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Dolph Lundgren ist wieder zurück in der Spur. Hatte sein mit „The Defender“ und insbesondere „The Mechanik“ hart erarbeiteter Ruf als versiertes Multitalent im Low-Budget-Bereich durch den dank katastrophaler Produktionsumstände schwer enttäuschenden Abenteuerfilm „Diamond Dogs“ gelitten, präsentiert sich der blonde Hüne nun wieder gewohnt souverän als Hauptdarsteller, Drehbuchautor, Regisseur und mittlerweile auch Produzent in Personalunion.
Für „Missionary Man“ musste Lundgren den Gürtel zwar enger schnallen, als ihm vermutlich lieb war, weil das Budget seiner letzten Arbeiten diesmal nicht zur Verfügung stand, einen sehenswerten Genrebeitrag abzuliefern, den speziell seine Fans zu schätzen wissen, lässt er sich deswegen aber trotzdem nicht nehmen. Und das ausgerechnet unter der Ägide von Andrew Stevens, dessen Produktionen sich in den letzten Jahren gewiss nicht mit Ruhm bekleckerten.

Nach nun mehr drei Regiearbeiten, und wenn man seine Beteiligung an „Diamond Dogs“ mitzählen möchte sogar vier, lässt sich konstatieren, dass der Mann, ähnlich wie Sylvester Stallone momentan eine erstaunliche Entwicklung durchmacht, die ihm einen zweiten Frühling beschert.
Die Parallelen sind unschwer auszumachen. Noch zur Jahrtausendwende waren beide quasi weg vor dem Fenster, die Karriere an die Wand gefahren. Sly bemühte sich um einen zaghaften Imagewechsel, der letztlich dazu führte, dass sein Ruf gehörigen Schaden nahm, seine Filme reihenweise floppten und es schließlich nicht einmal mehr ins Kino schafften, Lundgren nahm derweil Rollen an, von denen er lieber die Finger hätte lassen sollen und gönnte sich schließlich eine Auszeit. Zwei ehemalige Publikumslieblinge, die keiner mehr sehen wollte, standen auf dem Abstellgleis. Nun hat sich aber bekanntlich keiner von beiden seinem Schicksal als ausrangierter Actionheld fügen wollen. Sie nahmen es eben selbst in die Hand, schrieben die Drehbücher und inszenierten sich selbst. Während Stallone mit „Rocky Balboa“ und „Rambo“ zwei legendären Figuren, die Filmgeschichte geschrieben haben, zu ihrem würdigen Abgang verhilft, entdeckt Lundgren nach ein paar Stolpersteinen und einem Zufall, dass in ihm ein sehr talentierter Regisseur und Drehbuchautor schlummert, der mit klassischen und einfachen Themen ein Publikum anspricht, das sich in Zeiten anpassungsfähiger Blockbusterware nach düsteren Szenarien und rauen Tönen sehnt, die das Mainstream-Kino heute nicht mehr bedient und auch nicht mehr bedienen will. Lundgren greift diese speziell in den Siebzigern äußerst populären Themen mit so viel Fingerspitzengefühl auf, wie man es jemanden, dessen Filme sich einst fast ausschließlich über den Bodycount definierten, kaum zutrauen würde. Dass er in seiner langen Karriere unter einer Riege absoluter Könner ihres Fachs arbeiten durfte, zahlt sich inzwischen aus.

Sein „Missionary Man“ versteht sich eigentlich als klassisches Westernthema, das in die Gegenwart transferiert wurde. Vor 35 Jahren hätte Clint Eastwood diesen Fremden gespielt, der in ein abgelegenes Nest einreitet und die dortigen Bewohner vor den Machenschaften lokaler Gangster oder tyrannischer Viehbarone befreit und eigentlich hat er das ja auch. Nur eben mit dem Unterschied, dass er damals auf einem Pferd saß.
Lundgren hingegen sitzt auf einem Motorrad, muss zum Lesen in der Bibel eine Brille aufsetzen und schüttet die Tequilas ohne Salz und Zitrone herunter. Der Film erklärt nie vordergründig, welche Gründe ihn überhaupt in diese Stadt führten. Als er auf der Beerdigung eines Mannes eine Andacht hält, vermuten die Angehörigen, dass er den Toten aus gemeinsamen Zeit beim Militär kennt, aber der mysteriöse Fremde ist auf keinem Bild auszumachen. Seine Beweggründe bleiben im Dunkeln, aber er will Gerechtigkeit und den Toten rächen. Deswegen legt er sich mit einem lokalen Drogenschmuggler und einer Rocker-Gang an, die ihrerseits die Bevölkerung, fast durchweg indianischen Ursprungs, terrorisieren und ermorden...

Zu den düsteren, ausgewaschenen und grobkörnigen Bildkompositionen, die sich ganz hervorragend an die bedrückende Stimmung des Films schmiegen und Lundgrens Gesicht mehr als nur einmal in ein schattiges Schwarz tauchen, gesellt sich ein nuancierter Score Elia Cmirals („Ronin“, „The Mechanik“), der in bester Ry-Cooder-Manier traditionell orientierte Tracks beisteuert und Lundgren dabei hilft seine Figur zu einem charismatischen Racheengel zu entwickeln, die sich den Machenschaften in diesem Ort entgegenstellt.
Dabei versteht „Missionary Man“ sich nicht als schnelllebiger Actionreißer, sondern überraschend ruhige Geschichte, die sich die Mühe macht ihr Szenario vorzustellen, nicht alle Klischees umgehen kann und in der ersten Hälfte an ein paar Temposchwierigkeiten zu knabbern hat, aber mit Lundgren eben stets ein dickes Bonus in der Hinterhand hat.
Mit zunehmenden Alter wird der Mann als Schauspieler immer besser und im Gegensatz zu Kollegen wie Steven Seagal oder Jean-Claude Van Damme ist er darüber hinaus auch noch in physischer Topform. Lundgren strahlt hier in jeder Szene eine beängstigende Ruhe aus, wählt seine wenigen Worte sorgfältig, ist um eine Handvoll Oneliner nicht verlegen, grinst höchstens mal boshaft, verzieht sonst keine Miene und setzt seine Sonnenbrille nur selten ab.

Die Actionszenen sind jeweils nicht sonderlich spektakulär, besitzen bisweilen aber die Fähigkeit aufgrund der omnipräsenten Kaltblütigkeit ihres Hauptakteurs eine wohlige Gänsehaut zu erzeugen. Spätestens, wenn Lundgren in Slowmotion seine Pumpgun durchlädt, und zur Tat schreitet, wird auch der letzte Genrefan mit einem breiten Grinsen sich der Gewissheit bewusst einem Film der alten Schule beiwohnen zu können. Insbesondere diese bedingungslose Ikonisierung seiner Figur scheint Lundgren übrigens sehr viel Spaß zu bereiten.

Wenn man „Missionary Man“ bei all seiner Affinität zum Western, die sich auch in der Inszenierung deutlich widerspiegelt, etwas vorwerfen kann, dann ist es die Einfallslosigkeit mit der das Drehbuch glänzt. Der Ablauf des Films ist von Anfang bis Ende vorhersehbar. Aus Lundgrens rätselhafter Figur werden leider keinerlei Überraschungen bezogen. Davon kann der Streifen auch nur wenig ablenken, indem er gängigen Genretypen, wie beispielsweise der lokale Schluckspecht, ihrem Schicksal überlässt, oder Gesetzeshüter skrupellos hinrichtet. Viel besser gelingt da schon das Verharren in klassischen Motiven. Die aufgehende Sonne, der Blick auf eine flimmernde Straße und das begleitende Heulen des Windes wecken Erinnerungen...

Das Finale erweist sich Reminiszenz vor „High Noon“ mit dem Unterschied, dass Lundgren in die Stadt einrückt, aus der alle Bewohner in Anbetracht des sich ankündigenden Gefechts schnell verschwinden. Mit einigen Verweisen auf Genrevorbilder und ohne Gefangene zu machen, knöpft er sich gnadenlos einem nach dem anderen vor, bis er auch den letzten vor die Flinte bekommt. Und der erkennt ihn dann tatsächlich...


Fazit:
„Missionary Man“ ist sicherlich kein Genrehighlight im eigentlichen Sinn und so gut wie „The Mechanik“ ist er erst recht nicht. Dafür mangelt es dem Film auch an Spannung und Tempo, sein Publikum wird er aber allein schon aufgrund der Performance seines charismatischen Hauptakteurs finden, denn Lundgren liefert die wohl beste, schauspielerische Leistung seiner Karriere ab.
Dass „Missionary Man“ darüber hinaus nicht der billige, charakterlose Look einer 0815-DTV-Produktion aus dem Hause Sony anhaftet, der Film ganz im Gegenteil sogar Atmosphäre aufbaut, muss ihm als Regisseur allerdings ebenso angerechnet werden. Der Mann entwickelt mittlerweile einen Stil, der ihn möglicherweise nochmal in eine Liga mit deutlich höheren Budgets katapultiert, wenn der Erfolg seiner Filme weiterhin stimmt.
Speziell Westernfreunde werden sich darüber hinaus an Anspielungen auf bekannte Vorbilder erfreuen, wohingegen der eigentliche B-Action-Fan eventuell vom niedrigen Actionanteil, der nicht einmal besonders spektakulär ausfällt, enttäuscht sein wird.
„Missionary Man“ ist ein zutiefst anachronistischer Film geworden, der Leuten wie Sam Peckinpah oder Walter Hill mit Sicherheit gefallen würde, gehörten sie doch einmal zu denjenigen, die diese Art von Film formulierten.
„It's me“. ... und das hoffentlich noch in vielen Filmen, denn da geht noch so einiges.

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