Oftmals sind es vermeintliche Kleinigkeiten, die einen Film von der breiten Masse unterscheiden. Unzählige Produktionen weisen das gleiche Schema bzw. Muster auf. Trotzdem gelingt es den Machern, allen voran den Regisseuren, altbekannte Kost innovativ, fast schon magisch, zu verarbeiten, um den Standard zu übertrumpfen. Erst im Nachhinein, wenn die erste Begeisterung für einen Film vorüber ist und man ergründet, weshalb der Film derart überzeugte, lässt sich die wahre Kunst entschlüsseln. Ein typisches Beispiel für diese Magie ist „Training Day“.
"Um die Schafe zu schützen, musst du den Wolf einfangen..."; „Nur ein Wolf kann einen Wolf fangen." (Alonzo)
Die Erlebnisse des „Training Days“, dem ersten Arbeitstag als Undercover-Agent der Drogenfahndung, erscheinen für den Polizisten Jake Hoyt (Ethan Hawke) völlig irrational. Sein neuer Vorgesetzter, Detective Alonzo Harris (Denzel Washington), hat seine eigene Philosophie in Bezug auf die Rechte und Pflichten eines Polizisten. Für den idealistisch geprägten Polizisten Hoyt ist diese Vorgehensweise fremd. Doch Harris vereinnahmt und instrumentalisiert ihn und bald findet sich Hoyt in einem Netz von Lügen, Korruption und Intrigen wieder.
Innovativ ist die Konstellation von Gut und Böse und der Plot keinesfalls, aber die Art und Weise, wie die Story umgesetzt wurde, überzeugt vollends. Vor allem das perfide Spiel, in das Hoyt verwickelt wird, erzeugt unglaubliche Spannung. Es ist eigentlich nur ein klassisches Katz und Maus Spiel, aber Hawke und Washington drücken dem Ganzen ihren eigenen Stempel auf.
„Ich trete auf höheren Pfaden, Junge!" (Alonzo)
Schillernd ist allen voran Denzel Washington als Detectiv Alonzo Harris, der für diese schauspielerische Leistung völlig zu Recht mit einem Oscar belohnt wurde. Die Rolle des korrupten, extrovertierten, charismatischen Cops ist für Washington völlig ungewöhnlich, aber nie war er überzeugender. So fragwürdig und grotesk seine Vorgehensweise auch erscheinen mag, er vereinnahmt den Betrachter durch die philosophische Fundierung seines Handelns. Er ist nicht nur der primitive „Bad Guy“, sondern er maßt sich an zu bestimmen, was Recht und Unrecht ist. Harris bzw. Washington geizt nicht mit Charisma und glänzt durch Intelligenz und Weisheit.
Im Gegensatz dazu übernimmt Ethan Hawke den Part des idealistisch geprägten Polizisten, der korrekt handelt und sich strikt an die Umsetzung der herrschenden Gesetze hält. Auch wenn er nicht an die brillante Leistung von Washington anknüpfen kann, spielt Hawke seine Rolle überzeugend.
"Der Tod ist sicher, das Leben nicht!" (Alonzo)
Die befremdliche Großstadt-Atmosphäre von Los Angeles und die ungewöhnlichen, einprägenden, bedrohlichen, musikalischen Klänge, die hier richtig platziert sind, und auf Unheil hinweisen, verleihen dem Film noch zusätzlich einen fesselnden, düsteren Charakter. Visuell werden darüber hinaus einige Highlights geboten, beispielsweise die verzerrte Perspektive von Hoyt im Drogenrausch. Ferner überzeugen auch die Verfolgungsjagden und Schießereien nicht nur optisch, sondern auch schnitttechnisch. Aufgrund scharfer, hochglanzpolierter Bilder und geschickten Kameraeinstellungen, oftmals im Wechsel zwischen den Protagonisten, wird nahezu ein dokumentarischer Eindruck vermittelt.
"Du hast getan, was du tun musstest!" (Alonzo)
Obwohl auf den ersten Blick nichts außergewöhnlich erscheinen mag, ist gerade die Feinarbeit der entscheidende Grund, weshalb „Training Day“ als Gesamtwerk funktioniert. Der Magier, Regisseur Antoine Fuqua benutzt an sich normale Strukturen und Ideen, um sie bis hin zur Vollkommenheit zu verfeinern, so dass selbst damit verbundene Klischees vernichtet werden und das Ganze auf eine andere Ebene manövriert wird. Das Spiel und Duell zwischen Jake Hoyt und Alonzo Harris, ohne Zweifel nicht zuletzt durch Denzel Washington eine prägende Figur, ist von der ersten bis zur letzten Sekunde spannend und im Rahmen des Genres unerreicht. (9,5/10)