Da möchte man meinen, sich nach dem Konsum von nunmehr weit über 1000 Horror- und artverwandten Filmen zur abgebrühten Elite zählen zu können, die jeden Schockeffekt schon erahnt und der nichts mehr einen kalten Schauer über den Rücken jagen kann.
Weit gefehlt - denn "The Others" belehrte mich glücklicherweise wieder eines Besseren. "Glücklicherweise" deshalb, weil sich dieses echte Gruseln, welches im Grunde ja ein sehr schönes Gefühl sein kann, besonders nach langjähriger Erfahrung mit dem mittlerweile Mainstream-FX-Orgien-verseuchten Genre leider in den seltensten Fällen noch einstellen will und man es irgendwie wehmütig vermißt. Aus diesem Grund verdient "The Others" meinen größten Respekt, da der Film das Kunststück vollbringt, einen "alten Hasen" wie mich noch genau so zu fesseln wie vielleicht einen unbewanderten Neueinsteiger.
Filme wie dieser lassen einen wieder an das Genre glauben, und beweisen, daß es sich doch lohnt, dem Horrorfilm die oft so schwer gemachte Treue zu halten.
Natürlich darf man "Horrorfilm" nicht mit "Splatterfilm" gleichsetzen, denn solch erwartungsfreudigen Zuschauern bietet der Film nichts. Und doch ist es der pure, klassische Horrorfilm im eigentlichen Sinne mit all den zeitlos wirksamen Zutaten: knarrende Türen, fahler Kerzenschein, unheimliche Geräusche, das Haus im Nebel.
Doch das größte Plus des Filmes ist, daß ihm jegliche publikumsorientierte Schockeffekte (es gibt nicht mal die von US-Regisseuren so gerne benutzte, klischeehafte Hand-von-hinten-Szene) und FX-Spektakel fehlen, und er diesen leisen Stil bis zum überraschenden Ende hin konsequent durchhält. Mittlerweile ist man dermaßen verzweifelt angesichts der kläglichen Versuche, den Spukhaus-Film wieder salonfähig zu machen ("Das Geisterschloß", "House on haunted hill"), daß man regelrecht dankbar für solch eine ehrliche Produktion ist, in der gegen Ende mal nicht sinnlos die digitalen Fetzen fliegen.
Abgesehen davon hätte "The Others" es aber auch nicht nötig, vorhandene Schwächen durch überladene FX zu übertünchen, denn der Film hat keine. Die durchgängig unheimliche und spannende Geschichte besitzt weder Leerlauf, noch hat man als geübter Zuschauer ständig Deja-vu-Gefühle, was ebenso ein Kunststück ist, zumal man ja für gewöhnlich "alles schon mal gesehen" hat.
Ein weiterer glücklicher Umstand für den Filmfreund ist, endlich mal nicht mit dem x-ten Remake irgendeines Filmes abgespeist zu werden, sodaß die zusätzliche Ablenkung, nebenbei ständig im Hinterkopf Vergleiche mit dem Original ziehen zu müssen, entfällt.
Doch zum Gelingen des Streifens wird sich nicht allein auf die bedrohliche Atmosphäre verlassen, denn so wie es eigentlich sein sollte, wird die Geschichte hauptsächlich von den glänzenden Darstellern mit ihren hervorragenden Leistungen getragen. Die bisher eher selten in großen Hauptrollen besetzte Nicole Kidman meistert ihre Aufgabe grandios, das Spiel der offensichtlich recht professionellen Kinderdarsteller ist sehr überzeugend und facettenreich, und die stellenweise diabolisch wirkende Haushälterin rundet das positive Gesamtbild ab. Anzumerken wäre noch, daß keine Schauspieler in unwichtigen Nebenrollen verheizt werden, sondern jede Figur sinnvoll in den Film integriert ist.
Die Dialoge sind gut durchdacht, erscheinen niemals albern oder gar überflüssig. Erholsam ist außerdem, daß hier niemand (wie in US-Produktionen üblich) noch in der schlimmsten Lage einen lockeren, besonders unpassenden Spruch losläßt, der einem in der Realität in solch einer Lage nie in den Sinn kommen würde. Im Gegensatz gipfelt das Ganze aber auch nicht (ebenfalls in US-Produktionen üblich) in einer Kreisch- und Heulorgie der Darsteller. Alle, insbesondere die Kinder, verhalten sich wohltuend natürlich und realistisch, selbst wenn Panik angesagt ist.
Unter dem Strich hält der Zuschauer somit den perfekten Gruselfilm in der Hand, den er sich in eigenem Interesse erst nach Einbruch der Dunkelheit antun sollte. Am Ende wird er dankbar sein.