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Ist ein Videospiel oder eine Videospielreihe extrem erfolgreich, lässt eine Verfilmung oft nicht lange auf sich warten. Es gibt wohl kaum jemanden, der beispielsweise die Resident Evil Spiel- und Filmreihe nicht kennt. Beim Stealth-Game Franchise Hitman waren wohl die sage und schreibe 3,6 Millionen verkauften Einheiten von  Hitman 2 - Silent Assassin (2002) ausschlaggebend, dass die Entwickler Eidos und IO Interactive im Februar 2003 Verhandlungen mit Hollywood Studios aufnahmen, um die Filmrechte des beliebten Auftragsmörder-Charakters Hitman Agent 47 möglichst gewinnbringend zu vergeben. Trotz zahlreicher negativer Kritikerreaktionen hat sich die erste Realverfilmung durchaus gelohnt: Der am 29.11.2007 Weltpremiere feiernde, 24 Millionen Dollar teure Hitman - Jeder stirbt für sich alleine konnte weltweit knapp über 100 Millionen Dollar einspielen und bietet ungeahndet der auffallenden Defizite im Handlungs- und Darstellerbereich knallharte, rasante und spektakuläre Action, die zumindest bei mir für zufriedenstellende Samstag-Abend-Unterhaltung sorgen kann. Manchmal ist ein Film eben doch besser als sein Ruf, dafür ist Hitman - Jeder stirbt für sich alleine  ein Paradebeispiel.

Nachdem 20th Century Fox die Produktions Order erhielt, wurde Drehbuchautor Skib Woods beauftragt, das Skript zu schreiben. Im Dezember 2006 warf der geplante Agent 47 Darsteller Vin Diesel das Handtuch und stellte seine Dienste nur noch als unterstützender Produzent zur Verfügung. Als erste Wahl für den Mr. Fast and Furious Ersatz galt niemand geringerer als Jason Statham, dieser lehnte jedoch auf Grund von Terminkonflikten ab. Im Januar 2007 sicherte sich Timothy Olyphant​ (Stirb langsam 4.0) die Hauptrolle und Xavier Gens übernahm die Regie. Die Dreharbeiten starteten am 27.03.2017 und dauerten insgesamt 12 Wochen, während sich die Story zwar an der Spielvorgabe orientiert, aber gleichzeitig auch auf eine etwas weichere Charakterisierung des eigentlich gewissenlosen Profikillers setzt. Beim missglückten Job, den russischen Präsidenten Mikhail Belicoff (Ulrich Thomsen) in der Öffentlichkeit zu töten, erhält Agent 47 (Timothy Olyphant) einen Hinweis, es gäbe mit Belicoffs Geliebten Nika (Olga Kurylenko) einen Zeugen, der ausgeschaltet werden muss. Als Agent 47 bemerkt, dass Nika ihn noch nie gesehen hat, verschont er sie, während seine eigenen Auftraggeber ihn  zum Abschuss freigegeben haben. Beim Versuch, gemeinsam mit Nika die undichte Stelle in der Organisation zu finden, gerät er zwischen die Fronten vom russischen Geheimdienstchef Yuri Marklov (Robert Knepper), dem fleißigen Interpol-Agenten Mike Whittier (Dougray Scott) und jeder Menge weiterer Auftragsmörder, ehe er erneut versucht, seinen gescheiterten Auftrag in Russland zu Ende zu bringen...

Adaptionen von bekannten Marken oder Produkten können Vor- und Nachteile gleichzeitig beinhalten. Das bereits vorhandene Zielpublikum, welches eigentlich nur noch abgeholt werden muss, was sich umsatztechnisch meist positiv auswirkt, hegt selbsterklärend auch eine gewisse Erwartungshaltung an die Charaktere und deren Darstellung. Die Hitman Fangemeinde kennt Agent 47 mit seinen eckig markanten Gesichtszügen und seiner inneren Ruhe als eiskalten, emotionslosen Assassin der seine Missionen in den Videospielabenteuern ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken zu 100% erfüllt. Für Timothy Olyphant sind diese Fußstapfen eindeutig zu groß. Trotz der dem Videospiel nachempfundenen Optik mit Glatze, schwarzem Anzug und Krawatte und trotz seines bemühten Auftretens gelingt es ihm nicht, der Rolle seinen Stempel aufzudrücken. Einen großen Teil zu diesem Eindruck mag sicherlich auch das differenzierte Drehbuch beigetragen haben, welches den Hitman nahbarer und emotionaler zeichnet. Olyphant​ exaltiert jedoch die Menschlichkeit und kann auf Grund seines jugendlichen Aussehens und seiner weichen Ausstrahlung die unbarmherzige Seite des Killers nicht glaubhaft auf die Leinwand bringen. Es kommt nicht von ungefähr, dass Olyphant​ lediglich dritte Wahl war, Raubeine wie Vin Diesel oder Jason Statham hätten diese Gratwanderung dank ihrer männlichen Strahlkraft besser hinbekommen. 

Obwohl Olga Kurylenkos Figur Nika und ihr Erscheinungsbild vom Nebencharakter Lei Ling aus Hitman - Codname 47 (2000) inspiriert wurde, ist ihr Mitwirken zumindest für mich die zweite große Schwäche des Films. Auch hier trifft die Darstellerin selbst nur zum Teil die Schuld. Die unliebsame, klischeehafte Figurenzeichnung geht nämlich auf das Konto von Storywriter Skib Woods, welcher mit der angedeuteten Romanze wohl einen auflockernden emotionalen Subplot integrieren wollte, der aber letzten Endes nicht so wirklich in die actionorientierte Grundstimmung passen will und oft etwas platt und abgedroschen wirkt. Der selbstironische Seitenhieb auf den gewissenlosen Mörder, der nicht einmal weiß, wie man eine Frau auszieht, zündet nur bedingt und Kurylenkos unbeholfenes Stammeln im Ostblock Akzent sorgte gemeinsam mit ihrem hölzernen Schauspiel dafür, dass ich Agent 47 nicht nur einmal ins Ohr flüstern wollte, doch bitte das lästige Wimmerl endlich in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Bei der Besetzung weiterer tragender Nebenrollen hatte der Casting Verantwortliche Christian Kaplan anscheinend ein glücklicheres Händchen: Robert Kepper als schmieriger KGB Beamter Yuri Marklov und Dougray Scott als umsichtiger Interpol Agent Mike Whittier überzeugen mit ihren Darbietungen auf ganzer Linie und erweisen sich als äußerst zähe und ernstzunehmende Gegner für den als unbesiegbar geltenden Liquidator.

Doch die Hitman Anhängerschaft braucht die Flinte nicht ins Korn zu werfen, denn Hitman - Jeder stirbt für sich alleine bietet auch genügend Identifikationsmomente, die ihren Helden in bekannt ehrfürchtigem Licht erscheinen lassen. Zum einen wäre da das kultige, orchestrale Ave Maria-Theme, welches den Film musikalisch stimmungsvoll einleitet und auch auf Agent 47s Kontaktperson Diana muss nicht verzichtet werden. Zum anderen wurden Kulissen bzw. Handlungsabfolgen aus den Spielen nachgestellt, die Szene mit Agent 47 als Scharfschütze auf dem Dach hinter der roten Werbetafel oder die Badewannensequenz samt Gummiente dürfte jedem Zocker ein Begriff sein. Darüber hinaus werden aufmerksame Zuschauer die beiden Silbermänner wieder erkennen, welche der Hitman wie im Spiel in gekreuzten Armen vor seiner Brust trägt, bevor er die Pistolen detailgetreu in der gleichen markanten Körperhaltung abfeuert. Das die allgemeine Ausrichtung mehr auf knallige Action als auf einen schleichenden Hitman setzt, hat mich persönlich jetzt nicht wirklich gestört. Schließlich kann der Gamer auch im Spiel sein Vorgehen je nach Vorliebe anpassen, was die Filmfigur im intelligent aufgebauten Finale ebenfalls unter Beweis stellt, wenn der KGB Chef mit einer raffinierten Finte ausgetrickst wird, ehe im bleihaltigen Showdown ganz andere Geschütze aufgefahren werden.

Apropos Action: Was die Schauwerte angeht kann sich bei Hitman - Jeder stirbt für sich alleine niemand beschweren. Blutige Shoot-Outs, temporeiche Verfolgungsjagden, knallharte Martial-Arts Duelle und ein fulminanter 4 Mann Schwertkampf auf allerengstem Raum, für den Action Gourmet bleiben fast keine Wünsche übrig. Zur Ehrenrettung von Timothy Olyphant muss erwähnt werden, dass er in seinen Kampfdarbietungen einen ordentlichen Eindruck hinterlässt und auch die anderen Darsteller wissen in den spektakulär aufgezogenen Actionsequenzen zu überzeugen. Die Inszenierung gefällt bis auf eine etwas missratene und zu hektisch geschnittene Auseinandersetzung ausgezeichnet, da Regisseur Xavier Gens auf eine temporeiche, aber trotzdem übersichtlich wirkende Kameraführung setzt und die blutigen Körpertreffer größtenteils ohne CGI Unterstützung mit klassischen Blood Squibs optisch beeindruckend realisiert wurden. Der Härtegrad erweist sich für eine Mainstream Produktion als beachtlich, von daher wundert es mich nicht, dass das erste Kinoabenteuer des glatzköpfigen Delinquenten R-Rating Kürzungen hinnehmen musste und die ungeschnittene Unrated Version erst später für die DVD Auswertung nachgeschoben wurde. 

Als unterhaltsamer Actionfilm mit politischem Hintergrund funktioniert der imposant, schwungvoll und blutig inszenierte Hitman - Jeder stirbt für sich alleine jedenfalls prächtig und auch als Videospiel Verfilmung muss sich Xaver Gens Interpretation bei weitem nicht verstecken. Obgleich der Handlungsstrang um die mitgeschleifte Überläuferin und die Performance der beiden Protagonisten Timothy Olyphant​ und Olga Kurylenko bei mir keine Jubelarien erzeugen können, fühle ich mich als Hitman Zocker der ersten Stunde auf Grund der vielen Anspielungen und Parallelen gut aufgehoben. Eine ansprechende Adaption muss eben nicht immer 1:1 kopieren, sie darf auch mal improvisieren und eigene Wege gehen, ohne sich gleich für jeden nicht ganz so gelungenen Einfall entschuldigen zu müssen. " Ich werde Ihnen eine Frage stellen. Wie Sie darauf antworten, bestimmt, wie diese Nacht endet. Wie entscheidet ein guter Mann, wann er töten soll?MovieStar Wertung: 7 von 10 Punkte.


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