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Ruby und ihr kleiner Bruder Rhett verlieren durch einen Autounfall ihre Eltern. Das Testament besagt, daß sie als Ersatz das Ehepaar Erin und Terry Glass zugewiesen bekommen. Es dauert nicht lange, da erkennt Ruby, daß mit den beiden nach außen hin so freundlichen Leuten etwas nicht stimmt. Sie erfährt von Terrys Geldsorgen, dieser wird ganz offensichtlich von Geldhaien unter massiven Druck gesetzt. Und da die 16-jährige weiß, daß Vater und Mutter Lebensversicherungen für vier Millionen Dollar abgeschlossen haben, kommt ihr ein schlimmer Gedanke...

Herrjemine, was für ein vermurkster Thriller! Wesley Strick, der sich immerhin für das Skript des populären Reißers „Kap der Angst“ mit Robert de Niro, Nick Nolte, Jessica Lange und Juliette Lewis verantwortlich zeigte, plünderte für „The Glass House“ sämtliche Elemente aus dem „Wie-inszeniere-ich-einen-spannenden-Thriller?“-Baukasten und läßt wirklich kein noch so dämliches Klischee aus, das innerhalb der schon mehrere Dekaden umfassenden Kinogeschichte kreiert wurde. Nichts, aber wirklich gar nichts findet sich hier, was NICHT in irgendeiner Form schon einmal dagewesen wäre.

„The Glass House“ ist von A bis Z die Vorhersehbarkeit in Filmform. Demzufolge hält sich die Spannung von vornherein in argen Grenzen, die munter eingestreuten Schreckeffekte verfehlen konsequent ihre Wirkung und jede als überraschend gemeinte Wendung verpufft aus dem einfachen Grunde, weil jeder in diesem Genre wenigstens einigermaßen Bewanderte ohnehin weiß, was geschehen wird. Da ist keine Kreativität, da ist keine eigene Idee - Enttäuschung pur.

Spätestens nach einer guten halben Stunde, wahrscheinlich aber noch früher, dürfte man herausgefunden haben, wo der Hase läuft, wenn man denn wenigstens halbherzig aufgepaßt hat: Alles beginnt mit einem mysteriösen Autounfall, bei dem zwei Menschen ums Leben kommen. Ihre beiden Kinder Ruby (Leelee Sobieski, erfreulich solide Leistung) und Rhett (Trevor Morgan) werden von dem befreundeten Ehepaar Erin (Diane Lane) und Terry (Stellan Skarsgard) aufgenommen. Vor ihrem Tod haben die Eltern noch hohe Lebensversicherungen abgeschlossen. Ersatzpapa Terry hat finanzielle Probleme. Allein diese knappen Formulierungen müßten für den Thriller-Fan Hinweise genug sein, um den weiteren Handlungsverlauf vorauszusehen.

Es kann daher nicht mehr verwundern, wenn nach und nach die Fassade des sympathischen Ehepaares bröckelt: Erin verheimlicht ihre Drogensucht, Terry hingegen entpuppt sich alsbald als der große Buhmann unserer Geschichte, der alles an Eigenschaften mitbringt, was ein Buhmann mitbringen muß. Er ist einerseits skrupellos genug, seine „Adoptivkinder“ töten zu wollen, andererseits ein absolutes Weichei, das vor seinen gewaltbereiten Schuldnern kuscht. Ein Schema-F-Bösewicht also, wie er im Buche steht. Wenigstens kämpft Stellan Skarsgard sehr solide, wie man es von ihm gewohnt ist, gegen seinen unzureichend beschriebenen, zum Scheitern verurteilten Charakter an.

Viel schlimmer erwischt es aber die Figur der Erin. Diane Lane ist nominell die Hauptdarstellerin, weshalb es nicht vermessen ist zu glauben, sie würde noch eine wichtige Rolle spielen, indem sie sich z.B. auf die Seite der Kinder schlägt und gegen ihren Mann stellt. Allein: Es kommt ganz anders, insofern kann man doch noch eine Überraschung vermerken. Allerdings kann diese guten Gewissens in die Minusliste aufgenommen werden. Denn Anfang des letzten Drittels wird Erin mir nichts dir nichts aus der Handlung genommen und liegt tot im Ehebett, ohne daß es sie rückblickend betrachtet überhaupt gebraucht hätte. Hätte man Terry als allein erziehenden Ersatzvater eingesetzt, wäre dem Plot nichts Wesentliches verlorengegangen, allerhöchstens ein paar Minuten, aber das hätte sich auf den mit 107 Minuten ohnehin um einiges zu langen Film bestimmt nicht nachteilig ausgewirkt. Ein einziges Ärgernis. Ähnliches gilt übrigens für Bruce Dern als Notar Begleiter, der ebenfalls fast völlig verschenkt wird, eine letztlich völlig irrelevante Nebenrolle spielt.

Sollte jemand auf die Idee kommen und aufgrund des Titels „The Glass House“ (ist euch übrigens die hinreißend plumpe Doppeldeutigkeit des Filmtitels aufgefallen?) glauben, die Geschichte würde im Glashaus, dem Anwesen der Glasses, ein Ende finden, der sieht sich getäuscht. Dieser ungewöhnliche Schauplatz spielt nur eine untergeordnete Rolle. Schade eigentlich, erreichte der Film dadurch doch einige atmosphärische Momente.

Stattdessen verlagert sich das Finale auf eine enge, ziemlich weit oben gelegene Küstenstraße, auf der man besser vorsichtig Auto fahren sollte. Der Versuch, etwas Action hineinzubringen, ist gewiß nicht so mies, aber leider macht Regisseur Sackheim den schlimmen und unverzeihlichen Fehler, nicht etwa die als Identifikationsfiguren gedachten Kinder in Todesgefahr zu bringen, sondern Terry, der jetzt unvermittelt vom Täter zum Opfer mutiert, von der bösen Neben- zur Hauptfigur, als seine Schuldner unter ernsthafter Gewaltandrohung Geld einzutreiben versuchen. Warum sollte der Zuschauer jetzt auch nur einen Hauch Nervenkitzel verspüren, wenn das Drehbuch sich bis dahin doch größte Mühe gegeben hat, Mr. Glass so unsympathisch wie möglich erscheinen zu lassen? Ruby und Rhett hingegen befinden sich zu dem Zeitpunkt in Sicherheit und haben nichts zu befürchten, sondern erst wieder in den Schlußminuten, wenn noch das letzte (natürlich auch vorhersehbare) Klischee, das in kaum einem Thriller fehlen darf, nämlich „Der Bösmann ist mitnichten sofort tot, auch wenn es danach aussieht“, abgefrühstückt werden muß.

Jetzt soll nicht der Eindruck entstehen, „The Glass House“ wäre ein schlechter Film. Überflüssig ja, schlecht auf keinen Fall. Das größte Kompliment, das man dem Filmteam aussprechen kann, ist, daß er trotz aller Mängel immer noch recht ansehbar bleibt. Es muß einfach festgehalten werden: Man findet zweifellos ohne Probleme weitaus unerfreulichere Machwerke, die sich Thriller schimpfen. Ein mäßiges Maß an Spannung will ich diesem Exemplar gar nicht absprechen (es gibt welche, die sind völlig spannungslos), aber es ist am Ende eben dieser pure Durchschnitt, diese grenzenlose Einfallslosigkeit, worüber man sich aufregen kann und als Vielseher eigentlich sogar muß.

Fazit: „The Glass House“ ist der Prototyp eines restlos durchschnittlichen Psychothrillers. Gute Darsteller zwar, aber dafür leider auch: 08/15-Bösewicht, 08/15-Handlungsaufbau, vorhersehbare Schockeffekte, durchsichtige Wendungen. Insgesamt eine enttäuschende Angelegenheit, die man zwangsweise schnell wieder vergessen haben wird.
GESAMT: mit einem zugedrückten Auge noch 5/10

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