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In den Vororten Frankreichs herrscht der Ausnahmezustand: Nach den Präsidentschaftsvorwahlen lassen zahlreiche Randalierende ihrem Frust freien Lauf und verwandeln die Straßen in Schlachtfelder, die Polizei scheint der Lage kaum noch Herr zu werden. Eine fünfköpfige Gruppe Kleinkrimineller, darunter auch die schwangere Yasmine (Karina Testa), weiß die Situation jedoch zu ihrem Zweck zu nutzen und flüchtet mit der Beute aus einem Überfall in Richtung Holland. Dabei kommt es jedoch zu einem schrecklichen Zwischenfall: Yasmine's Bruder Sami (Adel Bencherif) wird in den Krawallen von einer Kugel getroffen und muss daraufhin von seiner Schwester und deren Ex-Freund Alex (Aurélien Wiik) in ein Krankenhaus gebracht werden, während Tom (David Saracino) und Farid (Chems Dahmani) die Fahrt fortsetzen, um in der Nähe der Grenze nach einer Pension für die Nacht zu suchen.

Diese ist dann auch bald gefunden, allerdings machen die dort ansässigen Rednecks, trotz aufgesetzter Gastfreundschaft, keinen allzu vertrauenserweckenden Eindruck. Entgegen jeder Vernunft verweilen Tom und Farid jedoch in der Herberge und müssen bald erkennen, dass sie in einem Nest geisteskranker Nazi-Kannibalen gelandet sind, die dort die Erschaffung einer neuen Rasse anstreben. Schnell und grausam rückt die Nazi-Sippschaft ihren Gästen zu Leibe, doch für die kurz darauf eintreffende Yasmine fassen die Hinterwäldler einen anderen Plan: Sie soll ihr Kind zur Welt und somit reines Blut in die Kannibalenfamilie bringen...


Die eigene Erwartungshaltung spielt eine essentielle Rolle über das spätere Ge- oder Missfallen eines Films, was manchen Werken zum Vorteil gereicht, für viele andere jedoch vielmehr ein Fluch darstellt. Ein Liedchen von dieser Tatsache dürfte auch der kürzlich erschienene, französische Horrorfilm "Frontier(s)" singen können, der aus mehreren Gründen schon lange vor seinem Erscheinen zu einem der sehnlichst erwarteten Genre-Vertreter des Jahres 2008 wurde. Zum Einen machten vorab vielerorts Gerüchte über die angebliche Brutalität des Films die Runde, die, wenn man den Behauptungen Glauben schenkt, jeden Rahmen sprengen soll. Kurz darauf erhielt "Frontier(s)" in den USA dann das berühmte NC-17 Rating, das seit jeher nur den schockierendsten und extremsten Filmen vorbehalten ist. Der wohl wichtigste Grund für die Vorfreude der Fangemeinde war aber das Herkunftsland des Werkes, sorgten die Franzosen doch mit Titeln wie "High Tension"oder "Inside" schon für Furore und haben mit "Martyrs" schon das nächste grenzüberschreitende Werk in den Startlöchern stehen. "Frontier(s)" hatte sich also gegenüber einer ungemeinen Vorfreude und Erwartungshaltung zu beweisen, weshalb es beinahe garnicht wundert, dass hiermit nicht der erwartete Überflieger vorgelegt wurde.

Regisseur Xavier Gens, der sich schon mit der Spieleverfilmung "Hitman" einen Namen machen konnte, lieferte mit seinem französischen Beitrag zum Backwood-Horror à la "Texas Chainsaw Massacre", "Wrong Turn" oder "Timber Falls" einen Film der Gegensätzlichkeiten ab. Ganz in der Tradition amerikanischer Vorbilder fokussiert sich das Geschehen auf eine Gruppe junger Leute, die unversehens in die Fänge geisteskranker Hinterwäldler geraten und dort auf unterschiedlich grausame Art und Weise zu Tode kommen. So weit, so gut - dieser Inhalt ist mittlerweile selbst denen geläufig, die sich nur gelegentlich mit Horrorfilmen befassen, so dass hier zu Recht von einer etwas einfallslosen Story die Rede sein darf. Gegensätzlichkeit entsteht in Gens' Folterstreifen aber vor allem durch die Verknüpfung realitsch-aktueller Gesellschaftsthemen mit überaus trashig-überzeichneten Charakteren. Dadurch, dass "Frontier(s)" zu Beginn nämlich noch ein durchaus ernstes und zeitgemäßes Thema aufgreift, lässt er sein Publikum in dem Glauben, im Folgenden in diesem Realismus fortzufahren, was jedoch nicht der Fall ist. Dass dem Publikum hier wahnsinnige Nazi-Kannibalen vorgesetzt werden, mag in Relation zum sonstigen Genre zwar annehmbar und akzeptabel erscheinen, lässt einen gewollt-ernsten Beitrag jedoch schnell ins Unglaubwürdige abdriften.

Inwiefern eine absichtlich trashige Stimmung von den Verantwortlichen beabsichtigt war, lässt sich wohl nicht eindeutig sagen, Fakt ist aber, dass "Frontier(s)" munter zwischen ernstem Folter-Horror und überzeichnetem Splattermovie hin- und herschwankt. Im Grunde ist Xavier Gens und seinem Team dafür jedoch kein Vorwurf zu machen, waren es doch gerade die immensen Erwartungen der Fans, die letztendlich einfach nicht mit dem Resultat konform gingen. Betrachtet man "Frontier(s)" jedoch fernab aller aktuellen Hypes, aller Erwartungen und Vergleiche, dann ist das, was dem Zuschauer hier geboten wird, durchaus zufriedenstellende Horrorfilm-Kost. Innerhalb der Gesamtlaufzeit von über 100 Minuten kommt nur selten so etwas wie Langeweile auf, denn wie viele seiner Kollegen, weiß auch dieser Film sehr geschickt mit den Nerven des Zuschauers zu spielen. Eine rohe und dreckige Atmosphäre ist permanent spürbar und bereits nach einer halben Stunde beginnt das eigentliche Schlachtfest, wo sich der Streifen dann alle Ehre macht.

"Frontier(s)" folgt dem Trend der sich immer weiter steigernden Folterfilme und liefert eine blutdurchtränkte Gewaltorgie ab, die Vergleiche mit Titeln wie "Saw" und "Hostel" weit hinter sich lässt. Zwar hätte aufgrund des berüchtigten NC-17 Ratings durchaus mit etwas mehr gerechnet werden dürfen, das darf fairerweise nicht verschwiegen werden, dennoch werden Gorehounds ihre Freude an "Frontier(s)" haben. Im Großen und Ganzen funktioniert die Gewalt hier jedoch unerwartet selten als Stilmittel zur Unterstreichung einer destruktiven und verstörenden Atmosphäre. Bis auf eine Szene, in der eines der Opfer in einer Hitzekammer langsam bei lebendigem Leib gekocht wird, ist die Gewalt zwar sehr graphisch, aber nicht sonderlich beunruhigend dargestellt. All zu ernst kann das Geschehen ab einem gewissen Zeitpunkt onehin nicht mehr genommen werden, einfach zu lachhaft erscheinen da die Charaktere der Nazis, die mit Namen wie Hans, Götz oder Eva sehr stereotyp daherkommen und des öfteren sogar mit Parolen aus Zeiten des dritten Reiches um sich werfen, dass die Glaubwürdigkeit immens darunter leiden muss.

Im Gegenzug dazu hat man bei den Kulissen und der Inszenierung ganze Arbeit geleistet. Der Überlebenskampf findet vor dem dreckigen Schauplatz einer alten Farm statt und verlegt sich stellenweise sogar in einen dunklen Minenschacht, wo degenerierte und monströse Menschenfresser Jagd auf Yasmine und ihre Freunde machen. Der Begriff Horrorfilm ist hier also insofern zutreffender als beispielsweise noch bei "Inside", da jener Film eher noch als blutiger Thriller anzusehen war und bei "Frontier(s)" auch einige unheimliche Elemente Einzug halten.

Was letztendlich noch als Schwäche des Streifens aufgeführt werden muss, ist die fehlende Identifizierung mit den Opfern, die stets unerlässlich ist, um das Publikum bei dem Gezeigten mitfiebern, oder in diesem Fall mitleiden zu lassen. Bis auf die schwangere Yasmine bringt allerdings keine der restlichen Hauptfiguren auch nur annähernd so etwas wie Sympathie mit, was "Frontier(s)" wieder ein Stück aus der Terrorfilm-Ecke herausdrängt und ihn wieder etwas mehr als handelsüblicher Horrorfilm der blutigen Art dastehen lässt. Dafür überzeugen zumindest die Schauspieler im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Der bekannteste von ihnen, Samuel Le Bihan, ist einem internationelen Publikum unter anderem durch "Pakt der Wölfe" bekannt geworden und agiert auch hier wieder überzeugend, genau so wie Hauptdarstellerin Karina Testa und den meisten der restlichen Akteure.

"Frontier(s)" fair zu bewerten, ist letzten Endes eine schwierigere Angelegenheit als bei vielen ähnlich gestrickten Filmen, da der Zuschauer in diesem Fall mit einer deutlich höheren Erwartung als gewöhnlich an das Werk herangeht. Und genau in dieser Hinsicht enttäuscht der Film dann letztendlich auch, da er mit seiner leicht trashigen Art einfach nicht den erwarteten Ton eines knallharten und ernsten Terrorfilms treffen will. Lässt man all diese Erwartungen beiseite, hat man hier aber noch immer einen überdurchschnittlich brutalen und schonungslosen Horrorfilm, der in der Tradition von "Texas Chainsaw Massacre" oder "Haus der 1000 Leichen" zwar nichts Neues zu bieten hat, jeden Horror- und Splatterfan aber zumindest sehr gut unterhalten wird.

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