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Die Nacht der lebenden Kino-Legenden… nun gut, auch wenn es keine Nacht ist, so betritt dennoch ein Kinolegende nach Jahren der Abwesenheit wieder die Leinwand. Nachdem Sylvester Stallone mit seinem nunmehr sechsten „Rocky“-Teil das Herz der Rocky-Fans zurückerobern konnte, darf jetzt auch John Rambo seine Wummen wieder abstauben und im Dschungel auf die Jagd gehen. Seine Beute: böse Soldaten aus Birma.

Zwei Namen haben Stallone groß gemacht: der eine war sicherlich Rocky Balboa – doch der zweite war definitiv John Rambo. Nach der zufrieden stellenden Rehabilitation und gleichzeitigen Verabschiedung seines Boxer-Helden ist es nun an Rambo wieder seinen großen Kinoauftritt zu wagen. Der desillusionierte Kriegsheld, der im Alleingang ganze Armeen plättet und zudem den Spruch „du benimmst Dich wie Rambo“ geprägt hat, sollte nun auch seinen eigenen, persönlichen Abgesang auf der großen Leinwand kriegen. Und alles sollte besser und härter und dreckiger sein und als kleines Sahnehäubchen sollte das ganze sogar noch einen kritischen Blick auf die Situation in Birma bieten.
Trotzdem steht das ganze unter dem Motto: wenn man sich hier schon von der Action-Ikone schlechthin verabschiedet, dann muss es krachen und zwar gewaltig.

John Rambo hat schon einen langen, beachtlichen Weg zurückgelegt: angefangen als arme Sau aus Vietnam, die in ihrer Heimat nichts als Hass und Unverständnis erwartet, über eine heldenhafte Ein-Mann-Rettungsaktion in Vietnam (und erneuter Konfrontation mit der „Kriegs-Bürokratie“, auch wenn das in „First Blood: Part II“ sicherlich als eher nebensächlich erachtet werden kann) und letztendlich eine glorreiche Schlacht gegen fiese Russen in Afghanistan. Wenn dabei duzende von bösen Buben in die nächsten Welt geschickt werden: umso besser. Je mehr desto besser.
Das ist ein schöner Action-Lebenslauf (mit fragwürdiger Moral), der zum Kult avanciert ist und das zu Recht. Wenn man jetzt nach 20-jähriger Ruhepause an diesen Held anschließen will, tritt man ein schweres Erbe an, dem Gerecht zu werden nicht leicht ist. Daher übernahm auch Sylvester Stallone alias John Rambo persönlich Regie, Drehbuch und natürlich Hauptrolle (wen könnte man sich auch sonst als Rambo vorstellen…). Das so etwas gut gehen kann, hat Stallone ja schon zuvor bei „Rocky Balboa“ bewiesen.

Wenn es nun zur gleichzeitigen Auferstehung und Abgesang einer solchen Kino-Legende kommt, dann sitzen die Fans natürlich schon sabbernd in den Startlöchern und fiebern dem Kinobesuch entgegen. Die Presse schürt dann noch schön die Erwartungen und spricht von dem brutalsten Rambo wo gibt und die Fans werden noch heißer auf den Film…

Doch was bietet uns John Rambo denn nun im Kino?
Müde geworden lebt er in Thailand, des Krieges überdrüssig und verdient seinen Lebensunterhalt mit Schlangenjagd. Im benachbarten Birma tobt derweil ein blutiger Bürgerkrieg oder viel mehr ein beispielloser Völkermord. Eine Gruppe freiwilliger Helfer um Sarah Miller und Michael Burnett wollen den Kriegsveteran anheuern, dass er sie mit seinem Boot in das Kriegsgebiet bringt, damit sie dort den Zivilisten helfen können. Sich der dortigen Situation sehrwohl bewusst lehnt er jedoch zunächst ab, lässt sich denne aber von Sarah Miller derart vollsülzen, dass er schließlich dennoch einlenkt.
Er liefert das Grüppchen guter Samariter unversehrt in Birma ab, welche dortigst einem Dorf mit Arznei und Christentum beistehen. Selbiges wird jedoch bald von Soldaten überfallen und wer nicht im Kugelhagel umkommt, gerät in Gefangenschaft, darunter Sarah Miller samt Gefolge.
Und wieder wird Rambo angeheuert, doch diesmal soll er einen Trupp Söldner nach Birma bringen, die die Gefangenen befreien sollen. In Birma überlasst Rambo ihnen aber nicht die ganze Arbeit, sondern mischt tatkräftig mit…

Ja, ja. Es war bestimmt nicht leicht, wenn man keine Russen mehr als Gegner hat und die Gefangen aus Vietnam allesamt ausgeflogen wurden, einen würdigen Antagonisten für John Rambo zu finden, der zumindest halbwegs aktuell ist. Afghanistan ging ja nicht mehr, hatte man die Bevölkerung dort doch im dritten Teil in den höchsten Himmel gelobt und nach gegebenen politischen Zwischenfällen wäre dies leicht taktlos gewesen. Iran/Irak wäre vermutlich zu klischeehaft gewesen und ein Dschungel ist nun mal auch netter anzusehen als so eine karge, staubige Wüste, zumal keine Russen die Umgebung mehr unsicher machen durften.

Doch dafür hat Sly jetzt Birma entdeckt und erwischt damit doch ein glatt aktuell brisantes Thema. Und Sly hat dazu gleich angekündigt, dem Zuschauer die Gräueltaten die sich dort ereignen vor Augen zu führen und selbige Zustände an den Pranger zu stellen. Ein bisschen Kritik gehört heute einfach dazu. Und das in einem Rambo-Film!

Und was ist daraus geworden? Eine Ansammlung von Klischees. Natürlich sind die Militärs abgrundtief böse, treiben ihre sadistischen Spielchen mit den armen Zivilisten, lassen diese ein Wettrennen durch ein Mienenfeld veranstalten, missbrauchen die Frauen und der böse General steht auch noch auf kleine Jungs… diese Kerle werden einfach so dümmlich eindeutig böse dargestellt, damit auch jeder kapiert: das sind die Bösen! Das sind solche Arschlöcher, die darf Rambo ruhig plattwalzen. Was uns hier präsentiert wird, ist quasi die Ausgeburt der Hölle, die auf die arme Bevölkerung Birmas losgelassen wurde.
Diese Darstellung entfernt von einer ernstzunehmenden kritischen Darstellung, dafür sind die Soldaten einfach zu unrealistisch dargestellt und zu einseitig in Szene gesetzt. Als Kanonenfutter müssen sie natürlich möglichst böse sein, damit Rambo sie auch gerechtfertig niedermetzeln darf. Das ist es und nicht mehr. Das ist keine sonderlich tiefsinnig Kritik an den Zuständen in Birma. Mag sein, dass manches wirklich so in Birma wieder finden lässt, aber in der Art ist es einfach zuviel.
Zu Beginn kriegt der Zuschauer zumindest kurze Videoschnipsel von der wirklichen Situation in Birma. Bei diesen kann es einem wirklich eiskalt den Rücken runterlaufen.

Nun sind die Soldaten schon Abziehbilder des Klischeebösen und doch haben sie eine noch größere Schwäche. Es gibt einfach keinen signifikanten Gegenspieler zu Rambo unter ihnen. Einfach ausgedrückt sind das alles nur „Schlitzaugen“, durch die sich Rambo mit reinem Gewissen durchballern darf. Aber er ballert sich hier durch einen Einheitsbrei von zwar fiesen, aber dennoch gesichtslosen Haufen von Gegnern.
Was fehlt ist das Mastermind hinter der Sache, ein ernstzunehmender oder zumindest auffallender Gegenspieler zu Rambo und der findet sich hier einfach nicht. Das Problem daran ist, dass es keinen Gegner für Rambo in dieser Masse gibt. Nur Fußvolk, nur wandelnde Zielscheiben. Keiner der es mit Rambo aufnehmen könnte. Aber wie sollte ein Amerikaner auch einen Chefé von anderen Asiaten unterscheiden können? Zwar kann man bei so einem Film keinen Oberbösewicht á la „James Bond“ erwarten, aber sogar die alten Rambos hatten zumindest einen rudimentären Oberfiesling, der sich aus der Truppe der Einheitszielscheiben hervorgehoben hat.
Immerhin bemüht sich Stallone sichtlich darum, den gegnerischen Befehlshaber von den Untergebenen abzugrenzen. So fokussiert sich das Geschehen öfters mal bedeutungsschwanger auf diesen, zum Beispiel räumt man ihm eine Szene als Päderasten ein. Ist ja klar: der perversester von allen stellt sich als Alpha-Männchen an die Spitze.
Trotzdem versinkt auch dieser Gestalt in den erschreckend profillosen Asiaten und dem Zielscheibeneinheitsbrei. Nur eins ist klar: die sind böse und die müssen weg!

Die Missionare sind ebenso gesichtslos wie nervig, haben immerhin noch ihren beiden führenden Köpfe Sarah Miller und Michael Burnett, die mit ihrem christlichen Gesülze auf ihr baldigst schmerzhaftes Ende hoffen lassen. Immerhin tun sie sich irgendwie aus den Missionaren hervor, die sich ansonsten als ebenso gesichtslos erweisen, wie die Bösewichte. Ist immerhin irgendwie ein gutes Gegenstück zu diesen… ebenso farblos wie zweckmäßig.
Die Söldner erfüllen natürlich alle Erwartungen und erweisen sich als eine weitere Anhäufung von Klischees, unterscheiden sich aber immerhin irgendwo von einander. Trotzdem ist das nichts weiter eine die Standard-Ansammlung vom arroganten Arschlochanführer, über den netten Kerl in der Mitte und… eben dem Rest. Zugegeben: wenn der Chefie Rambo anpflaumt und dieser nur stoisch zurückstarrt, dann hat das durchaus was Amüsantes. Über amüsant geht’s aber auch nicht hinaus.

Um das ganze abzurunden fehlt natürlich noch die Zivilbevölkerung, die hier immerhin das Opfer von grausigen Misshandlungen wird. Im Grunde sind das hier ein Haufen Asiaten, die im Kugelhagel umkommen oder sonst wie grausige Begegnungen mit Kriegsmaterial erleben. Daraus resultiert dann ihr Sinn und Zweck für diesen Film: sie müssen sterben, am besten möglichst fies und möglichst viel, damit Rambo einen Grund zum Schießen kriegt.
Da erscheinen Szenen wie die Erschießung von Kindern oder besagtes Mienen-Feld-Wettrennen natürlich brutal, aber es will einem einfach nicht wirklich zu Herzen gehen, dazu fehlt einem einfach die Verbundenheit mit diesem gequälten Volk. Letztendlich ist es nur von Bedeutung, dass Rambo für die ganzen Untaten einen hohen Blutzoll fordern wird.
Es gibt dann wohl noch so eine Fraktion von Rebellen, die sich die meiste Zeit aber im Dschungel verstecken und ansonsten eher dem Deus-Ex-Machina-Erlebnis am Schluss dienlich sind. Charakterlich sind auch sie weniger komplex, aber sie tragen Waffen und das reicht ja für diesen Film…

Aber gut, schließlich reichten die Charaktere auch zuvor, zumindest in Teil 2 und 3, nie über Klischeeniveau hinaus. Der Film steht und fällt schließlich mit seiner Hauptfigur. Und der kann man wenig anhaben scheint mir oder zumindest lässt Stallone seine Figur nicht fallen. Nein, Rambo zuzusehen ist noch das amüsanteste am ganzen Film, wenn sich Botox-Stallone durch den Dschungel schleicht, schlitzt und ballert und das dann auch noch mit lässigen One-Linern garniert. Das macht durchaus Spaß und solche Szene, wie als Rambo mit dem Bogen aus den Büschen gerannt kommt und mehrer Soldaten mit Pfeilen spickt, sind zum Grölen.
Rambos Charakter wird hier im letzten Teil natürlich nicht komplexer, ebenso wenig wie Stallones Schauspielkunst. Aber es reicht aus und macht Spaß und mehr kann man auch nicht davon verlangen. Er ist zwar kein begnadeter Schauspieler, aber Stallone überzeugt als kriegsmüder Rambo. Das Ende wirkt zwar weniger als endgültiger Abgesang auf den Helden (ist es bestimmt, das will ich nicht bezweifeln), aber man nimmt das so hin, wie es uns gezeigt wird. Der Figur Rambo wird auf jedenfall ein würdevoller Abgang zu teil.

Aber eins sollte bei einem „Rambo“-Film auf jedenfall stimmen und das ist die Action. Davon gibt es auf den 90 Minuten bestimmt genug. Oder nicht? Ich weiß nicht, aber mir war zu wenig Action drin. Überwiegend hatte der Film Leerlauf – zumindest erschien mir das so. Bis Rambo wirklich richtig in Aktion zu sehen ist vergeht viel Zeit und die Action-Szenen fallen dann eher unspektakulär aus. Am Ende hagelt es natürlich Kugeln en más, schließlich findet Rambo hier ein fettes MG – nur das ist dann einfach wahnsinnig langweilig, wenn der Kerl hinter einem stationären MG steht und eine Horde Gegner nach der anderen mit einem Kugelhagel eindeckt, bis kein Schwein mehr steht. Da ist keine Spannung, kein Tempo kein nichts drin. Stallone steht einfach hinter einem MG und heizt alles auf die Gegner, was das Ding hergibt.
Spannender geht es hingegen weiter unten zu, wo die Söldner sich verzweifelt gegen die Soldantenmassen wehren. Zwar fehlt einem immer noch eine Figur, mit der man wirklich sympathisiert, aber der Überlebenskampf von diesen ist ungemein packender als das schier endlose Geballer des unbesiegbaren Rambo, der wie ein Fels über dem Geschehen steht und seine Kugellawinen auf seine Gegner niederprasseln lässt.
Der Gewaltgrad dabei ist moderat. Ja, moderat, denn bei dem ganzen Bohai das die Presse um diesen Film gemacht hat, hab ich einfach mehr erwartet. Vielleicht fehlt mir auch das Entscheidende, da ich nur die deutsche Kinofassung gesehen hab. Aber das was ich gesehen habe, das hat mich einfach nicht vom Hocker gerissen. OK, ein Kind wird erschossen. Das ist natürlich nicht ohne, aber ansonsten gab es halt nur die 08/15-Shootouts und die fand ich in John Woo-Filmen irgendwie spektakulärer.

Wie dem auch sei: ich habe den bruatlsten und explosivsten Rambo überhaupt erwartet. Doch was mich erwartet hat, das war Langeweile. Der Film war noch nicht mal groß zum Schmunzeln, wie die alten pseudoernsten Rambos, er war einfach öde. Schrecklich öde.
Genauso wie „Rocky Balboa“ (wobei ich absolut kein Rocky-Fan bin) erzeugte auch Stallones zweiter Abgesang bei mir nur ein müdes Gähnen, aber immerhin keine Magenschmerzen. Meine Erwartungen waren aber, wieder mal, zu hoch. So ist „John Rambo“ zwar nicht eine grenzenlose Enttäuschung, er wird aber auf jedenfall dem Hype, der um ihn gemacht wird, nicht gerecht. Als Abgesang auf Rambo nehme ich ihn aber gerne an.

6,5 von 10

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