Review

Man sieht sich eben immer zweimal…

Was will man über einen Film schreiben, an dem es auf dem ersten Blick kaum etwas zu kritisieren gibt? Das ist die Schwierigkeit, mit der ich mich bei dieser Review zu „Keinohrhasen" auseinandersetzen musste. Seit dieser Woche ist nun Til Schweigers neuester Filmstreich in den deutschen Lichtspielhäusern angelaufen und eines sei vorweg gesagt: selten konnte man in letzter Zeit eine lustigere und erfrischendere deutsche Kinoproduktion betrachten. Nach den eher mäßigen Erfolgen von „Der Eisbär" (1998) und „Barfuss" (2005) ist „Keinohrhasen" nun der dritte Film, bei dem Til Schweiger auch selbst Regie geführt hat. Nach mehr als 13 Jahren seit „Der bewegte Mann", ist Til Schweiger endlich wieder eine großartige deutsche Komödie gelungen, bei der man bestens unterhalten wird. Schweiger setzt auch den derzeit vorherrschenden Trend, knuddelige, süße Nagetiere in den Mittelpunkt großer Filmproduktionen zu stellen, der schon mit „Ratatouille" mit der niedlichen Ratte Rémy als Protagonist einen Höhepunkt erreicht hatte, mit kuscheligen Stoffhasen (ohne Ohren) nahtlos fort.

Til Schweiger erfindet zwar die deutsche Unterhaltunsgkomödie nicht neu, denn die Story birgt wenig Neues oder Überraschendes. Dennoch ist „Keinohrhasen" vermutlich die schrägste und herzerfrischendste Romanze des deutschen Kinojahres 2007. Dies liegt daran, dass Schweiger ein gutes Händchen für einen rundum gelungenen Soundtrack bewiesen hat, es wunderbar versteht, mit wenigen Worten brillante Situationskomik in Form von geschliffenen Dialogen zu kreieren, aber auch an dem geballten „who is who" deutscher Filmprominenz, welches sich in „Kleinohrhasen" die Klinke in die Hand gibt.

Die Hauptprotagonisten sind natürlich Schweiger selbst als skandalsüchtiger Klatschreporter Ludo und Nora Tschirner (u.a. in „FC Venus"), in der Rolle des resoluten, mausgrauen, schrullig-verschrobenen Mauerblümchens Anna. Selten konnte man in einer Komödie eine derartige Riege der besten und bekanntesten deutschen Schauspieler finden, die sich zum Teil mit einer gehörigen Portion Ironie selbst nicht ganz ernst nehmen. An der Seite von Ludo findet man mit Matthias Schweighöfer (siehe auch „Hitman", „Polly Blue Eyes" oder „Soloalbum") als rasenden Fotographen Moritz, der mit spitzbübischer Unbedarftheit seinem Kollegen loyal zur Seite steht, wohl einen der derzeit besten deutschen (Nachwuchs)Schauspieler. Nach einigen blamablen journalistischen Fehltritten (phänomenal und urkomisch der Schauspieler Jürgen Vogel in einer Nebenrolle) waren beide schließlich der ganz großen Story auf der Spur, doch die Verlobungsparty von Pop-Heulsirene Yvonne Catterfeld mit dem ukrainischen „Weißt Du, Mialchschnieate" - Boxmeister Wladimir Klitschko (beide spielen sich natürlich selbst) entwickelt sich zu einem Desaster für Ludo.

Um dem Gefängnis zu entgehen, wird Ludo zu 300 Sozialstunden in einem Berliner Kinderhort verdonnert. Gerade für ihn als egoistischen „Womanizer" erster Güte hätte es nicht schlimmer kommen können. Dort wird Anna (Nora Tschirner) seine Vorgesetzte. Während sie sich noch bildlich an ihn aus früheren Kindheitstagen erinnern kann, benötigt er einige Hilfestellungen bis ihm schließlich bewusst wird, dass es sich bei Anna um sein primäres Opfer von Hänseleien (heute würde man es Mobbing nennen) aus Schulzeiten handelt. Bereits hier trifft der zentrale Satz des Film „Man sieht sich immer zweimal..." zu und nach „wie du mir, so ich dir" - Art wendet sich nun das Blatt. Jetzt ist es die zickige Anna, die nichts unversucht lässt, um Ludo das Leben im Kinderhort so schwer wie möglich zu machen, um sich für früher zu rächen. So entsteht allerlei Situationskomik und durch absolut geschliffene Dialoge zum brüllen komische Momente.

In weiteren Rollen findet man Rick Kavanian als Ludos cholerischen Chefredakteur mit Wiener Schmäh oder Christian Tramitz (beide bekannt aus „Traumschiff Surprise" oder der „Bullyparade"). Urkomisch ist auch Armin Rohde, der als Kinderzauberbär „Bello" sich selbst aufs Korn nimmt, denn schließlich war er mit seinem Film „Herr Bello" ja selbst in den deutschen Kinos eher weniger als mehr erfolgreich. Til Schweiger gewährt dem Zuschauer auch amüsante Einblicke hinter die Kulissen der „heile - Welt - bussi - bussi" - Gesellschaft der volkstümlichen Musik. Diese Szenen sind vermutlich gar nicht so realitätsfern sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen und durchaus einen wahren Kern enthalten. An sich ist „Keinohrhasen" ja eher schon ein Film der leichten Unterhaltung, was die Theaterschauspielerin Alwara Höfels wortgewandt mit spitzer Zunge unter Beweis stellt. Dennoch zeugen gerade die Szenen mit dem Volksmusikpaar, welches nur auf den ersten Blick glücklich ist, von einer gewissen Tiefgründigkeit.

Natürlich sind die schauspielerischen Leistungen aller Protagonisten und Nebendarsteller samt der Kinder absolut großartig. Hervorzuheben ist jedoch Nora Tschirner. Sowohl durch ihre Kratzbürstigkeit, ihre emotionale Ernsthaftigkeit und Verletzbarkeit tritt sie immer wieder auf die Spaßbremse und nimmt somit auch etwas Fahrt aus dem Film, was diesem insofern gut, als dass zum einen die einzelnen Gags und die brillanten Dialoge noch mehr hervorgehoben werden, aber zum anderen auch die leisen Momente absolut eindringlich und authentisch wirken und an Bedeutung gewinnen. Nora Tschirner verkörpert die Rolle der nur äußerlich souveränen aber innerlich durchaus emotional labilen und naiven Erzieherin mit ihrem ganzen Körper und Herzen (was sie in einigen Nacktszenen auch unter Beweis stellt) und gewährt auf diese Art ebenfalls durchaus ernste und nachdenkliche Momente in die Gefühlswelt einer jungen Single - Frau.

Abgerundet wird das in sich stimmige Ganze durch einen herrlichen Soundtrack. Schweiger zeigt, dass er nicht nur ein gutes Händchen für Dialoge, Situationen und Schauspieler hat, sondern auch für Musik. Der Soundtrack von „Keinohrhasen" bietet kein eigens dafür durchkomponiertes konzertantes Hörerlebnis vom Stile eines Hans Zimmer oder eines Ennio Morricone, sondern eine den Situationen angemessen Kollektionen modernen Popmusik. So findet sich unter den Stücken auch die aktuelle Nummer Eins der deutschen Singlecharts: Timbaland feat. One Republic mit „Apologize". Weitere Songs steuerten zum Beispiel die Killers mit „Mr. Brightside", Prefab Sprout mit „Looking vor Atlantis" oder Keane mit „Everybody´s Changing" bei. Verantwortlich für die Songauswahl waren Mirko Schaffer, Dirk Reichardt und Stefan Hansen. Zwischen die Songbeiträge populärer Bands und Musiker fügen sich nahtlos neun atmosphärisch dichte Stücke, wodurch die Handlung - besonders die ruhigen und nachdenklichen Momente - noch mehr unterstrichen werden.

FAZIT:

„Keinohrhasen"
ist ein wunderbarer Film der bestens unterhält. Obwohl es sich um eine romantische Liebeskomödie handelt, wirkt der Film zu keiner Zeit aufgesetzt oder langatmig. Der Streifen ist von der ersten bis zur letzten Minute absolut stimmig durchkomponiert - im wahrsten Sinne des Wortes, auf Grund des hervorragenden Soundtracks - und lässt somit das Kinojahr 2007 gebührend ausklingen. Interessant ist zudem, dass Regisseur, Produzent, Autor und Schauspieler Til Schweiger nicht nur bewiesen hat, dass er zum einen nicht nur zurecht Deutschlands beliebtester Schauspieler ist und zum anderen als Regisseur ebenfalls zu glänzen vermag, sondern - nicht nur im Film - auch in der Wirklichkeit ein absoluter Familienmensch ist: Im Abspann erfährt der Zuschauer, dass vier der Kinder aus dem Kinderhort seine eigenen Sind. Da die Dialoge (und einige Szenen) jedoch äußerst anzüglich und nicht für Kinderohren- und Augen geeignet sind, ist „Keinohrhasen" - ein Film der ans Herz und ans Zwerchfell geht - wohl nichts für Kinder, für (junge) Erwachsene jedoch ein absolutes Highlight und deshalb uneingeschränkt empfehlenswert.

(8 / 10 Punkten)

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