Review

Animationsfilme werden immer noch gerne als Kinderkram abgestempelt – insofern stellt Robert Zemeckis’ „Beowulf“ durchaus einen Versuch dar gegen dieses Klischee anzukämpfen.
Von Anfang an macht der Film klar, dass dies hier keine lustige Familienversion ist (auch wenn die Zensurbehörden weltweit überraschend gnädig waren, vermutlich aber genau des Vorurteils wegen). Auf Hofe von König Hrothgar wird gesoffen und unzüchtig angebandelt, bis das Monster Grendel die Halle stürmt und dabei für reichlich Hackepeter sorgt: Da wird zerquetscht, zermatscht und zerbissen bis die Schwarte kracht, dass man sich bei einer Realverfilmung schon in echten Exploitationgefilden wähnen würde, in der Animationsvariante sieht das Geschehen dann aber doch zu rein dafür aus.
Von da an ist es Essig mit der Feierei und ein starker Held soll Hrothgar die Landplage vom Hals Schaffen. Auftritt Beowulf, fescher Nordmann und Ungeheuerslayer deluxe, der Grendel dann auch fachgerecht abserviert. Der Sagenkenner weiß jedoch, dass die Geschichte damit lang noch nicht zu Ende ist, denn es gibt noch Grendels Mutter. Sie ist Dämon und Verführerin, hat bereits eine Schuld auf Hrothgar geladen, deren Ausdruck Grendel war und es ist klar, dass sich auch Beowulf als klassischer Tragödienheld ins Unglück stürzen wird.

Er sucht die Dämonin auf, geht einen Handel ein und wird dafür belohnt: Hrothgar stirbt, er nimmt dessen Platz auf dem Thron ein und darf die Königin ehelichen, die er schon vorher verehrte. Doch von ewiger Dauer wird das Glück nicht sein…
Wie es mit alten Volksliedern bzw. Sagen so ist, so sind die Überlieferungen nicht ganz eindeutig. Zemeckis’ Film nimmt da gewisse Anpassungen vor, macht Grendels ersten Auftritt zu einem umfassenden Massaker, das alle Feierei beendet bis der Held klar Schiff macht, während andere Überlieferungen erzählen, dass Grendel die Halle Nacht für Nacht stürmte, bei jedem Besuch kontinuierlich ein paar Männer tötete und dieser Prozess einige Heroen verschliss, ehe Beowulf das Unglück beendete. Zemeckis wählt da eine weniger komplexe, aber vielleicht auch filmreifere Variante, doch schon hier wird das Problem klar: Zum einen will sein „Beowulf“ prachtvoll und schmissig unterhalten, zum anderen eine komplexe Schuld-und-Sühne-Dimension aufbauen, welche auch negative Eigenschaften des Heldentums wie Hochmut und das Der-Versuchung-Erliegen thematisiert.
Diese Uneinigkeit setzt sich auf stilistischer Ebene fort: Zemeckis’ Schilderung ist ähnlich düster wie Verhoevens Mittelalterbild in „Flesh + Blood“, gleichzeitig wirken die animierten Figuren immer noch nicht dreckig genug, die Ekelszenen ein wenig kalkuliert inmitten der „sauberen“ Animationswelt. Auch die Momente von Ironie und Humor wirken angesichts der sonstigen Düsternis teilweise einfach deplaziert. Wenn Beowulf sich Grendel nackt stellt, so verdecken immer wieder Gegenstände seinen Intimbereich, was allerdings belustigend wirkt und Assoziationen an den ebenfalls 2007 gedrehten „Simpsons“-Film hervorruft. Ob man das Jugendpublikum nicht vergrätzen wollte oder unfreiwillig Komik beim Anblick eines animierten nackten Schwengels befürchtete? Kann sein, aber in ihrer jetzigen Form wirkt die Szene wie ein fauler Kompromiss zwischen Zeigen-Wollen und Nicht-Zeigen-Wollen.

Doch „Beowulf“ krankt an einer weiteren Schwäche: Er ist über weite Strecken einfach lahm und ist an vielen Stellen einfach langweilig. Gerade zwischen dem ersten Monster, Grendel, und einem zum Ende hin auftauchenden, neuen Ungetüm scheint Zemeckis ein wenig die Lust verlassen zu haben, die bereits erwähnte Schuld-und-Sühne-Geschichte scheint der Zeitstreckung zu dienen und hat sich in Wohlgefallen aufgelöst, wenn das Finale dann die Actionkeule auspackt.
Aus technischer Sicht hingegen ist „Beowulf“ fast schon grandios zu nennen: Das motion capturing Verfahren trägt beeindruckende Früchte, die digitalen Versionen von Anthony Hopkins, Angelina Jolie, Ray Winstone, Robin Wright-Penn, Brendan Gleeson usw. sind eben nicht nur mit den Stimmen, sondern auch der Mimik und Ausdruckskraft der Akteure gesegnet. Auch die animierte Action weiß streckenweise zu begeistern, wobei sie den sonst vom motion capturing angestrebten Realismus eher klein schreibt, der mythische Held Beowulf durch die Luft springt, sich an Seeungeheuern festklammert und an Drachen entlang schwingt als sei es ein Videospiel und dabei nicht auf realistisch anmutende Bewegungsmuster zurückgreift. Es mag so wirken als stelle sich „Beowulf“ dort selbst ein Bein, doch es sieht klasse aus, das muss man anerkennen.

Schlussendlich muss man Zemeckis dafür loben, dass er „Beowulf“ trotz einiger Witzeleien als überraschend ernstes, überraschend rohes Historienepos anlegt, das technisch wirklich Maßstäbe setzt. Erzählerisch und stilistisch kann „Beowulf“ den Ansprüchen aber leider nicht gerecht werden, weshalb bei allen guten Ansätzen dann schlussendlich doch nur die Enttäuschung bleibt.

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