Der französische Horrorfilm dürfte im Moment unangefochten an der Spitze stehen. Von "High Tension" über "Inside", bis hin zu "Frontier(s)". Alle drei Werke haben eines gemeinsam. Sie sind gnadenlos, völlig humorlos und weisen storytechnisch einige Schwächen auf. Doch die Inszenierung ist 1A und ultrablutig. "Frontier(s)" ist das Regiedebüt des Franzosen Xavier Gens, der im selben Jahr noch die Videospielverfilmung "Hitman - Jeder stirbt alleine" in Szene setzen durfte. Wie die meisten Regisseure, die ihr Debüt geben, lieferte Gens auch das Drehbuch.
Yasmine (Karina Testa), Alex (Aurélien Wiik), Farid (Chems Dahmani), Sami (Adel Bencherif) und Tom (David Saracino) nutzten die Unruhen in Paris aus, um einen Raubüberfall zu begehen. Dabei wird Sami angeschossen, Yasmine und Alex bringen ihn in ein Krankenhaus, während Farid und Tom mit der Beute vorausfahren. Treffpunkt ist ein abgelegenes Hotel in Belgien. Doch als Yasmine und Alex dort angekommen, sind ihre Kumpels spurlos verschwunden. Und die Beiden merken bald am eigenen Leib wieso. Das Hotel wird von einer Nazifamilie bewohnt, die für Nachkommen sorgen will. Grausam foltern sie die jungen leute zu Tode, bis nur noch Yasmine übrig ist, die im dritten Monat schwanger ist.
Das Genre ist sichtlich am Ende mit neuen Ideen, Innovationen jeglicher Art, weil es mittlwerweile einfach zuviel davon gibt. So muss auch Xavier Gens auf das übliche Schema setzen, nur der Beginn ist völlig anders. Es ist Wahl in Paris, daraus resultieren Unruhen, die vier Jungs um Yasmine haben 125000 Euro erbeutet und müssen vor der Polizei fliehen. Es folgt eine Hetzjagd durch das Ghetto mit kleiner Schießerei. Leider ist der Auftakt ein wenig hektisch geschnitten, was im späteren Filmverlauf nicht mehr vorkommt. Gens sieht man in keiner Szene den Rookie an, "Frontier(s)" ist durchgehend professionel inszeniert und wartet mit gut platzierten, beinahe kreativen Kameraperpektiven auf.
Nicht so kreativ verläuft der gängige Plot. Immerhin sind es keine nervigen Teenies, die in die Hände der Folterknechte geraten. Die Clique präsentiert sich einigermaßen erwachsen, mit Tom ist die übliche Ausnahme mit dabei. Wir sind es mittlerweile gewöhnt, dass immer einer sich zum Affen machen muss, aber es hält sich in Grenzen. Gens fackelt hier nicht lange und schnell befindet man sich in dem heruntergekommenen Hotel im Grenzgebiet. Die Kulisse könnte dabei nicht besser sein. Viele große, im altmodischen Stil gehaltene Gebäude, darunter eine große Miene mit vielen Gängen. Der ideale Ort für diese blutige Hetzjagd. Überhaupt ist das Anglitz sehr düster, Gens verzichtet komplett auf schöne Bilder, selbst das Wetter ist hier stets schlecht. Dazu dröhnt der instrumentale Score von Jean-Pierre Taieb, der in vielen Szenen zusätzlich für Gänsehaut sorgt.
Überraschungen sollte man keine erwarten, aber Gens kann das Tempo kontinuirlich hoch halten. Sobald der Horror begonnen hat, hört er nicht mehr auf. Da verfolgt man sich mit dem Auto, kraxelt durch enge Mienenschächte. Diese Szene ist nicht nur hochspannend, sondern auch extrem klaustrophobisch, wenn sich Tom und Farid durch einen körperengen Schacht quetschen. In der Miene hausen auch noch irgendwelche Kreaturen, was später im Film noch erläutert wird. Die Folterei ist schnell in vollem Gange, da werden Kehlen aufgeschlitzt, Haken in den Körper getrieben und besonders fies ist die Szene mit der Durchtrennung der Achillessehne. Hinzu kommmen ein paar blutige Einschüsse, ein zerplatzter Schädel und die hässliche Verbrühung von Farid. In punkto Brutalität fährt man die gesamte Palette auf, die graphischen Goreeffekte sind handmade und sehen sehr authentisch aus. Eine ordentliche Portion Sadismus bekommt man gratis dazu.
Nur bisweilen wirkt die Nazifamilie etwas lächerlich. Zum Beispiel wenn das Familienoberhaupt eine Rede über die Weiterführung der Familie hält, oder wenn sich die zwei Frauen an jeden Typen ranschmeissen, der im Hotel auftaucht. Man fragt sich auch, warum die Bande noch nicht erwischt wurde, der Keller ist ja schon voll mit Leichen. Die Familie ist ganz schön groß, so hat Yasmine einige Gegner aus dem Weg zu räumen, was besonders im Finale für Action sorgt. Da wären die zwei Frauen, ein hirnloser Muskelprotz, ein geistig zurückgebliebener Schlächter mit seiner Frau, Karl der noch am normalsten rüberkommt und natürlich das Familienoberhaupt.
Jean-Pierre Jorris als Alt-Nazi neigt ein wenig zum overacting, doch ansonsten überzeugt die Darstellerriege. Ganz besonders Karina Testa als Yasmine, die hier wirklich viel mitmachen muss. Mit Samuel Le Bihan (Pakt der Wölfe) konnte man auch einen bekannten französichen Schauspieler an Bord holen, er verkörpert den Muskelprotz Götz. Aurélien Wiik hat in Frankreich auch einen hohe Bekanntheitsgrad, doch viele Darsteller hat man noch nie zu Gesicht bekommen, oder nur in Nebenrollen. Das Niveau ist hoch angesiedelt, was das Geschehen noch intensiver wirken lässt.
Die einzige Schwäche ist die innovationsarme Story, doch ansonsten bekommt der Horrorfan, was er will. "Frontier(s)" hat zudem ein hohes Tempo, welches Gens bis zum Finale halten kann. Lückenlose und spannende Unterhaltung ist garantiert, versehen mit einigen heftigen Goreszenen. Dank überzeugender Darsteller und einer sauberen Inszenierung ist "Frontier(s)" eine runde Sache. Aber nur für Leute mit stabilen Mägen.