"Es hat einmal jemand gesagt, dass alle Menschen in Freiheit und Gleichheit geboren werden. In der Welt, in der ich lebe, gilt genau das Gegenteil."
Mit "Frontier(s)" beschreitet Regisseur Xavier Gens ("Hitman") sicherlich kein Neuland, dafür sind die Parallelen zu anderen Horrormeilensteinen, wie beispielsweise "Texas Chainsaw Massacre", zu deutlich zu sehen. Stattdessen perfektioniert Gens bisher zu sehendes und präsentiert einen Film der in bedrückender Atmosphäre seinesgleichen sucht.
Während einigen Krawallen in Paris nutzen fünf Jugendliche das Chaos für einen Überfall. Die Polizei setzt sich an deren Versen und verletzt Yasmine's (Karina Testa) Bruder durch eine Schusswunde der kurze Zeit später im Krankenhaus seiner Verletzung erliegt. Zusammen mit den Komplizen Tom (David Saracino) und Farid (Chems Dahmani) flüchten Yasmine und ihr Freund Alex (Aurélien Wiik) Richtung Holland. Nach einer langen Fahrt erlauben sie sich eine Pause im abseits gelegenen Motel Frontiere, nichtwissend, dass dortige Bewohner mit einer neofaschistischen Einstellung erzogen sind und bereits eine Vielzahl Leichen in einer nahegelegenen Mine hängen haben.
Bereits zu Beginn fährt der Film ein hohes Tempo auf. Der Übergang von Nachrichtenbildern der Krawalle auf die Hauptfiguren, die sich mitten in diesem Chaos und auf der Flucht befinden, erfolgt fließend. Die Figuren werden nur kurz vorgestellt, während dem kurzen Aufenthalt im Versteck und der Fahrt Richtung Holland in ihren Beziehungen zueinander zwar etwas weiter aufgerollt, bleiben aber größtenteils flach oder gar klischeehaft. Dies ist bei diesem Genre bereits Standard, genauso wie eine meist unausgegorene Handlung, und man könnte meinen dies als Minuspunkt werten zu müssen. Dem ist aber nicht so. Denn zum einen sind die Charaktere so abgedreht, dass man diese Macken völligst übersieht. Gleichzeitig überspielen die Schauspieler gekonnt die Oberflächlichkeiten und verleihen ihren Figuren einen individuellen Ausdruck. Eine wendungsreiche und überaschende Geschichte hätte sicherlich für erstaunen gesorgt, gleichzeitig aber das hohe Tempo ausgebremst.
Was "Frontier(s)" besonders ausmacht ist das geniale Zusammenspiel von bedrückender Atmosphäre, rauen Örtlichkeiten und erschreckenden Verstümmelungen inclusive der sich darin befindenden Charakteren.
Die Schauplätze beschränken sich nach ca. 20 Minuten auf das Motel, die Minenanlage in der Nähe und die direkte Umgebung. Durch die altmodische Einrichtung, karge Schächte, schmutzbesudelte Ställe und verwinkelte Gänge stellt sich schnell eine überzeugende, abstoßende Wirkung ein.
Die unglaublich fette Optik transportiert sich durch eine stets düstere Aufmachung, die besonders gegen Ende auf wenige Dialoge setzt und ausschließlich seine Bilder und den intensiven Score für sich sprechen lässt. Dabei bleibt die Kamerarbeit erfreulich edel und fällt nur für wenige, schnell geschnittene Verfolgungen auf das verwackelte, unübersichtliche Niveau seiner Toture-Porn Kollegen ab.
Das moderne Terrorkino zeichnet sich mittlerweile durch sich steigernde Arten von Gewaltakten aus. Dies gilt auch für "Frontier(s)". Hier explodieren Köpfe, fliegen Menschen auf Kreissägen, werden ganze Fleischstücke abgebissen und Finger abgeschossen. Der Film maßt sich allerdings nur bedingt den exploitativen Aspekt an, denn die emotionale Ebene zu den Leidenden wird so hoch gehalten, dass sich das extreme Vorgehen dieser durch die vorhergehenden Taten der Peiniger und die ausweglose Lage erklären, und nur umso mehr den Überlebensinstinkt sprechen lässt.
Dies und die an sich heikle Thematik um eine Neonazi-Gemeinschaft und der am Rande angesprochenen Selbstjustiz spricht sicher nicht die Masse eines Publikums an, den Genre-Fan dafür umso mehr.
Ebenfalls überragend ist die Auswahl der Darsteller. Alle wurden entsprechend ihren Rollen angepasst und spielen ihre jeweilige Figur mehr als ansprechend. Besonders Karina Testa stellt die Angst und Panik ihrer Figur äußerst glaubwürdig dar, dies gilt ebenso für Maud Forget mit ihrer verstörten Figur. Schreiende, wehrlose Frauen in leichter Kleidung gibts hier nicht, und das ist auch gut so. Außerdem fügen sich die noch unverbrauchten Gesichter wunderbar in den schmuddeligen Stil ein.
Die deutsche Fassung musste selbst in der SPIO/JK Fassung einige Federn lassen. Nach der festgeschriebenen Regelung zu recht, wobei sich die Regelung selbst an den Pranger stellen muss. Denn dadurch gibt es keine ungekürzte offizielle deutsche DVD. Für das volle "Sehvergnügen" ist auf jeden Fall die österreichische DVD zu empfehlen, da die aufwendigen, handgefertigten Effekte mit leichter CGI Behelfung wirklich tadellos aussehen.
"Frontier(s)" will weder den Horror- noch den Terrorfilm neu erfinden sondern setzt gewollt auf bewährte Zutaten. Selbst ein paar Handlungslöcher können die unglaublich dichte Atmosphäre, das durchweg hohe Tempo und ein zwar nur minimal ausgearbeitetes aber abgedrehtes Charakterdesign nicht drücken. Besonders die letzte halbe Stunde enthält eine gnadenlos hohe Dichte an Spannung, Emotionen und Brutalität die die "SAW"- und "Hostel"-Reihe weit hinter sich lässt.
10 / 10