Review

Schöne Frauen treiben harte Männer in den Wahnsinn

"Le Jour Se Leve" geht neben epischen Meilensteinen wie "Hafen im Nebel" oder "Children of Paradise" im Oeuvre von Marcel Carne etwas unter. Sollte das romantische Drama allerdings nicht, denn er ist in vielen Belangen ein absolut fesselndes Meisterwerk des poetischen Realismus. Bessere französische Filme aus der vorderen Hälfte des letzten Jahrhunderts sind schwer aufzutreiben. "Der Tag bricht an" muss man als Fan französischer Filme einfach kennen und als Film Noir-Fan gleich mit, denn dieser markanten Filmgattung nimmt Carnés heimliches Meisterwerk viel vorweg. Der großteils in Rückblenden erzählte Film handelt von einem Mann, der einen anderen Mann im obersten Stock eines Stadthauses erschossen hat. Nun wird er von den Bewohnern und der Polizei bedrängt und wir sehen die Geschehnisse die zur Tat führten an seinem geistigen Auge vorbeiziehen. Es geht um hübsche Frauen, harte Arbeit und schmierige Typen... 

"Der Tag bricht an" ist mit seinen 90 Minuten erstaunlich kurz gehalten und vergeht wie im Flug. Das pessimistische Ende ging damals so nur in Europa und ist eines der besten überhaupt. Ebenso ungewöhnlich für einen Film dieses Alters: nackte Tatsachen. Die Frauen sind hübsch aber nie völlig unschuldig, die Bösewichte einfallsreich und fies. Nichts ist hier zweidimensional, alles wirkt trotz überhöhtem Stil im Realismus verankert. Zumindest im Kern. Es geht um das Leben eines (zu?) hart arbeitenden Mannes, dass durch Liebe und Schmerz aus den Fugen gerät. Die ganz großen Themen, auf den Punkt gebracht, atmosphärisch eingefangen und nie zu kitschig. Jean Gabin liefert eine bockstarke Leistung und die Entwicklung seines Charakters ist beachtenswert & besonders. Ein mutiger Film, unprätentiös, dicht und trotzdem klar wie Leitungswasser. Meisterhaft könnte man sagen. Kraftvoll, konzentriert, für beide Geschlechter ein Hingucker. Harte Schale, weicher Kern. Und hier lohnt sich genaueres Hingucken doppelt und dreifach auf allen Ebenen. Dagegen hat das acht Jahre jüngere Hollywood-Remake nicht den Hauch der Schnitte. 

Fazit: exzellente Charakterstudie zwischen Romantik und Realismus, Weichfilter und Härte, Kitsch und Klasse, Schuld und Unschuld, Arbeit und Ausweg, Poesie und Proletariat, Traurigkeit und Tapferkeit. Einer der besten von Carné und aus Frankreich!

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