Review

Klar, „Frontier(s)“ ist einer von vielleicht fünf Horrorfilmen 2008, über den man reden muß und wo dann alle auch etwas zu absondern können, deshalb allein sollte man einige Minuten Zeit ihm widmen.

Xavier Gens hat hier sicher einen diskutablen und extrem harten Horrorstreifen ersonnen, dessen narrative Anleihen an Tobe Hoopers „The Texas Chainsaw Massacre“ unübersehbar sind.
Eine Gruppe von kriminellen, weitestgehend muslimischen Twens will aus den Pariser Unruhen zur letzten Parlamentswahl raus aus der Hauptstadt nach Holland, im Gepäck jede Menge Kohle aus einem Raub und einen Mann hat man schon verloren, dabei wollte man damit doch der jungen Yasmine nur eine Abtreibung bezahlen und Spaß haben.
Man strandet irgendwo in der französischen Provinz in einem Hotel, daß von einer Familie durchgeknallter Nazis bzw. deren Nachkommen geführt wird, die Durchreisende brutalstmöglichst meucheln und essen, sofern sie nicht gerade von „Ehre ist unsere Treue“ salbadern, angeführt von einem uralten Überbleibsel aus dem zweiten Weltkrieg. Klar, daß dabei bald alle grausamst ins Gras beißen müssen.

Das Ausgeliefertsein, die brutale Gewalt, das exzessive Töten, die degenerative Familie, das alles will Gens offenbar für einen satirischen Rundumschlag auf die rassistischen oder fremdenfeindlichen bzw. kulturellen Unterschiede benutzen, läßt die Outsider, den „Abschaum“, das ungewollte Proletariat unter die Räder noch von noch größerem Abschaum geraten.
Allein: es funktioniert nicht.

Hinter so einer Konstruktion muß sich entweder eine gut durchdachte oder simpel-effektive Haltung zur Lage der Menschen und der Nation verbergen, „Frontier(s)“ jedoch bleibt größtenteils verschwommen, wenn man mal von dem hervorragend strukturierten Beginn in Paris absieht.

Erreichen die Protagonisten jedoch das Hotel zerfällt der Film in eine Mischung aus vergröberter Satire, die schon einer albernen Parodie gleicht, auch wenn das in der deutschen Fassung vielleicht durch die Synchro nicht so stark auffällt.
Die Altnazi-Familie ist zwar farbig dargestellt, aber Gens betont das Grelle zu sehr, gerät in den Rausch, die Brutalität möglichst exzessiv zu zeigen, in Splattereffekten und Tortureporn zu waten, einfach weil es dazu gehört, dabei hat man diese Bilder auch in den letzten Jahren schon zu oft gesehen, um auf ihre Schockwirkung noch groß vertrauen zu können.

Die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander hätten ein wichtiges und bedrohliches Thema werden können, doch die meiste Zeit bleiben die offenbar schwelenden Konflikte unklar, die Motivationen sogar komplett ungeklärt und erst im endlosen Showdown offenbaren einige der Täter ihre Haltungen.
Zu sehr erfreut man sich hier an der ach so skurilen Komposition der Schlächterfamilie, watet in Blut und Schweinekot und hat doch eigentlich nichts zu erzählen.

Wirkliche Beklemmung stellt sich maximal bei der hervorragenden Leistung Karina Testas ein, die die letzte Überlebende mit maximalem Überlebenswillen und ebensolcher Gegenwehr so martialisch spielt, daß einem Angst und Bange werden könnte.
Da hat sich die Essenz des Films aber schon in breitwandigem Dauergeschlachte und –verfolge verloren, gar ärgerlich wird es dann sogar, wenn die Fieslinge am Ende reihenweise Gelegenheiten haben, Yasmine pflichtschuldigst zu killen (wirklich jeder eine), aber aus nicht näher definierten Gründen damit warten, zögern, rumschreien oder einfach im entscheidenen Moment nicht aufpassen, bis es wieder Blut und Eingeweide spritzt.

Das ist so doof wie schade, denn der produktionstechnische Aufwand ist beachtlich, die Regie sonst solide, die Kamera gut und die Effekte vom Feinsten, nur der gefühlsduselige Soundtrack haut ein paarmal so derbe daneben, daß man laut aufschreien möchte.

Nun sind Splatterfans auch nicht so anspruchsvoll in Sachen filmische und erzählerische Substanz, wissen einen guten Ansatz aber durchaus zu schätzen, doch hier ist das Mäntelchen Realität wirklich nur ein dünner Umhang, an dem man sich klammern kann, ohne daß er wärmt, was aber bei derlei ausgesuchten Schlachteffekten wohl nicht so oft auffallen wird.
Ansonsten kann man als Gorehound per se mit dem Film einen Riesenspaß haben und auch die Ekelpakete von Hauptdarsteller tun einem fast leid, jedoch habe ich den Eindruck, als hätte eine kalte, klinische Version ohne typischen Unterhaltungsfilmanspruch und unerwarteter Rohheit hier Besseres geleistet.
Durch das Formale noch knapp am Durchschnitt, aber wirklich mitreißen konnte das fertige Produkt in keiner Phase, dazu sind die Bilder und Versatzstücke einfach alle schon zu bekannt. (4/10)

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