Wenn sich Mathematik und Philosophie zu einer Mordreihe gestalten, am Rande Wittgenstein zitiert wird „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ und das altehrwürdige Oxford als stimmungsvolle Kulisse für diesen Krimi dient, fällt es immens schwer zu glauben, dass wir das alles Regisseur Alex de la Iglesia („Perdita Durango“) zu verdanken haben.
Das überraschende daran ist, dass seine Adaption von Guillermo Martinez´ „Die Pythagoras-Morde“ eben überhaupt keine Überraschungen bietet. Was per se nicht verkehrt ist…
Für Martin (Elijah Wood) gäbe es als frisch in Oxford eingetroffenen Studenten nichts größeres, als vom renommierten Professor Seldom (John Hurt) als Tutor unterstützt zu werden.
Tatsächlich treffen die beiden fast gleichzeitig aufeinander, - beim Auffinden der Leiche einer gemeinsamen Bekannten. Noch vorm Eintreffen der Polizei ziehen beide ihre unterschiedlichen Schlüsse über den Tathergang und sehen sich schon bald einem weiteren mysteriösen Todesfall gegenüber…
Schön altmodisch und angenehm ruhig erzählt, widmet sich der Stoff einer Mordreihe, die auch zu Zeiten Agatha Christies hätte stattfinden können. Was entfernt an den „Da Vinci Code“ erinnert, sind zahlreiche Verknüpfungen mit mathematischen Grundtheorien und philosophischen Exkursen über Wahrheiten und nicht bemerkte Verbrechen.
Denn der erste Mord an Martins alte Vermieterin wäre bis auf ganz kleine Details nie als solcher entdeckt und als natürlicher Tod abgestempelt worden. Ähnlich verhält es sich kurz darauf mit einem Todesfall in einem Krankenhaus.
Doch wer initiiert dieses Puzzle aus beigefügten Symbolen und kaum erkennbaren Mordmerkmalen?
Dicht gestrickt erzählt könnten im Verlauf nahezu alle Beteiligten ein Motiv haben, gerade im philosophischen Bereich werden scheinbar unwiderlegbare Wahrheiten oft ad absurdum geführt und ein doppelter Boden für die nächsten Realitätsebenen aufgebrochen. Die Palette der Verdächtigen reicht von Martin und Seldom selbst, über die Tochter des ersten Opfers, eine Mitkommilitonin bis hin zu einem enttäuschten russischen Studenten.
Hier ist die Welt klein, manchmal zu strukturiert klein, so dass innerhalb dieses Geflechts alles möglich ist, nur, um am Ende vielleicht doch auf etwas ganz anderes hinzuarbeiten.
Der Stoff erfordert eine Menge Aufmerksamkeit. Nicht, was die Morde an sich betrifft sondern eher die zahlreichen, zwar schlagfertigen, aber oft hochtrabend wirkenden Schwafeleien, denen auf Dauer die Natürlichkeit ihrer Figuren abhanden geht. Problematisch hierbei ist die Besetzung von Elijah Wood, der neben dem grandios aufspielenden Hurt ganz alt aussieht. Diesen durchtriebenen, überaus ehrgeizigen Studenten mag man ihm einfach nicht abnehmen, noch weniger jedoch, dass er binnen kürzester Zeit gleich zwei Frauenherzen erobert und mit einer prompt in den Federn (oder zwischen den Nudeln) landet.
Ansonsten herrscht eine grundsolide, routinierte Inszenierung vor, die leider viel zu selten auf die Originalschauplätze Oxfords verweist und dessen optische Stärken hervorhebt. Nur eine lange Kamerafahrt ohne Schnitt, die einige Protagonisten in die Bibliothek hinein und schwenkend wieder hinaus bewegend zeigt, sticht als visueller Höhepunkt ins Auge.
Auf auditiver Ebene überzeugt jedoch der Score auf ganzer Linie, er erinnert entfernt an die Glanzpunkte von Bernard Herrmann, der oft streicherbetonte Musik für Hitchcocks Werke komponierte. Einige Passagen erinnern an stillere Momente aus „Psycho“.
Zwischen Fakten, Vorrausschauung und der Deutung der letztendlichen Wahrheit findet also überwiegend ein Duell, sowie ein Miteinander zweier Intellektueller statt. Wobei die Dialoglast als solche nie erdrückend wirkt und von imposant gefilmten Szenen, wie einer Verfolgung während einer Musikaufführung stets aufgelockert wird.
Die eher schwache Auflösung mag man Iglesia kaum ankreiden, wenn gleich mehrere Twists über einen herein brechen, - es ist ihm immerhin gelungen, eine Wendung als kaum erahnbar einzubinden. Der Rest ist der literarischen Vorlage (natürlich) besser gelungen, doch wer auf
altmodisch erzählte, sorgfältig inszenierte Krimis steht, könnte sich bei diesem Stoff durchaus heimisch fühlen.
7 von 10