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Vorhang auf und Bühne frei: Das Sondheim-Musical „Sweeney Todd“ war Tim Burtons Schaffen eh nicht unähnlich, also war es kein Wunder, dass sich der dunkle Phantast daran versuchen würde.
Schon die Eingangssequenz, in der animiertes Blut durch animierte Zahnräder fließt, während animierte Fleischpasteten gebacken werden, zeugen von der Liebe Burtons zu dem Stoff. Es dominieren die Farben Rot und Schwarz, ähnlich wie der Setgestaltung und Kostümwahl in dem Film, zusammen mit einer paar grellen Spritzern weiß, die Kontraste in dem sonst dunklen Geschehen setzen.
Sweeney Todd (Johnny Depp) kehrt also heim nach London, wo er früher als Benjamin Barker bekannt war und als Weltklassebarbier. Doch der neidische Richter Turpin (Alan Rickman) nahm ihm Frau und Kind und ließ ihn einsperren. Das schreit an sich nach Aufräumen mit der Methode Seagal, doch „Sweeney Todd“ lässt den Helden seiner Rachegeschichte da subtiler vorgehen.

Über der Pastetenbäckerei von Mrs. Lovett (Helena Bonham Carter) mietet er sich ein und nimmt seinen alten Job auf, um dort alte Rechnungen mit dem Messer zu begleichen. Die Überreste verarbeitet Mrs. Lovett zu Pasteten, da Fleisch ein teures Gut in London ist...
Tim Burton hat hier wieder seine Lieblinge versammelt, wobei Johnny Depp sicherlich als Idealbesetzung für den verschroben-rachsüchtigen Sweeney gelten darf, aber auch Helena Bonham Carter als heimlich verliebte Mrs. Lovett kann sich sehen lassen – und auch hören. Man merkt den Akteuren sicher ihren Mangel an langjähriger Sangeserfahrung etwas an, doch Burton wählte stimmlich charismatische Leute, trainierte sie und es hat sich ausgezahlt; gerade das unfertige, rauhe gibt den Liedern in „Sweeney Todd“ noch einen besonderen Klang. Neben Carter sind noch weitere „Harry Potter“-Regulars an Bord, namentlich der mal wieder extrem charismatische Alan Rickman und der ziemlich gute Timothy Spall. Für Auflockerung in einer Nebenrolle sorgt ein toll aufgelegter Sacha Baron Cohen.
Mit beschwingter Mucke und abwechslungsreichen Songs erzählt Burton dann die Geschichte von Rache, die immer weitere Kreise zieht. Denn Sweeney entwickelt bald einen umfassenden Menschenhass und schert sich nicht mehr darum, ob da tatsächlich ein Feind seiner Person unterm Messer liegt. Dementsprechend schwarz ist dann auch der Humor, gerade wenn Sweeney und Mrs. Lovett im Duett davon trällern, wenn man dann nun zu Pastete verarbeiten könne oder sich Mrs. Lovett ganz naiv ausmalt, wie eine glückliche Zukunft mit dem dämonischen Barbier aussehen könnte.

Als Musical beschränkt sich „Sweeney Todd“ ähnlich wenige Schauplätze wie die Bühnenversion, was Tim Burton vielleicht etwas zügelte, doch der Stil des dunklen Märchenerzählers ist auch hier immer wieder zu erkennen. Gerade das Design des verwinkelten Dachkämmerchens und die Kostümierung lassen Erinnerungen an frühere Werke wie „Edward mit den Scherenhänden“ aufkommen, wenngleich „Sweeney Todd“ definitiv eine Spur böser ist; gerade wenn Tim Burton verspielt-freudig mit dem Kunstblut rumsaut und das mit einer kindlichen Unschuld, als sei er sich der gar nicht bewusst, wie grausam sein Film ohne die ironisch-märchenhafte Färbung wäre.
Gemessen an den teilweise recht unsympathischen Figuren, gerade am nahezu wahnsinnigen, mörderischen Protagonisten, funktioniert „Sweeney Todd“ überraschend gut, denn beim Duell zwischen fiesem Richter und fiesem Barbier kann man sich nicht für eine Seite entscheiden – hier sind alle gleich wenig leidsam. Allerdings ahnt der findige Zuschauer bald worauf das alles hinausläuft und wer wohl die Bettlerin ist, die immer wieder auftaucht, ja auch, wie es wohl der disfunktionalen Behelfsfamilie aus Sweeney, der ihn verehrenden Mrs. Lovett und einem kleinen Jungen, für den Mrs. Lovett zum Mutterersatz geworden ist, wohl ergehen wird, wodurch das Finale dann leider etwas wenig überraschend abläuft.

Doch egal ob leicht vorsehbar oder teilweise etwas ungeschliffen: „Sweeney Todd“ ist ein erfrischend anderes Musical der rabenschwarzen Sorte, bei dem Tim Burton gekonnt auf dem Grat zwischen kindlicher Unschuld und mörderischem Treiben wandert.

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