einen gewissen Hampelmusik machenden Spross einer deutschen Schauspielergröße. Als die Kleine auch noch erklärt ihre Mutti sei Schauspielerin, und die dürften ihren Kindern keine normalen Namen geben, ist man entgültig hin und weg.
Ludos Zeit im Kindergarten wird sehr gut in Szene gesetzt, und in Kombination mit dem meiner Meinung nach überdurchschnittlich gut gelungenen Soundtrack erweckt Schweiger tatsächlich ein kleines Stück Sommer und Zufriedenheit im Kino zum Leben.
Leider muss der Film gerade in der zweiten Hälfte die Gags ein gutes Stück zurückschrauben, soll doch "Keinohrhasen" schlussendlich eine romantische Komödie werden.
Doch gerade wenn zum Schluss die leiseren Töne dominieren, wird vieles leider vorhersehbar und das ein oder andere Logikloch schleicht sich ein.
Ärgerlich für mich: Matthias Schweighöfer, eigentlich schauspielerisch weit über Schweiger anzusiedeln, darf im gesamten Film keine drei Sätze sagen, sondern wird dazu verdammt, treudoof dem Chef himself hinterher zu dackeln. Hier wird Potential verschenkt.
Nichtsdestotrotz kann ich "Keinohrhasen" ohne Gewissensbisse weiterempfehlen. Schweiger schafft es tatsächlich, so etwas wie Emotion auf die Leinwand zu zaubern, Nora Tschirner ist trotz Gammel Outfit und grausamem Nasenfahrrad wieder zum Anbeißen gut und auch die vielen Gastauftritte der deutschen Schauspielkultur und einige weitere Seitenhiebe auf Boulevardblätter und bayrische Musik heben den Film über den Durchschnitt.
Fazit: Eine schöne Geschichte, gute Darsteller, wunderbare Musik und eine große Ladung Emotionen schaffen ein wunderbar kleines und leichtes Stück Sommer, das man sich ohne Gewissenbisse genehmigen kann!
Herr Schweiger, hier haben sie Ihr Gesicht wieder! Aber verlieren sies nicht nochmal, sonst ziehe ich ihnen die Ohren lang...